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Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907.

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verhältnisses zwischen dem Rechte des einen und der Rechtlosigkeit des
anderen aufdecken. Dies kann aber nicht im Rahmen dieser Aus-
führungen geschehen, es muß genügen, darauf hinzuweisen, daß die
politische Rechtlosigkeit der Frau eines der interessantesten Probleme
der Menschheitsgeschichte ist. Wir wollen hier nur zeigen, wann das
Frauenstimmrecht im Laufe der neueren Geschichte aufgetaucht ist, und
welche Ausdehnung es in der Gegenwart erreicht hat. Bevor wir diese
Darlegungen beginnen, sei jedoch auf eine merkwürdige Erscheinung
hingewiesen, die im schärfsten Gegensatz steht zu der politischen Recht-
losigkeit der Frau. Es ist die Tatsache, daß in einer Reihe von
Monarchien schon vor vielen Jahrhunderten, auch zur Zeit des starrsten
Absolutismus, der Frau das Erbfolgerecht auf den Thron eingeräumt
wurde, also auf die höchste, verantwortungsvollste Beamtung. Diese
Tatsache steht im schärfsten Widerspruch zur politischen Rechtlosigkeit des
weiblichen Geschlechts. Jn Spanien, Portugal, England und Holland
ist das Recht der Frauen an der Thronfolge nur wenig beschränkt,
außerdem besteht es in Oesterreich, Rußland und Griechenland beim
Fehlen männlicher Erben im regierenden Hause. Welche Machtfülle in
den Händen von Frauen gelegen hat, lehrt schon der Hinweis auf
Namen, wie Maria und Elisabeth von England, die beiden so ver-
chieden gearteten Töchter Heinrichs VIII.; auf Maria Theresia von
Oesterreich, die vielleicht die hervorragendste Gestalt im Hause der
Habsburger war, auf Katharina II. von Rußland, die bei allen ihren
Fehlern eine der glänzendsten Gestalten in der Reihe der russischen
Herrscher gewesen ist. Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß unter
den Frauen, die Kronen getragen haben, lange nicht so viel mittel-
mäßige und unbedeutende Gestalten vorhanden waren, als unter den
männlichen Vertretern des Gottesgnadentums.

Frankreich.

Als die Neu-Englandstaaten sich vom Mutterland in zähen Kämpfen
befreiten, als sich die neuen Vereinigten Staaten von Amerika eine Ver-
fassung gaben, deren freiheitliche Grundsätze eine Jnsel im Ozean des
Absolutismus bildeten, da war wenigstens einer der 13 Staaten so
konsequent, auch das Frauenstimmrecht einzuführen. Der Staat New
Jersey hatte im Jahre 1776 den Frauen das Stimmrecht verfassungs-
mäßig zuerkannt. Das Frauenwahlrecht bestand aber dort bloß bis
zum Jahre 1807.

Der sehr bedeutende Einfluß, den die Vereinigten Staaten auf
die Revolution der Geister ausgeübt haben, die der großen französischen
Revolution vorangegangen ist, äußert sich auch in der Frage des Frauen-
stimmrechtes. Der berühmte französische Nationalökonom und Politiker
Condorcet vertrat im Jahre 1787 in seinen "Briefen eines Bürgers
von New Haven an einen Bürger von Virginien" das Frauenstimm-
recht. Aber in der französischen Revolution spielte diese Frage eine
sehr wenig beachtete Rolle. Wohl erschienen 1789 mehrere Flugblätter,
welche die Zulassung der Frauen zu den Nationalständen forderten
und gegen eine Nationalversammlung protestierten, von der die Hälfte
der Nation ausgeschlossen wäre. Wohl wurde bei den Jnstruktionen,
welche die Abgeordneten von den Wahlkörperschaften zu den General-
staaten von 1789 erhielten, in ganz wenigen Fällen auch die Ver-
leihung der politischen Rechte an die Frauen verlangt. Wohl erschien
in jener Zeit eine Schrift der Olympe de Gouges, welche die For-
derung der Frauen an die Nationalversammlung formulierte, die Er-

verhältnisses zwischen dem Rechte des einen und der Rechtlosigkeit des
anderen aufdecken. Dies kann aber nicht im Rahmen dieser Aus-
führungen geschehen, es muß genügen, darauf hinzuweisen, daß die
politische Rechtlosigkeit der Frau eines der interessantesten Probleme
der Menschheitsgeschichte ist. Wir wollen hier nur zeigen, wann das
Frauenstimmrecht im Laufe der neueren Geschichte aufgetaucht ist, und
welche Ausdehnung es in der Gegenwart erreicht hat. Bevor wir diese
Darlegungen beginnen, sei jedoch auf eine merkwürdige Erscheinung
hingewiesen, die im schärfsten Gegensatz steht zu der politischen Recht-
losigkeit der Frau. Es ist die Tatsache, daß in einer Reihe von
Monarchien schon vor vielen Jahrhunderten, auch zur Zeit des starrsten
Absolutismus, der Frau das Erbfolgerecht auf den Thron eingeräumt
wurde, also auf die höchste, verantwortungsvollste Beamtung. Diese
Tatsache steht im schärfsten Widerspruch zur politischen Rechtlosigkeit des
weiblichen Geschlechts. Jn Spanien, Portugal, England und Holland
ist das Recht der Frauen an der Thronfolge nur wenig beschränkt,
außerdem besteht es in Oesterreich, Rußland und Griechenland beim
Fehlen männlicher Erben im regierenden Hause. Welche Machtfülle in
den Händen von Frauen gelegen hat, lehrt schon der Hinweis auf
Namen, wie Maria und Elisabeth von England, die beiden so ver-
chieden gearteten Töchter Heinrichs VIII.; auf Maria Theresia von
Oesterreich, die vielleicht die hervorragendste Gestalt im Hause der
Habsburger war, auf Katharina II. von Rußland, die bei allen ihren
Fehlern eine der glänzendsten Gestalten in der Reihe der russischen
Herrscher gewesen ist. Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß unter
den Frauen, die Kronen getragen haben, lange nicht so viel mittel-
mäßige und unbedeutende Gestalten vorhanden waren, als unter den
männlichen Vertretern des Gottesgnadentums.

Frankreich.

Als die Neu-Englandstaaten sich vom Mutterland in zähen Kämpfen
befreiten, als sich die neuen Vereinigten Staaten von Amerika eine Ver-
fassung gaben, deren freiheitliche Grundsätze eine Jnsel im Ozean des
Absolutismus bildeten, da war wenigstens einer der 13 Staaten so
konsequent, auch das Frauenstimmrecht einzuführen. Der Staat New
Jersey hatte im Jahre 1776 den Frauen das Stimmrecht verfassungs-
mäßig zuerkannt. Das Frauenwahlrecht bestand aber dort bloß bis
zum Jahre 1807.

Der sehr bedeutende Einfluß, den die Vereinigten Staaten auf
die Revolution der Geister ausgeübt haben, die der großen französischen
Revolution vorangegangen ist, äußert sich auch in der Frage des Frauen-
stimmrechtes. Der berühmte französische Nationalökonom und Politiker
Condorcet vertrat im Jahre 1787 in seinen „Briefen eines Bürgers
von New Haven an einen Bürger von Virginien‟ das Frauenstimm-
recht. Aber in der französischen Revolution spielte diese Frage eine
sehr wenig beachtete Rolle. Wohl erschienen 1789 mehrere Flugblätter,
welche die Zulassung der Frauen zu den Nationalständen forderten
und gegen eine Nationalversammlung protestierten, von der die Hälfte
der Nation ausgeschlossen wäre. Wohl wurde bei den Jnstruktionen,
welche die Abgeordneten von den Wahlkörperschaften zu den General-
staaten von 1789 erhielten, in ganz wenigen Fällen auch die Ver-
leihung der politischen Rechte an die Frauen verlangt. Wohl erschien
in jener Zeit eine Schrift der Olympe de Gouges, welche die For-
derung der Frauen an die Nationalversammlung formulierte, die Er-

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[56/0066] verhältnisses zwischen dem Rechte des einen und der Rechtlosigkeit des anderen aufdecken. Dies kann aber nicht im Rahmen dieser Aus- führungen geschehen, es muß genügen, darauf hinzuweisen, daß die politische Rechtlosigkeit der Frau eines der interessantesten Probleme der Menschheitsgeschichte ist. Wir wollen hier nur zeigen, wann das Frauenstimmrecht im Laufe der neueren Geschichte aufgetaucht ist, und welche Ausdehnung es in der Gegenwart erreicht hat. Bevor wir diese Darlegungen beginnen, sei jedoch auf eine merkwürdige Erscheinung hingewiesen, die im schärfsten Gegensatz steht zu der politischen Recht- losigkeit der Frau. Es ist die Tatsache, daß in einer Reihe von Monarchien schon vor vielen Jahrhunderten, auch zur Zeit des starrsten Absolutismus, der Frau das Erbfolgerecht auf den Thron eingeräumt wurde, also auf die höchste, verantwortungsvollste Beamtung. Diese Tatsache steht im schärfsten Widerspruch zur politischen Rechtlosigkeit des weiblichen Geschlechts. Jn Spanien, Portugal, England und Holland ist das Recht der Frauen an der Thronfolge nur wenig beschränkt, außerdem besteht es in Oesterreich, Rußland und Griechenland beim Fehlen männlicher Erben im regierenden Hause. Welche Machtfülle in den Händen von Frauen gelegen hat, lehrt schon der Hinweis auf Namen, wie Maria und Elisabeth von England, die beiden so ver- chieden gearteten Töchter Heinrichs VIII.; auf Maria Theresia von Oesterreich, die vielleicht die hervorragendste Gestalt im Hause der Habsburger war, auf Katharina II. von Rußland, die bei allen ihren Fehlern eine der glänzendsten Gestalten in der Reihe der russischen Herrscher gewesen ist. Man kann ohne Uebertreibung sagen, daß unter den Frauen, die Kronen getragen haben, lange nicht so viel mittel- mäßige und unbedeutende Gestalten vorhanden waren, als unter den männlichen Vertretern des Gottesgnadentums. Frankreich. Als die Neu-Englandstaaten sich vom Mutterland in zähen Kämpfen befreiten, als sich die neuen Vereinigten Staaten von Amerika eine Ver- fassung gaben, deren freiheitliche Grundsätze eine Jnsel im Ozean des Absolutismus bildeten, da war wenigstens einer der 13 Staaten so konsequent, auch das Frauenstimmrecht einzuführen. Der Staat New Jersey hatte im Jahre 1776 den Frauen das Stimmrecht verfassungs- mäßig zuerkannt. Das Frauenwahlrecht bestand aber dort bloß bis zum Jahre 1807. Der sehr bedeutende Einfluß, den die Vereinigten Staaten auf die Revolution der Geister ausgeübt haben, die der großen französischen Revolution vorangegangen ist, äußert sich auch in der Frage des Frauen- stimmrechtes. Der berühmte französische Nationalökonom und Politiker Condorcet vertrat im Jahre 1787 in seinen „Briefen eines Bürgers von New Haven an einen Bürger von Virginien‟ das Frauenstimm- recht. Aber in der französischen Revolution spielte diese Frage eine sehr wenig beachtete Rolle. Wohl erschienen 1789 mehrere Flugblätter, welche die Zulassung der Frauen zu den Nationalständen forderten und gegen eine Nationalversammlung protestierten, von der die Hälfte der Nation ausgeschlossen wäre. Wohl wurde bei den Jnstruktionen, welche die Abgeordneten von den Wahlkörperschaften zu den General- staaten von 1789 erhielten, in ganz wenigen Fällen auch die Ver- leihung der politischen Rechte an die Frauen verlangt. Wohl erschien in jener Zeit eine Schrift der Olympe de Gouges, welche die For- derung der Frauen an die Nationalversammlung formulierte, die Er-

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2015-08-28T12:13:05Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-28T12:13:05Z)

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Zitationshilfe: Zetkin, Clara: Zur Frage des Frauenwahlrechts. Bearbeitet nach dem Referat auf der Konferenz sozialistischer Frauen zu Mannheim. Dazu drei Anhänge: [...]. Berlin, 1907, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zetkin_frauenwahlrecht2_1907/66>, abgerufen am 24.11.2024.