Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.
Wärst du nicht, du liebe Buhle, Was du bist, du würdst es erst. Liebe riß dich noch vom Stuhle, Weil du unter uns gehörst. Hat sich nicht dein Hertz betrübet, Als es schien, du kämst ums Lamm, Denn du warst darein verliebet Treuer als kein Bräutigam. Nun du dann mit blutgen Kämpfen Unsre Seel erstritten hast, Soll den Lobes-Schall nichts dämpffen, Keine inn-noch äußre Last. Aufgestiegnes Reiß von Jesse, Wer versetzet uns in dich, Trauben, aus der Kelter-Presse, Uberfüllt uns mildiglich. Süsser Weinstock, laß die Säffte Deiner Wurtzel übergehn, Und in uns als Reben Kräffte Von der künfftgen Welt entstehn. Myrrhen Büschel, bleibe hangen Jn der aufgethanen Brust, Und mach unserm Haupt und Wangen Deine Bitterkeit zur Lust. Bäum des Lebens, laß uns schmecken Deiner Aepffel Süßigkeit, Und uns den Geschmack erwecken Aus der Hingesunckenheit. Bild der Unverweßlichkeiten, Unumspannter Ceder-Stamm, Sey uns Kirchen-Zimmerleuten Gut vor allen Wurm und Schwamm. Liege unsern Geists-Pallästen Da zum Diamanten Grund, Sey
Waͤrſt du nicht, du liebe Buhle, Was du biſt, du wuͤrdſt es erſt. Liebe riß dich noch vom Stuhle, Weil du unter uns gehoͤrſt. Hat ſich nicht dein Hertz betruͤbet, Als es ſchien, du kaͤmſt ums Lamm, Denn du warſt darein verliebet Treuer als kein Braͤutigam. Nun du dann mit blutgen Kaͤmpfen Unſre Seel erſtritten haſt, Soll den Lobes-Schall nichts daͤmpffen, Keine inn-noch aͤußre Laſt. Aufgeſtiegnes Reiß von Jeſſe, Wer verſetzet uns in dich, Trauben, aus der Kelter-Preſſe, Uberfuͤllt uns mildiglich. Suͤſſer Weinſtock, laß die Saͤffte Deiner Wurtzel uͤbergehn, Und in uns als Reben Kraͤffte Von der kuͤnfftgen Welt entſtehn. Myrrhen Buͤſchel, bleibe hangen Jn der aufgethanen Bruſt, Und mach unſerm Haupt und Wangen Deine Bitterkeit zur Luſt. Baͤum des Lebens, laß uns ſchmecken Deiner Aepffel Suͤßigkeit, Und uns den Geſchmack erwecken Aus der Hingeſunckenheit. Bild der Unverweßlichkeiten, Unumſpannter Ceder-Stamm, Sey uns Kirchen-Zimmerleuten Gut vor allen Wurm und Schwamm. Liege unſern Geiſts-Pallaͤſten Da zum Diamanten Grund, Sey
<TEI> <text> <body> <div> <lg type="poem"> <lg n="103"> <l> <pb facs="#f0277" n="267"/> <fw place="top" type="header">1733.</fw> </l><lb/> <l>Biſt du dennoch unſer <hi rendition="#fr">Bruder,</hi></l><lb/> <l>Fleiſch und Blut verkennt ſich nie.</l> </lg><lb/> <lg n="104"> <l>Waͤrſt du nicht, du liebe <hi rendition="#fr">Buhle,</hi></l><lb/> <l>Was du biſt, du wuͤrdſt es erſt.</l><lb/> <l>Liebe riß dich noch vom Stuhle,</l><lb/> <l>Weil du unter uns gehoͤrſt.</l> </lg><lb/> <lg n="105"> <l>Hat ſich nicht dein Hertz betruͤbet,</l><lb/> <l>Als es ſchien, du kaͤmſt ums <hi rendition="#fr">Lamm,</hi></l><lb/> <l>Denn du warſt darein verliebet</l><lb/> <l>Treuer als kein <hi rendition="#fr">Braͤutigam.</hi></l> </lg><lb/> <lg n="106"> <l>Nun du dann mit blutgen Kaͤmpfen</l><lb/> <l>Unſre Seel erſtritten haſt,</l><lb/> <l>Soll den Lobes-Schall nichts daͤmpffen,</l><lb/> <l>Keine inn-noch aͤußre Laſt.</l> </lg><lb/> <lg n="107"> <l>Aufgeſtiegnes <hi rendition="#fr">Reiß</hi> von Jeſſe,</l><lb/> <l>Wer verſetzet uns in dich,<lb/><hi rendition="#fr">Trauben,</hi> aus der Kelter-Preſſe,</l><lb/> <l>Uberfuͤllt uns mildiglich.</l> </lg><lb/> <lg n="108"> <l>Suͤſſer <hi rendition="#fr">Weinſtock,</hi> laß die Saͤffte</l><lb/> <l>Deiner Wurtzel uͤbergehn,</l><lb/> <l>Und in uns als Reben Kraͤffte</l><lb/> <l>Von der kuͤnfftgen Welt entſtehn.</l> </lg><lb/> <lg n="109"> <l><hi rendition="#fr">Myrrhen Buͤſchel,</hi> bleibe hangen</l><lb/> <l>Jn der aufgethanen Bruſt,</l><lb/> <l>Und mach unſerm Haupt und Wangen</l><lb/> <l>Deine Bitterkeit zur Luſt.</l> </lg><lb/> <lg n="110"> <l><hi rendition="#fr">Baͤum des Lebens,</hi> laß uns ſchmecken</l><lb/> <l>Deiner <hi rendition="#fr">Aepffel</hi> Suͤßigkeit,</l><lb/> <l>Und uns den Geſchmack erwecken</l><lb/> <l>Aus der Hingeſunckenheit.</l> </lg><lb/> <lg n="111"> <l> <hi rendition="#fr">Bild der Unverweßlichkeiten,</hi> </l><lb/> <l>Unumſpannter <hi rendition="#fr">Ceder-Stamm,</hi></l><lb/> <l>Sey uns Kirchen-Zimmerleuten</l><lb/> <l>Gut vor allen Wurm und Schwamm.</l> </lg><lb/> <lg n="112"> <l>Liege unſern Geiſts-Pallaͤſten</l><lb/> <l>Da zum <hi rendition="#fr">Diamanten Grund,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Sey</fw><lb/></l> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [267/0277]
1733.
Biſt du dennoch unſer Bruder,
Fleiſch und Blut verkennt ſich nie.
Waͤrſt du nicht, du liebe Buhle,
Was du biſt, du wuͤrdſt es erſt.
Liebe riß dich noch vom Stuhle,
Weil du unter uns gehoͤrſt.
Hat ſich nicht dein Hertz betruͤbet,
Als es ſchien, du kaͤmſt ums Lamm,
Denn du warſt darein verliebet
Treuer als kein Braͤutigam.
Nun du dann mit blutgen Kaͤmpfen
Unſre Seel erſtritten haſt,
Soll den Lobes-Schall nichts daͤmpffen,
Keine inn-noch aͤußre Laſt.
Aufgeſtiegnes Reiß von Jeſſe,
Wer verſetzet uns in dich,
Trauben, aus der Kelter-Preſſe,
Uberfuͤllt uns mildiglich.
Suͤſſer Weinſtock, laß die Saͤffte
Deiner Wurtzel uͤbergehn,
Und in uns als Reben Kraͤffte
Von der kuͤnfftgen Welt entſtehn.
Myrrhen Buͤſchel, bleibe hangen
Jn der aufgethanen Bruſt,
Und mach unſerm Haupt und Wangen
Deine Bitterkeit zur Luſt.
Baͤum des Lebens, laß uns ſchmecken
Deiner Aepffel Suͤßigkeit,
Und uns den Geſchmack erwecken
Aus der Hingeſunckenheit.
Bild der Unverweßlichkeiten,
Unumſpannter Ceder-Stamm,
Sey uns Kirchen-Zimmerleuten
Gut vor allen Wurm und Schwamm.
Liege unſern Geiſts-Pallaͤſten
Da zum Diamanten Grund,
Sey
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |