Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.IX. Das Alter des Menschengeschlechts. Stelle jetzt wesentlich darüber einig, daß den Begriffen Steinzeit,Bronzezeit, Eisenzeit lediglich eine relative Geltung zukommen kann; daß man statt dieser Ausdrücke wegen der notorischen Gleichzeitigkeit des Vorkommens der Steingeräthe gewisser Länder neben Bronze- geräthen etc. andrer Länder, besser die Namen Stein-, Bronze-, Eisen- stufe zu gebrauchen hätte; daß endlich ein Vorausgehen der Bronze- fabrikation vor der Eisenfabrikation in Wirklichkeit gar nicht nach- zuweisen sei, vielmehr die Kunst des Zusammenschmelzens von Kupfer mit Zinn oder Zink zu Bronze das Vorhandensein einer Kunst der Eisenverarbeitung schon voraussetzt. Es ist nur ein Phantasieproduct nordischer Archäologen, auf den bekannten dichterischen Schilderungen Hesiods und Lukrez's beruhend und begünstigt durch den Umstand, daß eine Zeitlang vorzugsweise Bronzegegenstände, später dann erst Eisenwaaren, durch den Tauschhandel etruskischer oder griechischer Kaufleute nach dem Norden hin verbreitet wurden: lediglich ein solches Wahngebilde ist es, das den Alterthumsforschern Skandina- viens wie durch eine optische Täuschung als angebliches Bronze- Zeitalter sich vorgespiegelt hat.1) Auch für Nordamerikas ältere Zeit hatte man etwas Aehnliches wie jene Dreiperioden-Folge, nem- lich die Aufeinanderfolge einer Steincultur, dann einer Kupfer-, einer Bronze- und endlich einer Eisen-Cultur nachzuweisen versucht. Neueste gründlichere Forschung hat aber auch für diesen Welttheil das Fehlen irgendwelcher besonderer Bronzestufe, ebenso wie das irgendwelcher vor die Einwanderung der Europäer fallenden Eisen- fabrikation dargethan.2) Steinzeit und Metallzeit sind in Wahrheit 1) Siehe überhaupt die Verhandlungen im "Archiv für Anthropologie" seit Hostmanns einschneidender Kritik der Hildebrand'schen Schrift: "Das heidnische Zeitalter in Schweden" (Archiv f. Anthropol. Bd. VIII, 1875, S. 278 ff.). Vgl. auch St. John B. Day, The prehistoric use of iron and steel, Lond. 1877, -- sowie die Besprechung dieser Schrift von Beck im Archiv f. Anthropol., Bd. XI, S. 494 ff. 2) Gegen Birchow (Verhandlungen der Berl. Gesellsch. f. Authropol. und
Ethnol. 1877, S. 143 ff.) und Emil Schmidt (Archiv für Authropol. Bd. XI, IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. Stelle jetzt weſentlich darüber einig, daß den Begriffen Steinzeit,Bronzezeit, Eiſenzeit lediglich eine relative Geltung zukommen kann; daß man ſtatt dieſer Ausdrücke wegen der notoriſchen Gleichzeitigkeit des Vorkommens der Steingeräthe gewiſſer Länder neben Bronze- geräthen ꝛc. andrer Länder, beſſer die Namen Stein-, Bronze-, Eiſen- ſtufe zu gebrauchen hätte; daß endlich ein Vorausgehen der Bronze- fabrikation vor der Eiſenfabrikation in Wirklichkeit gar nicht nach- zuweiſen ſei, vielmehr die Kunſt des Zuſammenſchmelzens von Kupfer mit Zinn oder Zink zu Bronze das Vorhandenſein einer Kunſt der Eiſenverarbeitung ſchon vorausſetzt. Es iſt nur ein Phantaſieproduct nordiſcher Archäologen, auf den bekannten dichteriſchen Schilderungen Heſiods und Lukrez’s beruhend und begünſtigt durch den Umſtand, daß eine Zeitlang vorzugsweiſe Bronzegegenſtände, ſpäter dann erſt Eiſenwaaren, durch den Tauſchhandel etruskiſcher oder griechiſcher Kaufleute nach dem Norden hin verbreitet wurden: lediglich ein ſolches Wahngebilde iſt es, das den Alterthumsforſchern Skandina- viens wie durch eine optiſche Täuſchung als angebliches Bronze- Zeitalter ſich vorgeſpiegelt hat.1) Auch für Nordamerikas ältere Zeit hatte man etwas Aehnliches wie jene Dreiperioden-Folge, nem- lich die Aufeinanderfolge einer Steincultur, dann einer Kupfer-, einer Bronze- und endlich einer Eiſen-Cultur nachzuweiſen verſucht. Neueſte gründlichere Forſchung hat aber auch für dieſen Welttheil das Fehlen irgendwelcher beſonderer Bronzeſtufe, ebenſo wie das irgendwelcher vor die Einwanderung der Europäer fallenden Eiſen- fabrikation dargethan.2) Steinzeit und Metallzeit ſind in Wahrheit 1) Siehe überhaupt die Verhandlungen im „Archiv für Anthropologie‟ ſeit Hoſtmanns einſchneidender Kritik der Hildebrand’ſchen Schrift: „Das heidniſche Zeitalter in Schweden‟ (Archiv f. Anthropol. Bd. VIII, 1875, S. 278 ff.). Vgl. auch St. John B. Day, The prehistoric use of iron and steel, Lond. 1877, — ſowie die Beſprechung dieſer Schrift von Beck im Archiv f. Anthropol., Bd. XI, S. 494 ff. 2) Gegen Birchow (Verhandlungen der Berl. Geſellſch. f. Authropol. und
Ethnol. 1877, S. 143 ff.) und Emil Schmidt (Archiv für Authropol. Bd. XI, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0324" n="314"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Das Alter des Menſchengeſchlechts.</fw><lb/> Stelle jetzt weſentlich darüber einig, daß den Begriffen Steinzeit,<lb/> Bronzezeit, Eiſenzeit lediglich eine relative Geltung zukommen kann;<lb/> daß man ſtatt dieſer Ausdrücke wegen der notoriſchen Gleichzeitigkeit<lb/> des Vorkommens der Steingeräthe gewiſſer Länder neben Bronze-<lb/> geräthen ꝛc. andrer Länder, beſſer die Namen Stein-, Bronze-, Eiſen-<lb/><hi rendition="#g">ſtufe</hi> zu gebrauchen hätte; daß endlich ein Vorausgehen der Bronze-<lb/> fabrikation vor der Eiſenfabrikation in Wirklichkeit gar nicht nach-<lb/> zuweiſen ſei, vielmehr die Kunſt des Zuſammenſchmelzens von Kupfer<lb/> mit Zinn oder Zink zu Bronze das Vorhandenſein einer Kunſt der<lb/> Eiſenverarbeitung ſchon vorausſetzt. Es iſt nur ein Phantaſieproduct<lb/> nordiſcher Archäologen, auf den bekannten dichteriſchen Schilderungen<lb/> Heſiods und Lukrez’s beruhend und begünſtigt durch den Umſtand,<lb/> daß eine Zeitlang vorzugsweiſe Bronzegegenſtände, ſpäter dann erſt<lb/> Eiſenwaaren, durch den Tauſchhandel etruskiſcher oder griechiſcher<lb/> Kaufleute nach dem Norden hin verbreitet wurden: lediglich ein<lb/> ſolches Wahngebilde iſt es, das den Alterthumsforſchern Skandina-<lb/> viens wie durch eine optiſche Täuſchung als angebliches Bronze-<lb/> Zeitalter ſich vorgeſpiegelt hat.<note place="foot" n="1)">Siehe überhaupt die Verhandlungen im „Archiv für Anthropologie‟ ſeit<lb/><hi rendition="#g">Hoſtmanns</hi> einſchneidender Kritik der <hi rendition="#g">Hildebrand’ſ</hi>chen Schrift: „Das<lb/> heidniſche Zeitalter in Schweden‟ (Archiv f. Anthropol. Bd. <hi rendition="#aq">VIII,</hi> 1875, S.<lb/> 278 ff.). Vgl. auch St. <hi rendition="#g">John</hi> B. <hi rendition="#g">Day,</hi> <hi rendition="#aq">The prehistoric use of iron and<lb/> steel,</hi> Lond. 1877, — ſowie die Beſprechung dieſer Schrift von <hi rendition="#g">Beck</hi> im Archiv<lb/> f. Anthropol., Bd. <hi rendition="#aq">XI,</hi> S. 494 ff.</note> Auch für Nordamerikas ältere<lb/> Zeit hatte man etwas Aehnliches wie jene Dreiperioden-Folge, nem-<lb/> lich die Aufeinanderfolge einer Steincultur, dann einer Kupfer-,<lb/> einer Bronze- und endlich einer Eiſen-Cultur nachzuweiſen verſucht.<lb/> Neueſte gründlichere Forſchung hat aber auch für dieſen Welttheil<lb/> das Fehlen irgendwelcher beſonderer Bronzeſtufe, ebenſo wie das<lb/> irgendwelcher vor die Einwanderung der Europäer fallenden Eiſen-<lb/> fabrikation dargethan.<note xml:id="seg2pn_14_1" next="#seg2pn_14_2" place="foot" n="2)">Gegen <hi rendition="#g">Birchow</hi> (Verhandlungen der Berl. Geſellſch. f. Authropol. und<lb/> Ethnol. 1877, S. 143 ff.) und Emil <hi rendition="#g">Schmidt</hi> (Archiv für Authropol. Bd. <hi rendition="#aq">XI,</hi></note> Steinzeit und Metallzeit ſind in Wahrheit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [314/0324]
IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
Stelle jetzt weſentlich darüber einig, daß den Begriffen Steinzeit,
Bronzezeit, Eiſenzeit lediglich eine relative Geltung zukommen kann;
daß man ſtatt dieſer Ausdrücke wegen der notoriſchen Gleichzeitigkeit
des Vorkommens der Steingeräthe gewiſſer Länder neben Bronze-
geräthen ꝛc. andrer Länder, beſſer die Namen Stein-, Bronze-, Eiſen-
ſtufe zu gebrauchen hätte; daß endlich ein Vorausgehen der Bronze-
fabrikation vor der Eiſenfabrikation in Wirklichkeit gar nicht nach-
zuweiſen ſei, vielmehr die Kunſt des Zuſammenſchmelzens von Kupfer
mit Zinn oder Zink zu Bronze das Vorhandenſein einer Kunſt der
Eiſenverarbeitung ſchon vorausſetzt. Es iſt nur ein Phantaſieproduct
nordiſcher Archäologen, auf den bekannten dichteriſchen Schilderungen
Heſiods und Lukrez’s beruhend und begünſtigt durch den Umſtand,
daß eine Zeitlang vorzugsweiſe Bronzegegenſtände, ſpäter dann erſt
Eiſenwaaren, durch den Tauſchhandel etruskiſcher oder griechiſcher
Kaufleute nach dem Norden hin verbreitet wurden: lediglich ein
ſolches Wahngebilde iſt es, das den Alterthumsforſchern Skandina-
viens wie durch eine optiſche Täuſchung als angebliches Bronze-
Zeitalter ſich vorgeſpiegelt hat. 1) Auch für Nordamerikas ältere
Zeit hatte man etwas Aehnliches wie jene Dreiperioden-Folge, nem-
lich die Aufeinanderfolge einer Steincultur, dann einer Kupfer-,
einer Bronze- und endlich einer Eiſen-Cultur nachzuweiſen verſucht.
Neueſte gründlichere Forſchung hat aber auch für dieſen Welttheil
das Fehlen irgendwelcher beſonderer Bronzeſtufe, ebenſo wie das
irgendwelcher vor die Einwanderung der Europäer fallenden Eiſen-
fabrikation dargethan. 2) Steinzeit und Metallzeit ſind in Wahrheit
1) Siehe überhaupt die Verhandlungen im „Archiv für Anthropologie‟ ſeit
Hoſtmanns einſchneidender Kritik der Hildebrand’ſchen Schrift: „Das
heidniſche Zeitalter in Schweden‟ (Archiv f. Anthropol. Bd. VIII, 1875, S.
278 ff.). Vgl. auch St. John B. Day, The prehistoric use of iron and
steel, Lond. 1877, — ſowie die Beſprechung dieſer Schrift von Beck im Archiv
f. Anthropol., Bd. XI, S. 494 ff.
2) Gegen Birchow (Verhandlungen der Berl. Geſellſch. f. Authropol. und
Ethnol. 1877, S. 143 ff.) und Emil Schmidt (Archiv für Authropol. Bd. XI,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |