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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1728.
LXXIV. An eine vertraute Freundin, kurtz
nach ihrer Heyrath.
DJe Liebe hat dich schon ins Ehe-Band geknüpft
Zu einer solchen Zeit, da du allein zu leben
Dir noch nicht viele Müh auf dieser Welt gegeben.
Es scheinet, daß sein Rath dir manches überhüpft:
Du solst vielleicht gar bald von aller Last der Erden
Erkauft und frey gemacht und ihm vollendet werden.
Gewiß, wer seinen Zug an deiner Seele sah,
Und wie er dich so gleich an seinen Hals gerissen,
Noch, eh er dich den Weg zum Leben lassen wissen;
Kaum war sein Winck geschehn, so war dein Hertze da.
Wer deines Bräutgams Ruf und meine Werbung kennt,
Der hat dich schon gar oft ein selig Weib genennt.
Du giengest biß daher in grosser Stille hin:
Der harte Eigensinn verfolgte zwar dein Leben,
Allein, er muste dich dem Bräutigam ergeben;
Der Bräutigam ergrif dein Hertz und deinen Sinn.
Jch unterließ denn nicht, so viel ich nur kan dencken,
Dein Wesen mehr und mehr ins rechte Gleiß zu lencken.
Doch JEsu Fleisch und Blut, das dein geworden war,
That ohne Zweiffel hier das Beste bey der Sache!
Und also blieb der HErr nun unter deinem Dache,
Und schützte deinen Geist vor mancherley Gefahr;
An seinem Creutze ward dein strenger Sinn zerrieben,
Und meines Königs Wort in dein Gemüth geschrieben.
So führte er dich auch zu deiner Ehe ein,
Die Tage, da du dich auf deine Hochzeit schicktest,
Und in des Bräutgams Hertz mit Ehrerbietung blicktest,
Die musten dir gewiß Bereitungs-Tage seyn.
Und da du in dem Sinn des Lammes GOttes standest,
Was Wunder, daß du auch sein Liebes-Hertz empfandest.
Vergiß der Liebe nicht. Die Hölle könte dir,
Wann du nicht Treue hieltst, kein gnugsam Feuer heitzen,
Der Zorn des Lammes würd' ein Heer von Zeugen reitzen,
Die hielten dir sein Hertz und deine Boßheit für.
Jch
1728.
LXXIV. An eine vertraute Freundin, kurtz
nach ihrer Heyrath.
DJe Liebe hat dich ſchon ins Ehe-Band geknuͤpft
Zu einer ſolchen Zeit, da du allein zu leben
Dir noch nicht viele Muͤh auf dieſer Welt gegeben.
Es ſcheinet, daß ſein Rath dir manches uͤberhuͤpft:
Du ſolſt vielleicht gar bald von aller Laſt der Erden
Erkauft und frey gemacht und ihm vollendet werden.
Gewiß, wer ſeinen Zug an deiner Seele ſah,
Und wie er dich ſo gleich an ſeinen Hals geriſſen,
Noch, eh er dich den Weg zum Leben laſſen wiſſen;
Kaum war ſein Winck geſchehn, ſo war dein Hertze da.
Wer deines Braͤutgams Ruf und meine Werbung kennt,
Der hat dich ſchon gar oft ein ſelig Weib genennt.
Du giengeſt biß daher in groſſer Stille hin:
Der harte Eigenſinn verfolgte zwar dein Leben,
Allein, er muſte dich dem Braͤutigam ergeben;
Der Braͤutigam ergrif dein Hertz und deinen Sinn.
Jch unterließ denn nicht, ſo viel ich nur kan dencken,
Dein Weſen mehr und mehr ins rechte Gleiß zu lencken.
Doch JEſu Fleiſch und Blut, das dein geworden war,
That ohne Zweiffel hier das Beſte bey der Sache!
Und alſo blieb der HErr nun unter deinem Dache,
Und ſchuͤtzte deinen Geiſt vor mancherley Gefahr;
An ſeinem Creutze ward dein ſtrenger Sinn zerrieben,
Und meines Koͤnigs Wort in dein Gemuͤth geſchrieben.
So fuͤhrte er dich auch zu deiner Ehe ein,
Die Tage, da du dich auf deine Hochzeit ſchickteſt,
Und in des Braͤutgams Hertz mit Ehrerbietung blickteſt,
Die muſten dir gewiß Bereitungs-Tage ſeyn.
Und da du in dem Sinn des Lammes GOttes ſtandeſt,
Was Wunder, daß du auch ſein Liebes-Hertz empfandeſt.
Vergiß der Liebe nicht. Die Hoͤlle koͤnte dir,
Wann du nicht Treue hieltſt, kein gnugſam Feuer heitzen,
Der Zorn des Lammes wuͤrd’ ein Heer von Zeugen reitzen,
Die hielten dir ſein Hertz und deine Boßheit fuͤr.
Jch
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[172/0182] 1728. LXXIV. An eine vertraute Freundin, kurtz nach ihrer Heyrath. DJe Liebe hat dich ſchon ins Ehe-Band geknuͤpft Zu einer ſolchen Zeit, da du allein zu leben Dir noch nicht viele Muͤh auf dieſer Welt gegeben. Es ſcheinet, daß ſein Rath dir manches uͤberhuͤpft: Du ſolſt vielleicht gar bald von aller Laſt der Erden Erkauft und frey gemacht und ihm vollendet werden. Gewiß, wer ſeinen Zug an deiner Seele ſah, Und wie er dich ſo gleich an ſeinen Hals geriſſen, Noch, eh er dich den Weg zum Leben laſſen wiſſen; Kaum war ſein Winck geſchehn, ſo war dein Hertze da. Wer deines Braͤutgams Ruf und meine Werbung kennt, Der hat dich ſchon gar oft ein ſelig Weib genennt. Du giengeſt biß daher in groſſer Stille hin: Der harte Eigenſinn verfolgte zwar dein Leben, Allein, er muſte dich dem Braͤutigam ergeben; Der Braͤutigam ergrif dein Hertz und deinen Sinn. Jch unterließ denn nicht, ſo viel ich nur kan dencken, Dein Weſen mehr und mehr ins rechte Gleiß zu lencken. Doch JEſu Fleiſch und Blut, das dein geworden war, That ohne Zweiffel hier das Beſte bey der Sache! Und alſo blieb der HErr nun unter deinem Dache, Und ſchuͤtzte deinen Geiſt vor mancherley Gefahr; An ſeinem Creutze ward dein ſtrenger Sinn zerrieben, Und meines Koͤnigs Wort in dein Gemuͤth geſchrieben. So fuͤhrte er dich auch zu deiner Ehe ein, Die Tage, da du dich auf deine Hochzeit ſchickteſt, Und in des Braͤutgams Hertz mit Ehrerbietung blickteſt, Die muſten dir gewiß Bereitungs-Tage ſeyn. Und da du in dem Sinn des Lammes GOttes ſtandeſt, Was Wunder, daß du auch ſein Liebes-Hertz empfandeſt. Vergiß der Liebe nicht. Die Hoͤlle koͤnte dir, Wann du nicht Treue hieltſt, kein gnugſam Feuer heitzen, Der Zorn des Lammes wuͤrd’ ein Heer von Zeugen reitzen, Die hielten dir ſein Hertz und deine Boßheit fuͤr. Jch

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/182>, abgerufen am 29.04.2024.