Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.III. Die Traditionen des Heidenthums. dieser oceanischen Sagen mit ihrer die Momente der Schöpfung,Sintfluth und frühesten Culturentwicklung unklar ineinander wirrenden Tendenz mag, außer jenem merkwürdigen Seitenstück zur Erzählung von Kains Brudermord, welches eine von Wilhelm v. Humboldt mitgetheilte Sage der Tonga-Jnsulaner darbietet, noch eine zur Zeit ihrer Entdeckung angeblich auf zahlreichen Südseeinseln verbreitete Ueberlieferung betreffs eines allmählichen Kürzerwerdens der mensch- lichen Lebensalter um der zunehmenden Sünde willen hervorgehoben werden. "Sie meinen", berichtete darüber ein Forscher aus dem Anfang unsres Jahrhunderts,1) das Alter der Menschen sei nicht stets dasselbe gewesen wie jetzt und werde auch nicht stets dasselbe bleiben, sondern es werde je nach Tugend und Verdiensten der Menschen verlängert oder verkürzt. Sie sagen, gemäß dieser Theorie, das Leben des ersten Menschen habe sich noch bis zu fast unermeß- licher Länge erstreckt, seine Kinder und Enkelkinder aber hätten langsam und allmählich immer kürzere Lebensdauern erhalten, in dem Maaße als sie immer weniger tugendhaft wurden" etc. An der Spitze der hieher gehörigen Sagen der alten Jndier 1) Faber, Horae Mosaicae, or adissertation on the credibility and
theology of the Pentateuch (2. Edition, Lond. 1818), vgl. I, p. 92. -- Vgl. was die Karenen betrifft: Eppler, Die Karenen und ihre Bekehrung zum Christenth, -- Allgem. Missions-Zeitschrift, 1879, S. 57 ff. III. Die Traditionen des Heidenthums. dieſer oceaniſchen Sagen mit ihrer die Momente der Schöpfung,Sintfluth und früheſten Culturentwicklung unklar ineinander wirrenden Tendenz mag, außer jenem merkwürdigen Seitenſtück zur Erzählung von Kains Brudermord, welches eine von Wilhelm v. Humboldt mitgetheilte Sage der Tonga-Jnſulaner darbietet, noch eine zur Zeit ihrer Entdeckung angeblich auf zahlreichen Südſeeinſeln verbreitete Ueberlieferung betreffs eines allmählichen Kürzerwerdens der menſch- lichen Lebensalter um der zunehmenden Sünde willen hervorgehoben werden. „Sie meinen‟, berichtete darüber ein Forſcher aus dem Anfang unſres Jahrhunderts,1) das Alter der Menſchen ſei nicht ſtets daſſelbe geweſen wie jetzt und werde auch nicht ſtets daſſelbe bleiben, ſondern es werde je nach Tugend und Verdienſten der Menſchen verlängert oder verkürzt. Sie ſagen, gemäß dieſer Theorie, das Leben des erſten Menſchen habe ſich noch bis zu faſt unermeß- licher Länge erſtreckt, ſeine Kinder und Enkelkinder aber hätten langſam und allmählich immer kürzere Lebensdauern erhalten, in dem Maaße als ſie immer weniger tugendhaft wurden‟ ꝛc. An der Spitze der hieher gehörigen Sagen der alten Jndier 1) Faber, Horae Mosaicae, or adissertation on the credibility and
theology of the Pentateuch (2. Edition, Lond. 1818), vgl. I, p. 92. — Vgl. was die Karenen betrifft: Eppler, Die Karenen und ihre Bekehrung zum Chriſtenth, — Allgem. Miſſions-Zeitſchrift, 1879, S. 57 ff. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0099" n="89"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi> Die Traditionen des Heidenthums.</fw><lb/> dieſer oceaniſchen Sagen mit ihrer die Momente der Schöpfung,<lb/> Sintfluth und früheſten Culturentwicklung unklar ineinander wirrenden<lb/> Tendenz mag, außer jenem merkwürdigen Seitenſtück zur Erzählung<lb/> von Kains Brudermord, welches eine von Wilhelm v. Humboldt<lb/> mitgetheilte Sage der Tonga-Jnſulaner darbietet, noch eine zur Zeit<lb/> ihrer Entdeckung angeblich auf zahlreichen Südſeeinſeln verbreitete<lb/> Ueberlieferung betreffs eines allmählichen Kürzerwerdens der menſch-<lb/> lichen Lebensalter um der zunehmenden Sünde willen hervorgehoben<lb/> werden. „Sie meinen‟, berichtete darüber ein Forſcher aus dem<lb/> Anfang unſres Jahrhunderts,<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Faber,</hi> Horae Mosaicae, or adissertation on the credibility and<lb/> theology of the Pentateuch (2. Edition, Lond. 1818)</hi>, vgl. <hi rendition="#aq">I, p.</hi> 92. —<lb/> Vgl. was die Karenen betrifft: <hi rendition="#g">Eppler,</hi> Die Karenen und ihre Bekehrung zum<lb/> Chriſtenth, — Allgem. Miſſions-Zeitſchrift, 1879, S. 57 ff.</note> das Alter der Menſchen ſei nicht<lb/> ſtets daſſelbe geweſen wie jetzt und werde auch nicht ſtets daſſelbe<lb/> bleiben, ſondern es werde je nach Tugend und Verdienſten der<lb/> Menſchen verlängert oder verkürzt. Sie ſagen, gemäß dieſer Theorie,<lb/> das Leben des erſten Menſchen habe ſich noch bis zu faſt unermeß-<lb/> licher Länge erſtreckt, ſeine Kinder und Enkelkinder aber hätten<lb/> langſam und allmählich immer kürzere Lebensdauern erhalten, in<lb/> dem Maaße als ſie immer weniger tugendhaft wurden‟ ꝛc.</p><lb/> <p>An der Spitze der hieher gehörigen Sagen der alten <hi rendition="#g">Jndier</hi><lb/> ſteht, was über den mitten im Weltmeere ſtehenden und in den<lb/> Himmel hineinragenden Götterberg Meru, den Sitz Wiſchnu’s oder<lb/> das Paradies erzählt wird. Auf ihm wächſt der den Trank der<lb/> Unſterblichkeit ſpendende Lebensbaum Soma (oder mehrere ſolcher<lb/> ewig blühender Lebensbäume); tief unter ihm aber, in der Unter-<lb/> welt, ruht die Weltſchlange. Jn den den Kampf dieſer Weltſchlange<lb/> mit dem hehren Lichtgotte Jndra betreffenden Sagen erſcheint die<lb/> Reminiſcenz an den Sündenfall und den Verluſt des Paradieſes<lb/> ſtark getrübt und in’s phantaſtiſch-Unklare verzerrt. Dagegen erſcheinen<lb/> an die nachparadieſiſchen Stadien der Urgeſchichte einige deutlichere<lb/> Erinnerungen bewahrt. Die Sage von der Aufeinanderfolge der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0099]
III. Die Traditionen des Heidenthums.
dieſer oceaniſchen Sagen mit ihrer die Momente der Schöpfung,
Sintfluth und früheſten Culturentwicklung unklar ineinander wirrenden
Tendenz mag, außer jenem merkwürdigen Seitenſtück zur Erzählung
von Kains Brudermord, welches eine von Wilhelm v. Humboldt
mitgetheilte Sage der Tonga-Jnſulaner darbietet, noch eine zur Zeit
ihrer Entdeckung angeblich auf zahlreichen Südſeeinſeln verbreitete
Ueberlieferung betreffs eines allmählichen Kürzerwerdens der menſch-
lichen Lebensalter um der zunehmenden Sünde willen hervorgehoben
werden. „Sie meinen‟, berichtete darüber ein Forſcher aus dem
Anfang unſres Jahrhunderts, 1) das Alter der Menſchen ſei nicht
ſtets daſſelbe geweſen wie jetzt und werde auch nicht ſtets daſſelbe
bleiben, ſondern es werde je nach Tugend und Verdienſten der
Menſchen verlängert oder verkürzt. Sie ſagen, gemäß dieſer Theorie,
das Leben des erſten Menſchen habe ſich noch bis zu faſt unermeß-
licher Länge erſtreckt, ſeine Kinder und Enkelkinder aber hätten
langſam und allmählich immer kürzere Lebensdauern erhalten, in
dem Maaße als ſie immer weniger tugendhaft wurden‟ ꝛc.
An der Spitze der hieher gehörigen Sagen der alten Jndier
ſteht, was über den mitten im Weltmeere ſtehenden und in den
Himmel hineinragenden Götterberg Meru, den Sitz Wiſchnu’s oder
das Paradies erzählt wird. Auf ihm wächſt der den Trank der
Unſterblichkeit ſpendende Lebensbaum Soma (oder mehrere ſolcher
ewig blühender Lebensbäume); tief unter ihm aber, in der Unter-
welt, ruht die Weltſchlange. Jn den den Kampf dieſer Weltſchlange
mit dem hehren Lichtgotte Jndra betreffenden Sagen erſcheint die
Reminiſcenz an den Sündenfall und den Verluſt des Paradieſes
ſtark getrübt und in’s phantaſtiſch-Unklare verzerrt. Dagegen erſcheinen
an die nachparadieſiſchen Stadien der Urgeſchichte einige deutlichere
Erinnerungen bewahrt. Die Sage von der Aufeinanderfolge der
1) Faber, Horae Mosaicae, or adissertation on the credibility and
theology of the Pentateuch (2. Edition, Lond. 1818), vgl. I, p. 92. —
Vgl. was die Karenen betrifft: Eppler, Die Karenen und ihre Bekehrung zum
Chriſtenth, — Allgem. Miſſions-Zeitſchrift, 1879, S. 57 ff.
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