Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.II. Die Schriftlehre vom Urstande. Menschen lästernden und fluchenden Zunge flucht. (Jak. 3, 9). Dasbiblisch Correcte und Wohlbezeugte dieser Distinction zwischen para- diesischem und nachparadiesischem, verlorenem und noch vorhandenem, speciellerem und allgemeinerem Gottesbilde steht unwidersprechlich fest. Ebenso fest steht auf der anderen Seite das exegetisch Un- gegründete, willkürlich Eintragende jenes patristisch-scholastischen Kunst- griffs, wonach "Bild Gottes" und "Aehnlichkeit (Gleichniß) Gottes" im Schöpfungsberichte etwas Verschiednes bezeichnen und jener Aus- druck das jetzt noch vorhandne natürliche Gottesbild, dieser das dem Menschen rasch wieder entzogene Gnadengeschenk der Gottebenbild- lichkeit im höheren und engeren Sinne bezeichnen soll. Es heißt, die Gesetze des hebräischen Sprachgeistes gründlich verkennen, wenn man diese künstliche Unterscheidung von imago und similitudo Dei etwa aus Gen. 1, 26 begründen will. "zelem" und d'mut, paral- lelistisch nebeneinander gestellt, bedeuten ganz dasselbe, sie sind so wenig verschiednen Sinnes, als das im folgenden Verse zweimal unmittelbar hintereinandergesetzte zelem. Sollte d'mut "Gleichniß, Aehnlichkeit" etwa jene bald verlorene höhere Gottähnlichkeit be- zeichnen: warum wird denn da in Kap. 5, 1--3, wo notorisch das noch vorhandene, natürliche Gottesbild in Rede steht, zuerst Adam als "im d'mut Gottes erschaffen", und alsdann sein Sohn Seth als "in seinem (Adams) d'mut und gemäß seinem zelem geboren" bezeichnet? Oder warum bedient sich zwar Paulus in jener vom jetzt noch vorhandnen Gottesbilde handelnden Korintherstelle (1 Kor. 11, 7) des Ausdruck's [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt] - zelem, Jakobus dagegen an ent- sprechender Stelle vielmehr des Namens [fremdsprachliches Material - 1 Wort fehlt] - d'mut? Die exegetische Unhaltbarkeit jener Distinction könnte nicht schlagender dargethan werden, als durch diese wiederholte Vertauschung der bei- den fraglichen Ausdrücke in späteren Stellen sowohl des Alten als des Neuen Testaments. Jmmerhin liegt darin eine gewisse Wahr- heit der altkirchlichen und römischen Lehre von einer Entziehung der uranfänglich von uns besessenen similitudo Dei um der Sünde willen und von ihrer Wiedergewinnung durch die Heiligung in Christo, II. Die Schriftlehre vom Urſtande. Menſchen läſternden und fluchenden Zunge flucht. (Jak. 3, 9). Dasbibliſch Correcte und Wohlbezeugte dieſer Diſtinction zwiſchen para- dieſiſchem und nachparadieſiſchem, verlorenem und noch vorhandenem, ſpeciellerem und allgemeinerem Gottesbilde ſteht unwiderſprechlich feſt. Ebenſo feſt ſteht auf der anderen Seite das exegetiſch Un- gegründete, willkürlich Eintragende jenes patriſtiſch-ſcholaſtiſchen Kunſt- griffs, wonach „Bild Gottes‟ und „Aehnlichkeit (Gleichniß) Gottes‟ im Schöpfungsberichte etwas Verſchiednes bezeichnen und jener Aus- druck das jetzt noch vorhandne natürliche Gottesbild, dieſer das dem Menſchen raſch wieder entzogene Gnadengeſchenk der Gottebenbild- lichkeit im höheren und engeren Sinne bezeichnen ſoll. Es heißt, die Geſetze des hebräiſchen Sprachgeiſtes gründlich verkennen, wenn man dieſe künſtliche Unterſcheidung von imago und similitudo Dei etwa aus Gen. 1, 26 begründen will. „zelem‟ und d’mut, paral- leliſtiſch nebeneinander geſtellt, bedeuten ganz daſſelbe, ſie ſind ſo wenig verſchiednen Sinnes, als das im folgenden Verſe zweimal unmittelbar hintereinandergeſetzte zelem. Sollte d’mut „Gleichniß, Aehnlichkeit‟ etwa jene bald verlorene höhere Gottähnlichkeit be- zeichnen: warum wird denn da in Kap. 5, 1—3, wo notoriſch das noch vorhandene, natürliche Gottesbild in Rede ſteht, zuerſt Adam als „im d’mut Gottes erſchaffen‟, und alsdann ſein Sohn Seth als „in ſeinem (Adams) d’mut und gemäß ſeinem zelem geboren‟ bezeichnet? Oder warum bedient ſich zwar Paulus in jener vom jetzt noch vorhandnen Gottesbilde handelnden Korintherſtelle (1 Kor. 11, 7) des Ausdruck’s [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt] - zelem, Jakobus dagegen an ent- ſprechender Stelle vielmehr des Namens [fremdsprachliches Material – 1 Wort fehlt] - d’mut? Die exegetiſche Unhaltbarkeit jener Diſtinction könnte nicht ſchlagender dargethan werden, als durch dieſe wiederholte Vertauſchung der bei- den fraglichen Ausdrücke in ſpäteren Stellen ſowohl des Alten als des Neuen Teſtaments. Jmmerhin liegt darin eine gewiſſe Wahr- heit der altkirchlichen und römiſchen Lehre von einer Entziehung der uranfänglich von uns beſeſſenen similitudo Dei um der Sünde willen und von ihrer Wiedergewinnung durch die Heiligung in Chriſto, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0080" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Schriftlehre vom Urſtande.</fw><lb/> Menſchen läſternden und fluchenden Zunge flucht. (Jak. 3, 9). 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II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
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dieſiſchem und nachparadieſiſchem, verlorenem und noch vorhandenem,
ſpeciellerem und allgemeinerem Gottesbilde ſteht unwiderſprechlich
feſt. Ebenſo feſt ſteht auf der anderen Seite das exegetiſch Un-
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griffs, wonach „Bild Gottes‟ und „Aehnlichkeit (Gleichniß) Gottes‟
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Menſchen raſch wieder entzogene Gnadengeſchenk der Gottebenbild-
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man dieſe künſtliche Unterſcheidung von imago und similitudo Dei
etwa aus Gen. 1, 26 begründen will. „zelem‟ und d’mut, paral-
leliſtiſch nebeneinander geſtellt, bedeuten ganz daſſelbe, ſie ſind ſo
wenig verſchiednen Sinnes, als das im folgenden Verſe zweimal
unmittelbar hintereinandergeſetzte zelem. Sollte d’mut „Gleichniß,
Aehnlichkeit‟ etwa jene bald verlorene höhere Gottähnlichkeit be-
zeichnen: warum wird denn da in Kap. 5, 1—3, wo notoriſch das
noch vorhandene, natürliche Gottesbild in Rede ſteht, zuerſt Adam
als „im d’mut Gottes erſchaffen‟, und alsdann ſein Sohn Seth
als „in ſeinem (Adams) d’mut und gemäß ſeinem zelem geboren‟
bezeichnet? Oder warum bedient ſich zwar Paulus in jener vom
jetzt noch vorhandnen Gottesbilde handelnden Korintherſtelle (1 Kor.
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ſprechender Stelle vielmehr des Namens _ - d’mut? Die
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den fraglichen Ausdrücke in ſpäteren Stellen ſowohl des Alten als
des Neuen Teſtaments. Jmmerhin liegt darin eine gewiſſe Wahr-
heit der altkirchlichen und römiſchen Lehre von einer Entziehung der
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