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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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X. Schluß.
5, 12), jenes Hineingezogenwerden Aller, zuletzt auch der frömmsten
und heiligsten Nachkommen Adams in die Herrschaft des Todes,
nach und nach ersichtlich wurde und sich bis zu dem seit nun drei
Jahrtausenden herrschenden Grad der Stärke steigerte. Das geheim-
nißvolle Jneinander dieser langsam absteigenden, sowie der in sie
verflochtenen intellectuell und culturell aufsteigenden Entwicklung der
Menschheit zwischen Adam und Mose ist es, was die Patriarchen-
geschichte der Bibel uns zur Anschauung bringt. Sie ist eben darum
Patriarchengeschichte, weil Kindheitsgeschichte der Menschheit. Und
umgekehrt: weil es das Kindesalter unsres Geschlechtes ist, dessen
Entfaltung und allmähligen Uebergang in das Knabenalter oder die
vorgerücktere Jugendzeit die biblische Patriarchengeschichte berichtet,
darum hat sie es mit einer Reihe ehrwürdiger Erzvätergestalten
von lange sich hinziehenden und erst allmählich verkürzten Lebens-
dauern zu thun. Sie hat einen zwar letztlich mit Niederlage
endigenden, aber langdauernden und von zäher Widerstandskraft
der Streiter zeugenden Kampf wider die endlich zu voller Herrschaft
über unser Geschlecht gelangte Macht des Todes zu beschreiben.

Es läge nahe, unsreu Betrachtungen über das Makrobierthum
der Urzeit solche über ein "Makrobierthum der Zukunft", das viel-
leicht als letzte abschließende Segensgabe der lebenverjüngenden
Wirkungen Christi und des Christenthums vor dem Abschlusse der
irdischen Geschichte erhofft werden dürfte, hinzuzufügen. Schließen
ja doch auch unsre Geschichts- und Religionsphilosophen, da wo sie
vom goldenen Zeitalter der Vergangenheit gehandelt haben, gern
Erörterungen über das goldene Zeitalter der Zukunft an, bei
welchen sie dann meist eingehender und mit mehr Vorliebe verweilen,
als bei jenem! Einer der wenigen neueren Dogmatiker, welche im
Zusammenhange mit Urstand und Sündenfall auch dem Geschichts-
inhalte von Gen. 5 und 11 einige Aufmerksamkeit gewidmet haben,
J. P. Lange, hat in seiner geistreichen Weise sich über die Makro-
bier der letzten Zeiten verbreitet, hat außer dem alttestamentlichen
Prophetenwort Jesaj. 65, 20 ff. die paulinischen Aussprüche vom

X. Schluß.
5, 12), jenes Hineingezogenwerden Aller, zuletzt auch der frömmſten
und heiligſten Nachkommen Adams in die Herrſchaft des Todes,
nach und nach erſichtlich wurde und ſich bis zu dem ſeit nun drei
Jahrtauſenden herrſchenden Grad der Stärke ſteigerte. Das geheim-
nißvolle Jneinander dieſer langſam abſteigenden, ſowie der in ſie
verflochtenen intellectuell und culturell aufſteigenden Entwicklung der
Menſchheit zwiſchen Adam und Moſe iſt es, was die Patriarchen-
geſchichte der Bibel uns zur Anſchauung bringt. Sie iſt eben darum
Patriarchengeſchichte, weil Kindheitsgeſchichte der Menſchheit. Und
umgekehrt: weil es das Kindesalter unſres Geſchlechtes iſt, deſſen
Entfaltung und allmähligen Uebergang in das Knabenalter oder die
vorgerücktere Jugendzeit die bibliſche Patriarchengeſchichte berichtet,
darum hat ſie es mit einer Reihe ehrwürdiger Erzvätergeſtalten
von lange ſich hinziehenden und erſt allmählich verkürzten Lebens-
dauern zu thun. Sie hat einen zwar letztlich mit Niederlage
endigenden, aber langdauernden und von zäher Widerſtandskraft
der Streiter zeugenden Kampf wider die endlich zu voller Herrſchaft
über unſer Geſchlecht gelangte Macht des Todes zu beſchreiben.

Es läge nahe, unſreu Betrachtungen über das Makrobierthum
der Urzeit ſolche über ein „Makrobierthum der Zukunft‟, das viel-
leicht als letzte abſchließende Segensgabe der lebenverjüngenden
Wirkungen Chriſti und des Chriſtenthums vor dem Abſchluſſe der
irdiſchen Geſchichte erhofft werden dürfte, hinzuzufügen. Schließen
ja doch auch unſre Geſchichts- und Religionsphiloſophen, da wo ſie
vom goldenen Zeitalter der Vergangenheit gehandelt haben, gern
Erörterungen über das goldene Zeitalter der Zukunft an, bei
welchen ſie dann meiſt eingehender und mit mehr Vorliebe verweilen,
als bei jenem! Einer der wenigen neueren Dogmatiker, welche im
Zuſammenhange mit Urſtand und Sündenfall auch dem Geſchichts-
inhalte von Gen. 5 und 11 einige Aufmerkſamkeit gewidmet haben,
J. P. Lange, hat in ſeiner geiſtreichen Weiſe ſich über die Makro-
bier der letzten Zeiten verbreitet, hat außer dem altteſtamentlichen
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[336/0346] X. Schluß. 5, 12), jenes Hineingezogenwerden Aller, zuletzt auch der frömmſten und heiligſten Nachkommen Adams in die Herrſchaft des Todes, nach und nach erſichtlich wurde und ſich bis zu dem ſeit nun drei Jahrtauſenden herrſchenden Grad der Stärke ſteigerte. Das geheim- nißvolle Jneinander dieſer langſam abſteigenden, ſowie der in ſie verflochtenen intellectuell und culturell aufſteigenden Entwicklung der Menſchheit zwiſchen Adam und Moſe iſt es, was die Patriarchen- geſchichte der Bibel uns zur Anſchauung bringt. Sie iſt eben darum Patriarchengeſchichte, weil Kindheitsgeſchichte der Menſchheit. Und umgekehrt: weil es das Kindesalter unſres Geſchlechtes iſt, deſſen Entfaltung und allmähligen Uebergang in das Knabenalter oder die vorgerücktere Jugendzeit die bibliſche Patriarchengeſchichte berichtet, darum hat ſie es mit einer Reihe ehrwürdiger Erzvätergeſtalten von lange ſich hinziehenden und erſt allmählich verkürzten Lebens- dauern zu thun. Sie hat einen zwar letztlich mit Niederlage endigenden, aber langdauernden und von zäher Widerſtandskraft der Streiter zeugenden Kampf wider die endlich zu voller Herrſchaft über unſer Geſchlecht gelangte Macht des Todes zu beſchreiben. Es läge nahe, unſreu Betrachtungen über das Makrobierthum der Urzeit ſolche über ein „Makrobierthum der Zukunft‟, das viel- leicht als letzte abſchließende Segensgabe der lebenverjüngenden Wirkungen Chriſti und des Chriſtenthums vor dem Abſchluſſe der irdiſchen Geſchichte erhofft werden dürfte, hinzuzufügen. Schließen ja doch auch unſre Geſchichts- und Religionsphiloſophen, da wo ſie vom goldenen Zeitalter der Vergangenheit gehandelt haben, gern Erörterungen über das goldene Zeitalter der Zukunft an, bei welchen ſie dann meiſt eingehender und mit mehr Vorliebe verweilen, als bei jenem! Einer der wenigen neueren Dogmatiker, welche im Zuſammenhange mit Urſtand und Sündenfall auch dem Geſchichts- inhalte von Gen. 5 und 11 einige Aufmerkſamkeit gewidmet haben, J. P. Lange, hat in ſeiner geiſtreichen Weiſe ſich über die Makro- bier der letzten Zeiten verbreitet, hat außer dem altteſtamentlichen Prophetenwort Jeſaj. 65, 20 ff. die pauliniſchen Ausſprüche vom

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/346>, abgerufen am 21.11.2024.