Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].Der Abend. Kaum lacht so die streifichte Flur im blumichten Früh-ling, Wenn sie vom fruchtbaren Regen erfrischt, mit spielen- den Farben Vor des Wanderers Blick am fernen Gehölze vorbey- läuft: Als die himmlische Flur in wechselnden Farben jetzt schimmert. Zwar die Sonne tauchet nun schon, die Räder des Wa- gens, Jn den Ocean ein; doch gönnt sie dem blühenden Erd- kreis Noch ihr holdes Gesicht bey ihrem lieblichen Abschied. Ungern scheidet sie sich; mit einem Auge voll Sehn- sucht Schaut sie öfters sich um nach ihrem verlaßnem Ge- biete, Welches hinter ihr, wie sie entweicht, der Abend er- obert. Plötzlich gerathen dadurch die Vögel des Himmels in Aufruhr, Als wenn eine Posaune das Zeichen zum Aufbruch ge- geben. Und das Abendroth steckt das winkende Purpurpanier auf, Welches von Westen sogleich tief in den Himmel hinab- strömt. Alles erhebt sich, und sucht die alte sichere Zuflucht Vor
Der Abend. Kaum lacht ſo die ſtreifichte Flur im blumichten Fruͤh-ling, Wenn ſie vom fruchtbaren Regen erfriſcht, mit ſpielen- den Farben Vor des Wanderers Blick am fernen Gehoͤlze vorbey- laͤuft: Als die himmliſche Flur in wechſelnden Farben jetzt ſchimmert. Zwar die Sonne tauchet nun ſchon, die Raͤder des Wa- gens, Jn den Ocean ein; doch goͤnnt ſie dem bluͤhenden Erd- kreis Noch ihr holdes Geſicht bey ihrem lieblichen Abſchied. Ungern ſcheidet ſie ſich; mit einem Auge voll Sehn- ſucht Schaut ſie oͤfters ſich um nach ihrem verlaßnem Ge- biete, Welches hinter ihr, wie ſie entweicht, der Abend er- obert. Ploͤtzlich gerathen dadurch die Voͤgel des Himmels in Aufruhr, Als wenn eine Poſaune das Zeichen zum Aufbruch ge- geben. Und das Abendroth ſteckt das winkende Purpurpanier auf, Welches von Weſten ſogleich tief in den Himmel hinab- ſtroͤmt. Alles erhebt ſich, und ſucht die alte ſichere Zuflucht Vor
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Der Abend.
Kaum lacht ſo die ſtreifichte Flur im blumichten Fruͤh-
ling,
Wenn ſie vom fruchtbaren Regen erfriſcht, mit ſpielen-
den Farben
Vor des Wanderers Blick am fernen Gehoͤlze vorbey-
laͤuft:
Als die himmliſche Flur in wechſelnden Farben jetzt
ſchimmert.
Zwar die Sonne tauchet nun ſchon, die Raͤder des Wa-
gens,
Jn den Ocean ein; doch goͤnnt ſie dem bluͤhenden Erd-
kreis
Noch ihr holdes Geſicht bey ihrem lieblichen Abſchied.
Ungern ſcheidet ſie ſich; mit einem Auge voll Sehn-
ſucht
Schaut ſie oͤfters ſich um nach ihrem verlaßnem Ge-
biete,
Welches hinter ihr, wie ſie entweicht, der Abend er-
obert.
Ploͤtzlich gerathen dadurch die Voͤgel des Himmels in
Aufruhr,
Als wenn eine Poſaune das Zeichen zum Aufbruch ge-
geben.
Und das Abendroth ſteckt das winkende Purpurpanier
auf,
Welches von Weſten ſogleich tief in den Himmel hinab-
ſtroͤmt.
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