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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
die beiden einzigen Culturstufen, welche sich für die alte Welt sowohl
wie für die neue historisch unterscheiden lassen. Und auch sie greifen,
wie schon früher (VI) bemerkt worden, vielfach tief ineinander; daß
die erstere überall Jahrtausende weit hinter der letzteren zurückliege,
wird immer gründlicher als ein aus übertriebener Alterthümelei
oder Archäomanie der antiquarischen Forscher entspringendes Vor-
urtheil ohne allseitige reale Begründung erkannt.



Wie sehr die neueste paläontologische und archäologische Wissen-
schaft mit den traditionellen Jrrthümern des geologischen Quietis-
mus oder Uniformitarismus zu brechen begonnen hat und bescheid-
nere Schätzungen bevorzugt, dafür erlauben wir uns zum Schlusse
noch einige Aussprüche namhafter Natur- und Alterthumsforscher
anzuführen. Oscar Fraas, überhaupt einer der behutsamsten und
conservativsten Geologen, was chronologische Fragen betrifft, und
dabei vielleicht ein zu heftiger Gegner der bekannten französischen
Tertiärmenschen-Hypothese, der er allen und jeden Grund abspricht,
wirft in verschiednen seiner Schriften die Frage auf: warum doch
die Eiszeit, gegen deren Ende die frühesten Spuren menschlicher
Existenz auftreten, nothwendig so ungeheuer weit, wie die landläufige
geologische Zeitrechnung dieß gern thut, über die historische Zeit
hinauf verlegt werden müsse, und ferner: warum die Nachrichten
mittelalterlicher und vormittelalterlicher Quellen wie z. B. das
Nibelungenlied, die Gesetze Karls des Großen, Tacitus, Cäsar etc.,
mit ihren Hindeutungen auf gewaltige seitdem stattgehabte Ver-
änderungen in der Thierwelt, nicht gehörig benutzt würden, wenn
es das Verhältniß der Mammuth- und der Renthierperiode zur
Jetztzeit zu bestimmen gelte? "Drei bis vier Jahrtausende, die hinter
uns liegen", meint er, "sind schon an sich schwindelnde Größen,

S. 65 ff.) als Vertheidiger einer besondren Kupferzeit für Nordamerika s. beson-
ders Ratzel, Die Vereinigten Staaten etc. I: Physikalische Geographie und
Naturcharakter, München 1878.

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
die beiden einzigen Culturſtufen, welche ſich für die alte Welt ſowohl
wie für die neue hiſtoriſch unterſcheiden laſſen. Und auch ſie greifen,
wie ſchon früher (VI) bemerkt worden, vielfach tief ineinander; daß
die erſtere überall Jahrtauſende weit hinter der letzteren zurückliege,
wird immer gründlicher als ein aus übertriebener Alterthümelei
oder Archäomanie der antiquariſchen Forſcher entſpringendes Vor-
urtheil ohne allſeitige reale Begründung erkannt.



Wie ſehr die neueſte paläontologiſche und archäologiſche Wiſſen-
ſchaft mit den traditionellen Jrrthümern des geologiſchen Quietis-
mus oder Uniformitarismus zu brechen begonnen hat und beſcheid-
nere Schätzungen bevorzugt, dafür erlauben wir uns zum Schluſſe
noch einige Ausſprüche namhafter Natur- und Alterthumsforſcher
anzuführen. Oscar Fraas, überhaupt einer der behutſamſten und
conſervativſten Geologen, was chronologiſche Fragen betrifft, und
dabei vielleicht ein zu heftiger Gegner der bekannten franzöſiſchen
Tertiärmenſchen-Hypotheſe, der er allen und jeden Grund abſpricht,
wirft in verſchiednen ſeiner Schriften die Frage auf: warum doch
die Eiszeit, gegen deren Ende die früheſten Spuren menſchlicher
Exiſtenz auftreten, nothwendig ſo ungeheuer weit, wie die landläufige
geologiſche Zeitrechnung dieß gern thut, über die hiſtoriſche Zeit
hinauf verlegt werden müſſe, und ferner: warum die Nachrichten
mittelalterlicher und vormittelalterlicher Quellen wie z. B. das
Nibelungenlied, die Geſetze Karls des Großen, Tacitus, Cäſar ꝛc.,
mit ihren Hindeutungen auf gewaltige ſeitdem ſtattgehabte Ver-
änderungen in der Thierwelt, nicht gehörig benutzt würden, wenn
es das Verhältniß der Mammuth- und der Renthierperiode zur
Jetztzeit zu beſtimmen gelte? „Drei bis vier Jahrtauſende, die hinter
uns liegen‟, meint er, „ſind ſchon an ſich ſchwindelnde Größen,

S. 65 ff.) als Vertheidiger einer beſondren Kupferzeit für Nordamerika ſ. beſon-
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[315/0325] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. die beiden einzigen Culturſtufen, welche ſich für die alte Welt ſowohl wie für die neue hiſtoriſch unterſcheiden laſſen. Und auch ſie greifen, wie ſchon früher (VI) bemerkt worden, vielfach tief ineinander; daß die erſtere überall Jahrtauſende weit hinter der letzteren zurückliege, wird immer gründlicher als ein aus übertriebener Alterthümelei oder Archäomanie der antiquariſchen Forſcher entſpringendes Vor- urtheil ohne allſeitige reale Begründung erkannt. Wie ſehr die neueſte paläontologiſche und archäologiſche Wiſſen- ſchaft mit den traditionellen Jrrthümern des geologiſchen Quietis- mus oder Uniformitarismus zu brechen begonnen hat und beſcheid- nere Schätzungen bevorzugt, dafür erlauben wir uns zum Schluſſe noch einige Ausſprüche namhafter Natur- und Alterthumsforſcher anzuführen. Oscar Fraas, überhaupt einer der behutſamſten und conſervativſten Geologen, was chronologiſche Fragen betrifft, und dabei vielleicht ein zu heftiger Gegner der bekannten franzöſiſchen Tertiärmenſchen-Hypotheſe, der er allen und jeden Grund abſpricht, wirft in verſchiednen ſeiner Schriften die Frage auf: warum doch die Eiszeit, gegen deren Ende die früheſten Spuren menſchlicher Exiſtenz auftreten, nothwendig ſo ungeheuer weit, wie die landläufige geologiſche Zeitrechnung dieß gern thut, über die hiſtoriſche Zeit hinauf verlegt werden müſſe, und ferner: warum die Nachrichten mittelalterlicher und vormittelalterlicher Quellen wie z. B. das Nibelungenlied, die Geſetze Karls des Großen, Tacitus, Cäſar ꝛc., mit ihren Hindeutungen auf gewaltige ſeitdem ſtattgehabte Ver- änderungen in der Thierwelt, nicht gehörig benutzt würden, wenn es das Verhältniß der Mammuth- und der Renthierperiode zur Jetztzeit zu beſtimmen gelte? „Drei bis vier Jahrtauſende, die hinter uns liegen‟, meint er, „ſind ſchon an ſich ſchwindelnde Größen, 2) 2) S. 65 ff.) als Vertheidiger einer beſondren Kupferzeit für Nordamerika ſ. beſon- ders Ratzel, Die Vereinigten Staaten ꝛc. I: Phyſikaliſche Geographie und Naturcharakter, München 1878.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/325>, abgerufen am 21.11.2024.