Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.IV. Die Opposition des modernen Naturalismus. jüngsten Ultramontanismus, wie Kleutgen, Scheeben etc. 1) Auchaußerhalb dieser römisch-kirchlichen Kreise erhielt die Entartungs- theorie theils in strengerer theils in irgendwie gemilderter Fassung eine Reihe namhafter Vertreter. Kein Geringerer als der große Geograph C. Ritter huldigte mit Begeisterung der Annahme eines einstigen Ur-Monotheismus als gemeinsamen Ausgangspunkts für die Entwicklung aller heidnischen Culte und Mythen, wie er dieß schon in seiner etwas phantastisch angelegten "Vorhalle europäischer Völkergeschichte vor Herodot" (1818) darzulegen versuchte, aber auch später noch mit Entschiedenheit vertrat. Ein nicht minder energischer Vertheidiger der Degradationslehre war bis zu seinem Tode der berühmte Brasilienforscher und Botaniker Martius (+ 1868), der "König im Reiche der Palmen". 2) Bei G. H. v. Schubert wirkte Beides, der nachwirkende Einfluß Schellingscher Naturphilosophie und eine streng bibelgläubige Haltung, dahin zusammen, ihn zu einem eifrigen Vertreter der Annahme eines sündlosen Urstands und Gegner der Naturmenschen-Hypothese Rousseau's und seiner Schule zu machen. 3) Aber auch manche nicht-orthodoxe Schellingianer hielten, -- gleich ihrem Meister selbst, der trotz seiner Bevorzugung poly- genistischer Vorstellungen doch stets einen Urmonotheismus lehrte und den Satz vertheidigte: es gebe keinen Zustand der Barbarei, der nicht aus einer untergegangenen Cultur hervorgegangen wäre -- am Grundgedanken einer reineren Urbeschaffenheit und monotheistischen Religiosität der ersten Menschen fest. So der "Panentheist" Krause, Baaders, sowie derjenigen Lasaulx's s. Rocholl, S. 158--163. Ueber Leop. Schmid als anfänglichen Jünger des Molitorschen Kabbalismus in seinem mystischen Genesis-Commentar (1834) s. m. Geschichte der Beziehungen etc. II, 527. 1) Kleutgen, Die Theologie der Vorzeit, II, 595. -- Scheeben, Die Mysterien des Christenthums, S. 204 ff. 2) Wegen Ritters vgl. G. Kramer, Carl Ritter; ein Lebensbild etc. Halle 1864, I, 290. 415 ff. 443 ff.; wegen Martius' s. Biographie von Hugo Schramm 1869, sowie "Ausland" 1869, Nr. 38. 3) Siehe bes. die Ausführungen in seiner Selbstbiographie, I, S. 178 ff.
IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus. jüngſten Ultramontanismus, wie Kleutgen, Scheeben ꝛc. 1) Auchaußerhalb dieſer römiſch-kirchlichen Kreiſe erhielt die Entartungs- theorie theils in ſtrengerer theils in irgendwie gemilderter Faſſung eine Reihe namhafter Vertreter. Kein Geringerer als der große Geograph C. Ritter huldigte mit Begeiſterung der Annahme eines einſtigen Ur-Monotheismus als gemeinſamen Ausgangspunkts für die Entwicklung aller heidniſchen Culte und Mythen, wie er dieß ſchon in ſeiner etwas phantaſtiſch angelegten „Vorhalle europäiſcher Völkergeſchichte vor Herodot‟ (1818) darzulegen verſuchte, aber auch ſpäter noch mit Entſchiedenheit vertrat. Ein nicht minder energiſcher Vertheidiger der Degradationslehre war bis zu ſeinem Tode der berühmte Braſilienforſcher und Botaniker Martius († 1868), der „König im Reiche der Palmen‟. 2) Bei G. H. v. Schubert wirkte Beides, der nachwirkende Einfluß Schellingſcher Naturphiloſophie und eine ſtreng bibelgläubige Haltung, dahin zuſammen, ihn zu einem eifrigen Vertreter der Annahme eines ſündloſen Urſtands und Gegner der Naturmenſchen-Hypotheſe Rouſſeau’s und ſeiner Schule zu machen. 3) Aber auch manche nicht-orthodoxe Schellingianer hielten, — gleich ihrem Meiſter ſelbſt, der trotz ſeiner Bevorzugung poly- geniſtiſcher Vorſtellungen doch ſtets einen Urmonotheismus lehrte und den Satz vertheidigte: es gebe keinen Zuſtand der Barbarei, der nicht aus einer untergegangenen Cultur hervorgegangen wäre — am Grundgedanken einer reineren Urbeſchaffenheit und monotheiſtiſchen Religioſität der erſten Menſchen feſt. So der „Panentheiſt‟ Krauſe, Baaders, ſowie derjenigen Laſaulx’s ſ. Rocholl, S. 158—163. Ueber Leop. Schmid als anfänglichen Jünger des Molitorſchen Kabbalismus in ſeinem myſtiſchen Geneſis-Commentar (1834) ſ. m. Geſchichte der Beziehungen ꝛc. II, 527. 1) Kleutgen, Die Theologie der Vorzeit, II, 595. — Scheeben, Die Myſterien des Chriſtenthums, S. 204 ff. 2) Wegen Ritters vgl. G. Kramer, Carl Ritter; ein Lebensbild ꝛc. Halle 1864, I, 290. 415 ff. 443 ff.; wegen Martius’ ſ. Biographie von Hugo Schramm 1869, ſowie „Ausland‟ 1869, Nr. 38. 3) Siehe beſ. die Ausführungen in ſeiner Selbſtbiographie, I, S. 178 ff.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="127"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IV.</hi> Die Oppoſition des modernen Naturalismus.</fw><lb/> jüngſten Ultramontanismus, wie Kleutgen, Scheeben ꝛc. <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#g">Kleutgen,</hi> Die Theologie der Vorzeit, <hi rendition="#aq">II,</hi> 595. — <hi rendition="#g">Scheeben,</hi> Die<lb/> Myſterien des Chriſtenthums, S. 204 ff.</note> Auch<lb/> außerhalb dieſer römiſch-kirchlichen Kreiſe erhielt die Entartungs-<lb/> theorie theils in ſtrengerer theils in irgendwie gemilderter Faſſung<lb/> eine Reihe namhafter Vertreter. Kein Geringerer als der große<lb/> Geograph C. Ritter huldigte mit Begeiſterung der Annahme eines<lb/> einſtigen Ur-Monotheismus als gemeinſamen Ausgangspunkts für<lb/> die Entwicklung aller heidniſchen Culte und Mythen, wie er dieß<lb/> ſchon in ſeiner etwas phantaſtiſch angelegten „Vorhalle europäiſcher<lb/> Völkergeſchichte vor Herodot‟ (1818) darzulegen verſuchte, aber auch<lb/> ſpäter noch mit Entſchiedenheit vertrat. Ein nicht minder energiſcher<lb/> Vertheidiger der Degradationslehre war bis zu ſeinem Tode der<lb/> berühmte Braſilienforſcher und Botaniker Martius († 1868), der<lb/> „König im Reiche der Palmen‟. <note place="foot" n="2)">Wegen <hi rendition="#g">Ritters</hi> vgl. G. <hi rendition="#g">Kramer,</hi> Carl Ritter; ein Lebensbild ꝛc.<lb/> Halle 1864, <hi rendition="#aq">I,</hi> 290. 415 ff. 443 ff.; wegen <hi rendition="#g">Martius’</hi> ſ. Biographie von<lb/> Hugo <hi rendition="#g">Schramm</hi> 1869, ſowie „Ausland‟ 1869, Nr. 38.</note> Bei G. H. v. Schubert wirkte<lb/> Beides, der nachwirkende Einfluß Schellingſcher Naturphiloſophie<lb/> und eine ſtreng bibelgläubige Haltung, dahin zuſammen, ihn zu<lb/> einem eifrigen Vertreter der Annahme eines ſündloſen Urſtands und<lb/> Gegner der Naturmenſchen-Hypotheſe Rouſſeau’s und ſeiner Schule<lb/> zu machen. <note place="foot" n="3)">Siehe beſ. die Ausführungen in ſeiner Selbſtbiographie, <hi rendition="#aq">I,</hi> S. 178 ff.</note> Aber auch manche nicht-orthodoxe Schellingianer hielten,<lb/> — gleich ihrem Meiſter ſelbſt, der trotz ſeiner Bevorzugung poly-<lb/> geniſtiſcher Vorſtellungen doch ſtets einen Urmonotheismus lehrte<lb/> und den Satz vertheidigte: es gebe keinen Zuſtand der Barbarei,<lb/> der nicht aus einer untergegangenen Cultur hervorgegangen wäre —<lb/> am Grundgedanken einer reineren Urbeſchaffenheit und monotheiſtiſchen<lb/> Religioſität der erſten Menſchen feſt. So der „Panentheiſt‟ Krauſe,<lb/><note xml:id="seg2pn_4_2" prev="#seg2pn_4_1" place="foot" n="3)">Baaders, ſowie derjenigen Laſaulx’s ſ. Rocholl, S. 158—163. Ueber Leop.<lb/><hi rendition="#g">Schmid</hi> als anfänglichen Jünger des Molitorſchen Kabbalismus in ſeinem<lb/> myſtiſchen Geneſis-Commentar (1834) ſ. m. Geſchichte der Beziehungen ꝛc.<lb/><hi rendition="#aq">II</hi>, 527.</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [127/0137]
IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus.
jüngſten Ultramontanismus, wie Kleutgen, Scheeben ꝛc. 1) Auch
außerhalb dieſer römiſch-kirchlichen Kreiſe erhielt die Entartungs-
theorie theils in ſtrengerer theils in irgendwie gemilderter Faſſung
eine Reihe namhafter Vertreter. Kein Geringerer als der große
Geograph C. Ritter huldigte mit Begeiſterung der Annahme eines
einſtigen Ur-Monotheismus als gemeinſamen Ausgangspunkts für
die Entwicklung aller heidniſchen Culte und Mythen, wie er dieß
ſchon in ſeiner etwas phantaſtiſch angelegten „Vorhalle europäiſcher
Völkergeſchichte vor Herodot‟ (1818) darzulegen verſuchte, aber auch
ſpäter noch mit Entſchiedenheit vertrat. Ein nicht minder energiſcher
Vertheidiger der Degradationslehre war bis zu ſeinem Tode der
berühmte Braſilienforſcher und Botaniker Martius († 1868), der
„König im Reiche der Palmen‟. 2) Bei G. H. v. Schubert wirkte
Beides, der nachwirkende Einfluß Schellingſcher Naturphiloſophie
und eine ſtreng bibelgläubige Haltung, dahin zuſammen, ihn zu
einem eifrigen Vertreter der Annahme eines ſündloſen Urſtands und
Gegner der Naturmenſchen-Hypotheſe Rouſſeau’s und ſeiner Schule
zu machen. 3) Aber auch manche nicht-orthodoxe Schellingianer hielten,
— gleich ihrem Meiſter ſelbſt, der trotz ſeiner Bevorzugung poly-
geniſtiſcher Vorſtellungen doch ſtets einen Urmonotheismus lehrte
und den Satz vertheidigte: es gebe keinen Zuſtand der Barbarei,
der nicht aus einer untergegangenen Cultur hervorgegangen wäre —
am Grundgedanken einer reineren Urbeſchaffenheit und monotheiſtiſchen
Religioſität der erſten Menſchen feſt. So der „Panentheiſt‟ Krauſe,
3)
1) Kleutgen, Die Theologie der Vorzeit, II, 595. — Scheeben, Die
Myſterien des Chriſtenthums, S. 204 ff.
2) Wegen Ritters vgl. G. Kramer, Carl Ritter; ein Lebensbild ꝛc.
Halle 1864, I, 290. 415 ff. 443 ff.; wegen Martius’ ſ. Biographie von
Hugo Schramm 1869, ſowie „Ausland‟ 1869, Nr. 38.
3) Siehe beſ. die Ausführungen in ſeiner Selbſtbiographie, I, S. 178 ff.
3) Baaders, ſowie derjenigen Laſaulx’s ſ. Rocholl, S. 158—163. Ueber Leop.
Schmid als anfänglichen Jünger des Molitorſchen Kabbalismus in ſeinem
myſtiſchen Geneſis-Commentar (1834) ſ. m. Geſchichte der Beziehungen ꝛc.
II, 527.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |