Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.III. Die Traditionen des Heidenthums. sittliche Entartung sowie über die Erfindung verschiedener Künsteund Gewerbe werden auf ähnliche Weise mit ihrer Geschichte verflochten, wie im oben erwähnten chinesischen Parallelberichte. Jnsbesondere wird Pulastya als Erfinder dämonischer Zauberkünste, Atri als von Gott gelehrter frommer Beter (vgl. Henoch), Dakscha als Stammvater von Riesen und Verüber von Freveln beim Opfer, der deßhalb getödtet wird, Brigu als Verfasser eines heiligen Gesetz- buchs, und Narada als ascetisch lebender Büßer, der sich des Kinderzeugens enthalten habe, dargestellt. 1) Diesen indischen Sagen stehen die der alten Eranier un- 1) Vgl. Gesetzb. des Manu (Manawadharmasastra) I, 33; III, 192
198. -- Lüken a. a. O., 152 ff., auch daselbst 86 ff., und Fonseca, Mytho- logie des alten Jndien, S. 25 f. III. Die Traditionen des Heidenthums. ſittliche Entartung ſowie über die Erfindung verſchiedener Künſteund Gewerbe werden auf ähnliche Weiſe mit ihrer Geſchichte verflochten, wie im oben erwähnten chineſiſchen Parallelberichte. Jnsbeſondere wird Pulaſtya als Erfinder dämoniſcher Zauberkünſte, Atri als von Gott gelehrter frommer Beter (vgl. Henoch), Dakſcha als Stammvater von Rieſen und Verüber von Freveln beim Opfer, der deßhalb getödtet wird, Brigu als Verfaſſer eines heiligen Geſetz- buchs, und Narada als ascetiſch lebender Büßer, der ſich des Kinderzeugens enthalten habe, dargeſtellt. 1) Dieſen indiſchen Sagen ſtehen die der alten Eranier un- 1) Vgl. Geſetzb. des Manu (Manawadharmasâstra) I, 33; III, 192
198. — Lüken a. a. O., 152 ff., auch daſelbſt 86 ff., und Fonſeca, Mytho- logie des alten Jndien, S. 25 f. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0101" n="91"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Traditionen des Heidenthums.</fw><lb/> ſittliche Entartung ſowie über die Erfindung verſchiedener Künſte<lb/> und Gewerbe werden auf ähnliche Weiſe mit ihrer Geſchichte<lb/> verflochten, wie im oben erwähnten chineſiſchen Parallelberichte.<lb/> Jnsbeſondere wird Pulaſtya als Erfinder dämoniſcher Zauberkünſte,<lb/> Atri als von Gott gelehrter frommer Beter (vgl. Henoch), Dakſcha<lb/> als Stammvater von Rieſen und Verüber von Freveln beim Opfer,<lb/> der deßhalb getödtet wird, Brigu als Verfaſſer eines heiligen Geſetz-<lb/> buchs, und Narada als ascetiſch lebender Büßer, der ſich des<lb/> Kinderzeugens enthalten habe, dargeſtellt. <note place="foot" n="1)">Vgl. Geſetzb. des Manu <hi rendition="#aq">(Manawadharmasâstra) I, 33; III,</hi> 192<lb/> 198. — <hi rendition="#g">Lüken</hi> a. a. O., 152 ff., auch daſelbſt 86 ff., und <hi rendition="#g">Fonſeca,</hi> Mytho-<lb/> logie des alten Jndien, S. 25 f.</note></p><lb/> <p>Dieſen indiſchen Sagen ſtehen die der alten <hi rendition="#g">Eranier</hi> un-<lb/> mittelbar nahe, kommen aber zugleich in ihrer Behandlung der<lb/> Paradieſes- und Sündenfallsgeſchichte noch näher mit der altteſta-<lb/> mentlichen Ueberlieferung überein. Das Paradies, die „Schöpfung<lb/> der Anmuth‟, der „erſte und beſte der Plätze‟ wurde von Ahura-<lb/> mazda geſchaffen durch die Macht ſeines Verſtands und ſeiner Weis-<lb/> heit. Jnmitten ſeiner vielen heilſamen Bäume wuchs Gaokerena,<lb/> der „weiße Haoma‟ oder Baum des Lebens, deß Genuß unſterblich<lb/> macht. Die erſten Menſchen lebten hier, unter Jima’s, des Schönen<lb/> und Reinen, patriarchaliſcher Herrſchaft, frei vom Tode; ſie konnten<lb/> in die Sonne ſehen, ohne geblendet zu werden; es gab bei ihnen<lb/> weder Tod noch Alter noch Sünde, — bis endlich Jima durch<lb/> Stolz und Selbſtüberhebung lügneriſcher Rede ſich hingab, in Sünde<lb/> verfiel und, von Ahuramazda verlaſſen, der Sterblichkeit überliefert<lb/> wurde, worauf auch für ſein Geſchlecht, das von ihm die ſündige<lb/> Kunſt des Fleiſcheſſens erlernte, der paradieſche Urſitz verloren ging.<lb/> Mit dem Verluſte deſſelben erſcheint hier der Eintritt des von den<lb/> himmliſchen Göttern in Geſtalt eines furchtbaren Winters oder<lb/> Regenwetters verhängten Gerichts der Sintfluth unmittelbar ver-<lb/> flochten; denn Jima ſelbſt, der Menſchheitsſtammvater, erlebt dieſe<lb/> Fluth noch und baut die rettende Arche. So ſchon der Vendidad<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [91/0101]
III. Die Traditionen des Heidenthums.
ſittliche Entartung ſowie über die Erfindung verſchiedener Künſte
und Gewerbe werden auf ähnliche Weiſe mit ihrer Geſchichte
verflochten, wie im oben erwähnten chineſiſchen Parallelberichte.
Jnsbeſondere wird Pulaſtya als Erfinder dämoniſcher Zauberkünſte,
Atri als von Gott gelehrter frommer Beter (vgl. Henoch), Dakſcha
als Stammvater von Rieſen und Verüber von Freveln beim Opfer,
der deßhalb getödtet wird, Brigu als Verfaſſer eines heiligen Geſetz-
buchs, und Narada als ascetiſch lebender Büßer, der ſich des
Kinderzeugens enthalten habe, dargeſtellt. 1)
Dieſen indiſchen Sagen ſtehen die der alten Eranier un-
mittelbar nahe, kommen aber zugleich in ihrer Behandlung der
Paradieſes- und Sündenfallsgeſchichte noch näher mit der altteſta-
mentlichen Ueberlieferung überein. Das Paradies, die „Schöpfung
der Anmuth‟, der „erſte und beſte der Plätze‟ wurde von Ahura-
mazda geſchaffen durch die Macht ſeines Verſtands und ſeiner Weis-
heit. Jnmitten ſeiner vielen heilſamen Bäume wuchs Gaokerena,
der „weiße Haoma‟ oder Baum des Lebens, deß Genuß unſterblich
macht. Die erſten Menſchen lebten hier, unter Jima’s, des Schönen
und Reinen, patriarchaliſcher Herrſchaft, frei vom Tode; ſie konnten
in die Sonne ſehen, ohne geblendet zu werden; es gab bei ihnen
weder Tod noch Alter noch Sünde, — bis endlich Jima durch
Stolz und Selbſtüberhebung lügneriſcher Rede ſich hingab, in Sünde
verfiel und, von Ahuramazda verlaſſen, der Sterblichkeit überliefert
wurde, worauf auch für ſein Geſchlecht, das von ihm die ſündige
Kunſt des Fleiſcheſſens erlernte, der paradieſche Urſitz verloren ging.
Mit dem Verluſte deſſelben erſcheint hier der Eintritt des von den
himmliſchen Göttern in Geſtalt eines furchtbaren Winters oder
Regenwetters verhängten Gerichts der Sintfluth unmittelbar ver-
flochten; denn Jima ſelbſt, der Menſchheitsſtammvater, erlebt dieſe
Fluth noch und baut die rettende Arche. So ſchon der Vendidad
1) Vgl. Geſetzb. des Manu (Manawadharmasâstra) I, 33; III, 192
198. — Lüken a. a. O., 152 ff., auch daſelbſt 86 ff., und Fonſeca, Mytho-
logie des alten Jndien, S. 25 f.
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