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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1726.
LI. Gerechte Thränen über Julianen, Grä-
fin von Zinzendorf.
ACh Schwägerin! wie beugt mich dein Erblassen!
Was ritzet mir dein Tod vor Wunden auf!
O tiefer Riß, ach unterbrochner Lauf!
Es lehre mich der HErr sein Hertze fassen,
Er binde mir die Augen feste zu,
Und führe mich in seinen Rath, zur Ruh!
Ach Edles Weib! der alle Ehren-Tittel,
Da Salomo die Tugend mit verehrt,
Nach Billigkeit vor andern zugehört,
Und du! liegst schon in einem Sterbe-Kittel!
Jch eilete, da mir der Bruder rief,
Und wuste nicht, daß Juliana schlief.
Jch trete nur, nach abgelegtem Reisen,
Jns Hauß hinein, so wird mir angesagt,
So wird mir gleich von jederman geklagt:
Der Bruder sey bestürtzt mit seinen Wäysen.
Es hätte kaum Graf Ottgen ausgeschnaubt,
So sey Gemahl und Mutter hingeraubt.
Ach harter Fall! davon die Pfosten beben!
Was männiglich an unserm Hause preist,
Das zeugete dein hocherhabner Geist,
Das zeigete dein angenehmes Leben.
Und hätte dich der Schnitter nicht gemeynt;
Wie hätte sich dein Ruhm noch ausgebreit?
Allein! wer will den Rath der Wächter meistern?
Jch bebe zwar, doch mit Ergebenheit,
Und tröste mich mit der Barmhertzigkeit,
Die dich so bald versetzt zu denen Geistern.
Denn, rückt der Freund den Lebens-Zeiger fort;
So weiset er an einen guten Ort.
Wer weiß, als du, (*) wie lieb mir deine Seele,
Wie theuer mir dein Wohl gewesen ist;
Wer
(*) Gedachte Gräfin war zugleich leiblich Geschwister Kind mit
dem Autore, und hatte sieben Jahr zuvor bey dessen lan-
1726.
LI. Gerechte Thraͤnen uͤber Julianen, Graͤ-
fin von Zinzendorf.
ACh Schwaͤgerin! wie beugt mich dein Erblaſſen!
Was ritzet mir dein Tod vor Wunden auf!
O tiefer Riß, ach unterbrochner Lauf!
Es lehre mich der HErr ſein Hertze faſſen,
Er binde mir die Augen feſte zu,
Und fuͤhre mich in ſeinen Rath, zur Ruh!
Ach Edles Weib! der alle Ehren-Tittel,
Da Salomo die Tugend mit verehrt,
Nach Billigkeit vor andern zugehoͤrt,
Und du! liegſt ſchon in einem Sterbe-Kittel!
Jch eilete, da mir der Bruder rief,
Und wuſte nicht, daß Juliana ſchlief.
Jch trete nur, nach abgelegtem Reiſen,
Jns Hauß hinein, ſo wird mir angeſagt,
So wird mir gleich von jederman geklagt:
Der Bruder ſey beſtuͤrtzt mit ſeinen Waͤyſen.
Es haͤtte kaum Graf Ottgen ausgeſchnaubt,
So ſey Gemahl und Mutter hingeraubt.
Ach harter Fall! davon die Pfoſten beben!
Was maͤnniglich an unſerm Hauſe preiſt,
Das zeugete dein hocherhabner Geiſt,
Das zeigete dein angenehmes Leben.
Und haͤtte dich der Schnitter nicht gemeynt;
Wie haͤtte ſich dein Ruhm noch ausgebreit?
Allein! wer will den Rath der Waͤchter meiſtern?
Jch bebe zwar, doch mit Ergebenheit,
Und troͤſte mich mit der Barmhertzigkeit,
Die dich ſo bald verſetzt zu denen Geiſtern.
Denn, ruͤckt der Freund den Lebens-Zeiger fort;
So weiſet er an einen guten Ort.
Wer weiß, als du, (*) wie lieb mir deine Seele,
Wie theuer mir dein Wohl geweſen iſt;
Wer
(*) Gedachte Graͤfin war zugleich leiblich Geſchwiſter Kind mit
dem Autore, und hatte ſieben Jahr zuvor bey deſſen lan-
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[122/0132] 1726. LI. Gerechte Thraͤnen uͤber Julianen, Graͤ- fin von Zinzendorf. ACh Schwaͤgerin! wie beugt mich dein Erblaſſen! Was ritzet mir dein Tod vor Wunden auf! O tiefer Riß, ach unterbrochner Lauf! Es lehre mich der HErr ſein Hertze faſſen, Er binde mir die Augen feſte zu, Und fuͤhre mich in ſeinen Rath, zur Ruh! Ach Edles Weib! der alle Ehren-Tittel, Da Salomo die Tugend mit verehrt, Nach Billigkeit vor andern zugehoͤrt, Und du! liegſt ſchon in einem Sterbe-Kittel! Jch eilete, da mir der Bruder rief, Und wuſte nicht, daß Juliana ſchlief. Jch trete nur, nach abgelegtem Reiſen, Jns Hauß hinein, ſo wird mir angeſagt, So wird mir gleich von jederman geklagt: Der Bruder ſey beſtuͤrtzt mit ſeinen Waͤyſen. Es haͤtte kaum Graf Ottgen ausgeſchnaubt, So ſey Gemahl und Mutter hingeraubt. Ach harter Fall! davon die Pfoſten beben! Was maͤnniglich an unſerm Hauſe preiſt, Das zeugete dein hocherhabner Geiſt, Das zeigete dein angenehmes Leben. Und haͤtte dich der Schnitter nicht gemeynt; Wie haͤtte ſich dein Ruhm noch ausgebreit? Allein! wer will den Rath der Waͤchter meiſtern? Jch bebe zwar, doch mit Ergebenheit, Und troͤſte mich mit der Barmhertzigkeit, Die dich ſo bald verſetzt zu denen Geiſtern. Denn, ruͤckt der Freund den Lebens-Zeiger fort; So weiſet er an einen guten Ort. Wer weiß, als du, (*) wie lieb mir deine Seele, Wie theuer mir dein Wohl geweſen iſt; Wer (*) Gedachte Graͤfin war zugleich leiblich Geſchwiſter Kind mit dem Autore, und hatte ſieben Jahr zuvor bey deſſen lan-

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/132>, abgerufen am 24.11.2024.