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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IV. Die Opposition des modernen Naturalismus.
dessen geistreiches geschichtsphilosophisches System die Menschheits-
geschichte nicht mit thierisch rohen Urzuständen, sondern einem "Keim-
lebenalter" oder halbbewußten goldnen Kindheitsalter beginnen,
darauf dann das "Wachs-Lebensalter" (vom allmähligen Uebergange
vom Monotheismus zum Polytheismus an, bis auf Christum) und
endlich das noch jetzt andauernde "Reif-Lebensalter" folgen läßt,
unter sehr bestimmter Verwerfung jener Wilden-Theorie, welche die
rohen Völker der Jetztzeit verkehrterweise mit Urvölkern verwechsle. 1)
-- Einen sehr beträchtlichen Anhang fanden die degradationistischen
Lehren de Maistre's auch im katholischen Frankreich, wo der Um-
stand, daß angesehene Naturforscher ersten Ranges wie Cuvier,
Ampere, Biot etc. als mehr oder minder entschiedne Bekenner des
Glaubens an die biblisch-urgeschichtlichen Traditionen eintraten, be-
günstigend für sie wirkte. Buchez in seiner "Einleitung in die
Geschichtswissenschaft" (1833) legt einen entschieden theistischen und
monogenistischen Grund; seine der socialistischen Geschichtsspeculation
St.-Simons nachgebildete Periodeneintheilung der vorchristlichen Zeit
behandelt Adam, Noah, Abraham, Moses als die Anfangspunkte
immer neuer Stufen göttlicher Offenbarung an die Menschheit.
Aehnlich der besonders an Vico anknüpfende Ballanche, der ultra-
montan begeisterte Roux-Lavergne, Veuillots und Montalemberts
Kampfgenosse, der stupend gelehrte Religions- und Alterthumsforscher
Baron d'Eckstein u. AA. Selbst der phantastische Socialist Fourier
konnte sich dem weitgreifenden Einflusse dieser Richtung nicht ent-
ziehen. Er stellt in seinem Nouveau monde industriel (1829)
an die Spitze der Menschheitsgeschichte, die er fünf Jahrtausende
betragen läßt, eine paradiesische Urzeit, "Edenismus" genannt, der
er zunächst eine Zeit der Wildheit, dann ein patriarchalisches Zeit-
alter folgen läßt, u. s. f. -- Unter den ähnlich gerichteten Denkern
der romanischen Nachbarländer Frankreichs ist namentlich der streng

1) Krause, Allgemeine Lebenslehre, herausgeg. von Leonhardi, 1843. --
Vgl. Schelling, Vorlesungen über die Methode des akademischen Studiums,
1803.

IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus.
deſſen geiſtreiches geſchichtsphiloſophiſches Syſtem die Menſchheits-
geſchichte nicht mit thieriſch rohen Urzuſtänden, ſondern einem „Keim-
lebenalter‟ oder halbbewußten goldnen Kindheitsalter beginnen,
darauf dann das „Wachs-Lebensalter‟ (vom allmähligen Uebergange
vom Monotheismus zum Polytheismus an, bis auf Chriſtum) und
endlich das noch jetzt andauernde „Reif-Lebensalter‟ folgen läßt,
unter ſehr beſtimmter Verwerfung jener Wilden-Theorie, welche die
rohen Völker der Jetztzeit verkehrterweiſe mit Urvölkern verwechsle. 1)
— Einen ſehr beträchtlichen Anhang fanden die degradationiſtiſchen
Lehren de Maiſtre’s auch im katholiſchen Frankreich, wo der Um-
ſtand, daß angeſehene Naturforſcher erſten Ranges wie Cuvier,
Ampère, Biot ꝛc. als mehr oder minder entſchiedne Bekenner des
Glaubens an die bibliſch-urgeſchichtlichen Traditionen eintraten, be-
günſtigend für ſie wirkte. Buchez in ſeiner „Einleitung in die
Geſchichtswiſſenſchaft‟ (1833) legt einen entſchieden theiſtiſchen und
monogeniſtiſchen Grund; ſeine der ſocialiſtiſchen Geſchichtsſpeculation
St.-Simons nachgebildete Periodeneintheilung der vorchriſtlichen Zeit
behandelt Adam, Noah, Abraham, Moſes als die Anfangspunkte
immer neuer Stufen göttlicher Offenbarung an die Menſchheit.
Aehnlich der beſonders an Vico anknüpfende Ballanche, der ultra-
montan begeiſterte Roux-Lavergne, Veuillots und Montalemberts
Kampfgenoſſe, der ſtupend gelehrte Religions- und Alterthumsforſcher
Baron d’Eckſtein u. AA. Selbſt der phantaſtiſche Socialiſt Fourier
konnte ſich dem weitgreifenden Einfluſſe dieſer Richtung nicht ent-
ziehen. Er ſtellt in ſeinem Nouveau monde industriel (1829)
an die Spitze der Menſchheitsgeſchichte, die er fünf Jahrtauſende
betragen läßt, eine paradieſiſche Urzeit, „Edenismus‟ genannt, der
er zunächſt eine Zeit der Wildheit, dann ein patriarchaliſches Zeit-
alter folgen läßt, u. ſ. f. — Unter den ähnlich gerichteten Denkern
der romaniſchen Nachbarländer Frankreichs iſt namentlich der ſtreng

1) Krauſe, Allgemeine Lebenslehre, herausgeg. von Leonhardi, 1843. —
Vgl. Schelling, Vorleſungen über die Methode des akademiſchen Studiums,
1803.
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[128/0138] IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus. deſſen geiſtreiches geſchichtsphiloſophiſches Syſtem die Menſchheits- geſchichte nicht mit thieriſch rohen Urzuſtänden, ſondern einem „Keim- lebenalter‟ oder halbbewußten goldnen Kindheitsalter beginnen, darauf dann das „Wachs-Lebensalter‟ (vom allmähligen Uebergange vom Monotheismus zum Polytheismus an, bis auf Chriſtum) und endlich das noch jetzt andauernde „Reif-Lebensalter‟ folgen läßt, unter ſehr beſtimmter Verwerfung jener Wilden-Theorie, welche die rohen Völker der Jetztzeit verkehrterweiſe mit Urvölkern verwechsle. 1) — Einen ſehr beträchtlichen Anhang fanden die degradationiſtiſchen Lehren de Maiſtre’s auch im katholiſchen Frankreich, wo der Um- ſtand, daß angeſehene Naturforſcher erſten Ranges wie Cuvier, Ampère, Biot ꝛc. als mehr oder minder entſchiedne Bekenner des Glaubens an die bibliſch-urgeſchichtlichen Traditionen eintraten, be- günſtigend für ſie wirkte. Buchez in ſeiner „Einleitung in die Geſchichtswiſſenſchaft‟ (1833) legt einen entſchieden theiſtiſchen und monogeniſtiſchen Grund; ſeine der ſocialiſtiſchen Geſchichtsſpeculation St.-Simons nachgebildete Periodeneintheilung der vorchriſtlichen Zeit behandelt Adam, Noah, Abraham, Moſes als die Anfangspunkte immer neuer Stufen göttlicher Offenbarung an die Menſchheit. Aehnlich der beſonders an Vico anknüpfende Ballanche, der ultra- montan begeiſterte Roux-Lavergne, Veuillots und Montalemberts Kampfgenoſſe, der ſtupend gelehrte Religions- und Alterthumsforſcher Baron d’Eckſtein u. AA. Selbſt der phantaſtiſche Socialiſt Fourier konnte ſich dem weitgreifenden Einfluſſe dieſer Richtung nicht ent- ziehen. Er ſtellt in ſeinem Nouveau monde industriel (1829) an die Spitze der Menſchheitsgeſchichte, die er fünf Jahrtauſende betragen läßt, eine paradieſiſche Urzeit, „Edenismus‟ genannt, der er zunächſt eine Zeit der Wildheit, dann ein patriarchaliſches Zeit- alter folgen läßt, u. ſ. f. — Unter den ähnlich gerichteten Denkern der romaniſchen Nachbarländer Frankreichs iſt namentlich der ſtreng 1) Krauſe, Allgemeine Lebenslehre, herausgeg. von Leonhardi, 1843. — Vgl. Schelling, Vorleſungen über die Methode des akademiſchen Studiums, 1803.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/138>, abgerufen am 21.11.2024.