Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.IV. Die Opposition des modernen Naturalismus. hängenden fabelhaften Leistungen der Steinzeit-Archäologen imPeriodisiren ihres Bereichs (als zerfallend in eine paläolithische und eine neolithische Zeit, wovon die letztere wieder eine ältere und eine jüngere Epoche, und diese letztgenannte wieder ein megalithisches und ein kryptolithisches Zeitalter in sich begreifen soll, u. s. f.),1) nicht minder auch der seitens französischer Paläontologen ausgeklügelten Distinction zwischen einer "Mammuthperiode" und einer "Renthier- periode" (vgl. unten) droht neuerdings, wiederum in Folge tiefer eindringender und gründlicherer deutscher Forschung, ein ähnliches Schicksal. Jmmerhin erscheint diejenige Betrachtungsweise, welche von der Voraussetzung einer uranfänglichen Rohheit unsres Geschlechts ausgeht und jedwede supranaturalistische Fassung des Urstandsbegriffes preisgibt, bei den natur- und sprachwissenschaftlichen Forschern unsrer Nation dermalen als vorzugsweise beliebt. Ein großer Theil der nicht darwinistisch gerichteten Zoologen und Anthropologen denkt hierin übereinstimmend mit den Darwinianern; und von diesen wird theilweise Aehnliches geleistet wie von ihren Gesinnungsgenossen im Auslande. Moriz Wagner schildert mit vieler Phantasie den Kampf mit den Schrecken der Eiszeit, der unsre affenmenschlichen Voreltern in ihren mitteleuropäischen Ursitzen zum allmähligen Fortschreiten in der Cultur gestählt und aus noch sprachlosen Simiaden in intelligente Menschen umgewandelt habe. Häckels "Schöpfungsgeschichte" wagt einmal, gegen ihr Ende hin, die kühne Behauptung: es gebe immer noch gewisse äußerst wilde Stämme "im südlichen Asien und östlichen Afrika," welche von der ersten Grundlage aller Gesittung noch keinen Begriff haben, "in Heerden beisammen leben wie die Affen, größten- theils auf Bäumen kletternd (!) und Früchte verzehrend," noch ohne Kenntniß des Feuers, als Waffen nur Steine und Knüppel ge- brauchend, wie es auch die höheren Affen thun"!2) Andre begeisterte 1) Siehe v. Maacks Antiquar. Untersuchungen, im Archiv f. Anthropologie 1869, H. III, S. 266 ff. (sowie zur Kritik seiner übermäßig künstlichen Theorie. Lindenschmitt, ebendas. 1870, IV, 43). 2) Moriz Wagner, Neue Beiträge zu den Streitfragen des Darwinismus, 10*
IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus. hängenden fabelhaften Leiſtungen der Steinzeit-Archäologen imPeriodiſiren ihres Bereichs (als zerfallend in eine paläolithiſche und eine neolithiſche Zeit, wovon die letztere wieder eine ältere und eine jüngere Epoche, und dieſe letztgenannte wieder ein megalithiſches und ein kryptolithiſches Zeitalter in ſich begreifen ſoll, u. ſ. f.),1) nicht minder auch der ſeitens franzöſiſcher Paläontologen ausgeklügelten Diſtinction zwiſchen einer „Mammuthperiode‟ und einer „Renthier- periode‟ (vgl. unten) droht neuerdings, wiederum in Folge tiefer eindringender und gründlicherer deutſcher Forſchung, ein ähnliches Schickſal. Jmmerhin erſcheint diejenige Betrachtungsweiſe, welche von der Vorausſetzung einer uranfänglichen Rohheit unſres Geſchlechts ausgeht und jedwede ſupranaturaliſtiſche Faſſung des Urſtandsbegriffes preisgibt, bei den natur- und ſprachwiſſenſchaftlichen Forſchern unſrer Nation dermalen als vorzugsweiſe beliebt. Ein großer Theil der nicht darwiniſtiſch gerichteten Zoologen und Anthropologen denkt hierin übereinſtimmend mit den Darwinianern; und von dieſen wird theilweiſe Aehnliches geleiſtet wie von ihren Geſinnungsgenoſſen im Auslande. Moriz Wagner ſchildert mit vieler Phantaſie den Kampf mit den Schrecken der Eiszeit, der unſre affenmenſchlichen Voreltern in ihren mitteleuropäiſchen Urſitzen zum allmähligen Fortſchreiten in der Cultur geſtählt und aus noch ſprachloſen Simiaden in intelligente Menſchen umgewandelt habe. Häckels „Schöpfungsgeſchichte‟ wagt einmal, gegen ihr Ende hin, die kühne Behauptung: es gebe immer noch gewiſſe äußerſt wilde Stämme „im ſüdlichen Aſien und öſtlichen Afrika,‟ welche von der erſten Grundlage aller Geſittung noch keinen Begriff haben, „in Heerden beiſammen leben wie die Affen, größten- theils auf Bäumen kletternd (!) und Früchte verzehrend,‟ noch ohne Kenntniß des Feuers, als Waffen nur Steine und Knüppel ge- brauchend, wie es auch die höheren Affen thun‟!2) Andre begeiſterte 1) Siehe v. Maacks Antiquar. Unterſuchungen, im Archiv f. Anthropologie 1869, H. III, S. 266 ff. (ſowie zur Kritik ſeiner übermäßig künſtlichen Theorie. Lindenſchmitt, ebendaſ. 1870, IV, 43). 2) Moriz Wagner, Neue Beiträge zu den Streitfragen des Darwinismus, 10*
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IV. Die Oppoſition des modernen Naturalismus.
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Periodiſiren ihres Bereichs (als zerfallend in eine paläolithiſche und
eine neolithiſche Zeit, wovon die letztere wieder eine ältere und eine
jüngere Epoche, und dieſe letztgenannte wieder ein megalithiſches und
ein kryptolithiſches Zeitalter in ſich begreifen ſoll, u. ſ. f.), 1) nicht
minder auch der ſeitens franzöſiſcher Paläontologen ausgeklügelten
Diſtinction zwiſchen einer „Mammuthperiode‟ und einer „Renthier-
periode‟ (vgl. unten) droht neuerdings, wiederum in Folge tiefer
eindringender und gründlicherer deutſcher Forſchung, ein ähnliches
Schickſal. Jmmerhin erſcheint diejenige Betrachtungsweiſe, welche
von der Vorausſetzung einer uranfänglichen Rohheit unſres Geſchlechts
ausgeht und jedwede ſupranaturaliſtiſche Faſſung des Urſtandsbegriffes
preisgibt, bei den natur- und ſprachwiſſenſchaftlichen Forſchern unſrer
Nation dermalen als vorzugsweiſe beliebt. Ein großer Theil der
nicht darwiniſtiſch gerichteten Zoologen und Anthropologen denkt
hierin übereinſtimmend mit den Darwinianern; und von dieſen wird
theilweiſe Aehnliches geleiſtet wie von ihren Geſinnungsgenoſſen im
Auslande. Moriz Wagner ſchildert mit vieler Phantaſie den Kampf
mit den Schrecken der Eiszeit, der unſre affenmenſchlichen Voreltern
in ihren mitteleuropäiſchen Urſitzen zum allmähligen Fortſchreiten in
der Cultur geſtählt und aus noch ſprachloſen Simiaden in intelligente
Menſchen umgewandelt habe. Häckels „Schöpfungsgeſchichte‟ wagt
einmal, gegen ihr Ende hin, die kühne Behauptung: es gebe immer
noch gewiſſe äußerſt wilde Stämme „im ſüdlichen Aſien und öſtlichen
Afrika,‟ welche von der erſten Grundlage aller Geſittung noch keinen
Begriff haben, „in Heerden beiſammen leben wie die Affen, größten-
theils auf Bäumen kletternd (!) und Früchte verzehrend,‟ noch ohne
Kenntniß des Feuers, als Waffen nur Steine und Knüppel ge-
brauchend, wie es auch die höheren Affen thun‟! 2) Andre begeiſterte
1) Siehe v. Maacks Antiquar. Unterſuchungen, im Archiv f. Anthropologie
1869, H. III, S. 266 ff. (ſowie zur Kritik ſeiner übermäßig künſtlichen Theorie.
Lindenſchmitt, ebendaſ. 1870, IV, 43).
2) Moriz Wagner, Neue Beiträge zu den Streitfragen des Darwinismus,
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