Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.V. Prüfung der vorgeschichtlich-anthropologischen Gegeninstanzen. eine strenge Einheitlichkeit der Merkmale der verschiednen unter jenerRubrik zusammenbefaßten Fossilreste vermißt. Auch geben gerade die genannten Urheber und Hauptvertreter jener Classification zwar einen sehr wilden, aber keineswegs einen völlig affenmenschlichen Charakter der Race, welcher diese Schädelbruchstücke angehört haben sollen, zu. Quatrefages ist sogar ein entschiedner Gegner darwini- stischer Speculationen und neigt sichtlich dazu, seine "Cannstatt-Men- schen" -- wir gebrauchen diesen Ausdruck mit der größtmöglichen Reserve -- als verwilderte und herabgekommene, nicht als ursprün- liche Typen unsres Geschlechts zu betrachten. Was sonst noch von jüngstentdeckten fossilen Skelet- und Schädelfunden durch die genannten französischen Anthropologen classificirt worden ist: die dolichocephale Cro-Magnon-Race und die brachycephale Furfooz-Race (die Letztere wieder in mehrere untergeordnete Gruppen zerfallend), schließt über- haupt gar nichts wesentlich von den heutigen Racentypen wilder Völker Abweichendes in sich. Der als Typus zur Charakteristik jener ersteren Race verwendete Schädel aus der Höhle Cro-Magnon im Perigord wird als ein langköpfiger Schädel von beträchtlicher Capacität beschrieben; seine Capacitätsziffer von 1590 Cubik-Centi- meter "übertrifft weit den Mittelwerth der von Broca für die jetzigen Pariser ermittelten Schädelcapacität" (!). Aehnliches scheint von den mehrfach als Seitenstück zum Cro-Magnon-Funde betrachteten Skelet- resten aus der Höhle von Mentone (entdeckt 1872), zu gelten, deren Alter übrigens competenten Forschern wie z. B. Dawkins als gänz- lich unsicher gilt. Den einstigen Besitzern dieser und ähnlicher Köpfe fehlte überhaupt nichts von dem, was im Allgemeinen als Zeichen einer höheren intellectuellen Entwicklung gilt. Aber auch die Furfooz- Schädel, seit 1867 durch Dupont und AA. aus belgischen Höhlen zu Tage gefördert, nebst den aus Kiesgruben der Umgebung von Paris ausgegrabenen Resten einer Abart dieser belgischen Urein- wohner, der s. g. Grenelle-Race, verrathen zwar eine etwas kleine Körperstatur, aber nichts von irgendwie thierischem Charakter. Jhre Jnhaber dürften derartigen brachycephalen Stämmen, wie die heutigen V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen. eine ſtrenge Einheitlichkeit der Merkmale der verſchiednen unter jenerRubrik zuſammenbefaßten Foſſilreſte vermißt. Auch geben gerade die genannten Urheber und Hauptvertreter jener Claſſification zwar einen ſehr wilden, aber keineswegs einen völlig affenmenſchlichen Charakter der Race, welcher dieſe Schädelbruchſtücke angehört haben ſollen, zu. Quatrefages iſt ſogar ein entſchiedner Gegner darwini- ſtiſcher Speculationen und neigt ſichtlich dazu, ſeine „Cannſtatt-Men- ſchen‟ — wir gebrauchen dieſen Ausdruck mit der größtmöglichen Reſerve — als verwilderte und herabgekommene, nicht als urſprün- liche Typen unſres Geſchlechts zu betrachten. Was ſonſt noch von jüngſtentdeckten foſſilen Skelet- und Schädelfunden durch die genannten franzöſiſchen Anthropologen claſſificirt worden iſt: die dolichocephale Cro-Magnon-Race und die brachycephale Furfooz-Race (die Letztere wieder in mehrere untergeordnete Gruppen zerfallend), ſchließt über- haupt gar nichts weſentlich von den heutigen Racentypen wilder Völker Abweichendes in ſich. Der als Typus zur Charakteriſtik jener erſteren Race verwendete Schädel aus der Höhle Cro-Magnon im Périgord wird als ein langköpfiger Schädel von beträchtlicher Capacität beſchrieben; ſeine Capacitätsziffer von 1590 Cubik-Centi- meter „übertrifft weit den Mittelwerth der von Broca für die jetzigen Pariſer ermittelten Schädelcapacität‟ (!). Aehnliches ſcheint von den mehrfach als Seitenſtück zum Cro-Magnon-Funde betrachteten Skelet- reſten aus der Höhle von Mentone (entdeckt 1872), zu gelten, deren Alter übrigens competenten Forſchern wie z. B. Dawkins als gänz- lich unſicher gilt. Den einſtigen Beſitzern dieſer und ähnlicher Köpfe fehlte überhaupt nichts von dem, was im Allgemeinen als Zeichen einer höheren intellectuellen Entwicklung gilt. Aber auch die Furfooz- Schädel, ſeit 1867 durch Dupont und AA. aus belgiſchen Höhlen zu Tage gefördert, nebſt den aus Kiesgruben der Umgebung von Paris ausgegrabenen Reſten einer Abart dieſer belgiſchen Urein- wohner, der ſ. g. 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V. Prüfung der vorgeſchichtlich-anthropologiſchen Gegeninſtanzen.
eine ſtrenge Einheitlichkeit der Merkmale der verſchiednen unter jener
Rubrik zuſammenbefaßten Foſſilreſte vermißt. Auch geben gerade
die genannten Urheber und Hauptvertreter jener Claſſification zwar
einen ſehr wilden, aber keineswegs einen völlig affenmenſchlichen
Charakter der Race, welcher dieſe Schädelbruchſtücke angehört haben
ſollen, zu. Quatrefages iſt ſogar ein entſchiedner Gegner darwini-
ſtiſcher Speculationen und neigt ſichtlich dazu, ſeine „Cannſtatt-Men-
ſchen‟ — wir gebrauchen dieſen Ausdruck mit der größtmöglichen
Reſerve — als verwilderte und herabgekommene, nicht als urſprün-
liche Typen unſres Geſchlechts zu betrachten. Was ſonſt noch von
jüngſtentdeckten foſſilen Skelet- und Schädelfunden durch die genannten
franzöſiſchen Anthropologen claſſificirt worden iſt: die dolichocephale
Cro-Magnon-Race und die brachycephale Furfooz-Race (die Letztere
wieder in mehrere untergeordnete Gruppen zerfallend), ſchließt über-
haupt gar nichts weſentlich von den heutigen Racentypen wilder
Völker Abweichendes in ſich. Der als Typus zur Charakteriſtik
jener erſteren Race verwendete Schädel aus der Höhle Cro-Magnon
im Périgord wird als ein langköpfiger Schädel von beträchtlicher
Capacität beſchrieben; ſeine Capacitätsziffer von 1590 Cubik-Centi-
meter „übertrifft weit den Mittelwerth der von Broca für die jetzigen
Pariſer ermittelten Schädelcapacität‟ (!). Aehnliches ſcheint von den
mehrfach als Seitenſtück zum Cro-Magnon-Funde betrachteten Skelet-
reſten aus der Höhle von Mentone (entdeckt 1872), zu gelten, deren
Alter übrigens competenten Forſchern wie z. B. Dawkins als gänz-
lich unſicher gilt. Den einſtigen Beſitzern dieſer und ähnlicher Köpfe
fehlte überhaupt nichts von dem, was im Allgemeinen als Zeichen
einer höheren intellectuellen Entwicklung gilt. Aber auch die Furfooz-
Schädel, ſeit 1867 durch Dupont und AA. aus belgiſchen Höhlen
zu Tage gefördert, nebſt den aus Kiesgruben der Umgebung von
Paris ausgegrabenen Reſten einer Abart dieſer belgiſchen Urein-
wohner, der ſ. g. Grenelle-Race, verrathen zwar eine etwas kleine
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Jnhaber dürften derartigen brachycephalen Stämmen, wie die heutigen
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