[Spaltenumbruch]
Apulien wird es in solcher menge gefunden/ daß man es zum Fewr wie ander Holtz ge- brauch[et.] Jn Teutschland wächßt es nicht von [sel]bsten/ sondern wird allein zum Lust [in den] Gärten gezielet/ darinn es denn viel[ Jahr erh]alten wird. Der stengel ist bey de[n Alten von] den Lehrmeistern gebraucht/ und dahero von Martiali lib. 10. Epigram. 61. Sceptrum paedagogorum, der Schulmeistern Seepter genennet worden/ die Kinder in der Schul darmit zu züchtigen/ daher die Lateinische Sprüchwörter kommen: ille adhuc est sub ferula, er ist noch under der Lehr des Schulmeisters: ille manum ferulae sub- duxit, er ist dem Gewalt des Schulmeisters entlassen. Auß diesem anlaß hat der Poet Juvenalis Satyra 1. geschrieben:
Et nos ergo manum ferulis subduximus, & nos Consilium dedimus Scyllae.
Die Ruthen soll nunmehr mir keinen scha- den bringen/ Es wird mein guter rath dem Scylla wol gelingen.
Eigenschafft.
Das Gertenkraut führet ein groblicht- scharffes ölichtes saltz bey sich/ und hat deß- wegen eine Krafft zu wärmen und zu tröck- nen: Wird in der Artzney sonderlich nicht gebraucht.
Gebrauch.
Gertenkraut ist den Eseln eine anmütige Speiß/ dem andern Vieh aber ein tödlich Gifft.
Der stengel dieses Gewächs/ wenn er auß- getrocknet/ ist gantz leicht/ aber doch also steiff und fest/ daß man ihne zu Spatzier- stecken gebrauchen kan.
DEr Haarstrang heißt Griechisch/ [fremdsprachliches Material - 2 Wörter fehlen]. Lateinisch/ Peucedanus, Peucedanum, Foenicu- lum porcinum. Jtaliänisch/ Peucedano, Fi- nochio porcino. Frantzösisch/ Fenoüil de pour- ceau, Queve de porc, Peucedane. Spanisch/ Yervato, Yervatun, Hinojo porcino. Englisch/ Horestrange/ Sulphurwort. Niderländisch/ Verckensvenckel/ Solferwortel. Jn Teut- scher Sprach heißt er auch Säufenchel/ Schwebelwurtz/ Himmeldill/ und Haar- staarck.
Geschlecht und Gestalt.
1. Der allhier abgemahlte Haarstrang/ Peucedanum Germanicum, C. B. minus Germa- nicum, J. B. vulgare, Park. Hat eine lange/ grosse/ dicke wurtzel/ die ist außwendig schwartz und inwendig weiß/ mit wenig kleinen za- seln behenckt/ er bringt über der Erden ei- nen grawen Bart/ wie die Säubürsten/ daher man auch ihne Säwfenchel nennet. Durch diesen rauchen Bart oder Bürsten/ dringet herfür ein runder schmaler stengel/ wie der Fenchel/ daran unden neben der wurtzel viel blätter bey einander fest gedrun- gen wachsen/ die sind grösser als die blätter des Fenchels/ den Zirbelbaum-blättern sich fast vergleichend/ außgenommen/ daß sie lin- der und weicher sind. Oben am stengel/ wie auch an den neben-ästlein/ gewinnet er schö- ne kronen oder Dolden/ die sind voll Dot- ter-gelben Blümlein/ wenn die abfallen/ folgt ein dünner leichter samen/ wie der sa- men des Dillkrauts/ wird jedoch länger. Die wurtzel ist lang und groß/ an dem Ge- schmack scharff/ bitter und fast mühselig zu graben/ denn sie stehet sehr tieff. Jn dem außgraben gibt die wurtzel von sich einen sehr starcken Geruch/ welcher das Haupt mercklich verletzet/ also daß einem schier ge- schwindet/ derowegen die Alten gelehret/ wenn man diese wurtzel graben wil/ daß man sich under der Nasen mit Rosen-öl salben soll/ dem starcken Geruch widerstand zu thun. Jm Herbst/ wenn die blätter schier vergangen/ und im Frühling/ wenn sie wider herfür kommen/ ist diese wurtzel am allerkräfftigsten/ denn in solcher zeit findet man an den wurtzeln ein schwefel-gelben ge- standenen safft/ gleich dem Weyrauch/ und geschihet das sonderlich/ so die Wurtzel durch die Würm oder ander Ungeziefer/ und sonst in andere weg verletzet wird. Nach dem außgraben wird diese wurtzel schwartz/ denn sonst ist sie weißfärbig. Es wächßt die- ses Kraut auf dem Donnersberg/ Spessart/ Spitzberg/ Ydar/ deßgleichen im Schwartz- wald/ Waßgaw/ und am Rheinstrom/ in den Matten und Wäldern/ sonderlich aber umb Lauterburg/ im Stifft Weissenburg/ und umb die Churfürstliche Statt Oppen- heim/ auch auff der Weyden/ wie man nach Mäintz räiset/ so überflüssig/ daß man von diesen orten gantz Europa genugsam damit versehen könte. Auff der gemelten Weyde hat Theod. Tabernaemontanus Wurtzeln ar- mes-dick/ und über zwo/ auch in drey elen lang außgegraben. Carolus Clusis hat den
Haar-
Das Vierte Buch/
[Spaltenumbruch]
Apulien wird es in ſolcher menge gefunden/ daß man es zum Fewr wie ander Holtz ge- brauch[et.] Jn Teutſchland waͤchßt es nicht von [ſel]bſten/ ſondern wird allein zum Luſt [in den] Gaͤrten gezielet/ darinn es denn viel[ Jahr erh]alten wird. Der ſtengel iſt bey de[n Alten von] den Lehrmeiſtern gebraucht/ und dahero von Martiali lib. 10. Epigram. 61. Sceptrum pædagogorum, der Schulmeiſtern Seepter genennet worden/ die Kinder in der Schul darmit zu zuͤchtigen/ daher die Lateiniſche Spruͤchwoͤrter kommen: ille adhuc eſt ſub ferula, er iſt noch under der Lehr des Schulmeiſters: ille manum ferulæ ſub- duxit, er iſt dem Gewalt des Schulmeiſters entlaſſen. Auß dieſem anlaß hat der Poet Juvenalis Satyra 1. geſchrieben:
Et nos ergo manum ferulis ſubduximus, & nos Conſilium dedimus Scyllæ.
Die Ruthen ſoll nunmehr mir keinen ſcha- den bringen/ Es wird mein guter rath dem Scylla wol gelingen.
Eigenſchafft.
Das Gertenkraut fuͤhret ein groblicht- ſcharffes oͤlichtes ſaltz bey ſich/ und hat deß- wegen eine Krafft zu waͤrmen und zu troͤck- nen: Wird in der Artzney ſonderlich nicht gebraucht.
Gebrauch.
Gertenkraut iſt den Eſeln eine anmuͤtige Speiß/ dem andern Vieh aber ein toͤdlich Gifft.
Der ſtengel dieſes Gewaͤchs/ weñ er auß- getrocknet/ iſt gantz leicht/ aber doch alſo ſteiff und feſt/ daß man ihne zu Spatzier- ſtecken gebrauchen kan.
DEr Haarſtrang heißt Griechiſch/ [fremdsprachliches Material – 2 Wörter fehlen]. Lateiniſch/ Peucedanus, Peucedanum, Fœnicu- lum porcinum. Jtaliaͤniſch/ Peucedano, Fi- nochio porcino. Frantzoͤſiſch/ Fenoüil de pour- ceau, Queve de porc, Peucedane. Spaniſch/ Yervato, Yervatun, Hinojo porcino. Engliſch/ Horeſtrange/ Sulphurwort. Niderlaͤndiſch/ Verckensvenckel/ Solferwortel. Jn Teut- ſcher Sprach heißt er auch Saͤufenchel/ Schwebelwurtz/ Himmeldill/ und Haar- ſtaarck.
Geſchlecht und Geſtalt.
1. Der allhier abgemahlte Haarſtrang/ Peucedanum Germanicum, C. B. minus Germa- nicum, J. B. vulgare, Park. Hat eine lange/ groſſe/ dicke wurtzel/ die iſt außwendig ſchwartz und inwendig weiß/ mit wenig kleinen za- ſeln behenckt/ er bringt uͤber der Erden ei- nen grawen Bart/ wie die Saͤubuͤrſten/ daher man auch ihne Saͤwfenchel nennet. Durch dieſen rauchen Bart oder Buͤrſten/ dringet herfuͤr ein runder ſchmaler ſtengel/ wie der Fenchel/ daran unden neben der wurtzel viel blaͤtter bey einander feſt gedrun- gen wachſen/ die ſind groͤſſer als die blaͤtter des Fenchels/ den Zirbelbaum-blaͤttern ſich faſt vergleichend/ außgenommen/ daß ſie lin- der und weicher ſind. Oben am ſtengel/ wie auch an den neben-aͤſtlein/ gewinnet er ſchoͤ- ne kronen oder Dolden/ die ſind voll Dot- ter-gelben Bluͤmlein/ wenn die abfallen/ folgt ein duͤnner leichter ſamen/ wie der ſa- men des Dillkrauts/ wird jedoch laͤnger. Die wurtzel iſt lang und groß/ an dem Ge- ſchmack ſcharff/ bitter und faſt muͤhſelig zu graben/ denn ſie ſtehet ſehr tieff. Jn dem außgraben gibt die wurtzel von ſich einen ſehr ſtarcken Geruch/ welcher das Haupt mercklich verletzet/ alſo daß einem ſchier ge- ſchwindet/ derowegen die Alten gelehret/ wenn man dieſe wurtzel graben wil/ daß man ſich under der Naſen mit Roſen-oͤl ſalben ſoll/ dem ſtarcken Geruch widerſtand zu thun. Jm Herbſt/ wenn die blaͤtter ſchier vergangen/ und im Fruͤhling/ wenn ſie wider herfuͤr kommen/ iſt dieſe wurtzel am allerkraͤfftigſten/ denn in ſolcher zeit findet man an den wurtzeln ein ſchwefel-gelben ge- ſtandenen ſafft/ gleich dem Weyrauch/ und geſchihet das ſonderlich/ ſo die Wurtzel durch die Wuͤrm oder ander Ungeziefer/ und ſonſt in andere weg verletzet wird. Nach dem außgraben wird dieſe wurtzel ſchwartz/ denn ſonſt iſt ſie weißfaͤrbig. Es waͤchßt die- ſes Kraut auf dem Donnersberg/ Speſſart/ Spitzberg/ Ydar/ deßgleichen im Schwartz- wald/ Waßgaw/ und am Rheinſtrom/ in den Matten und Waͤldern/ ſonderlich aber umb Lauterburg/ im Stifft Weiſſenburg/ und umb die Churfuͤrſtliche Statt Oppen- heim/ auch auff der Weyden/ wie man nach Maͤintz raͤiſet/ ſo uͤberfluͤſſig/ daß man von dieſen orten gantz Europa genugſam damit verſehen koͤnte. Auff der gemelten Weyde hat Theod. Tabernæmontanus Wurtzeln ar- mes-dick/ und uͤber zwo/ auch in drey elen lang außgegraben. Carolus Cluſis hat den
Haar-
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[724/0740]
Das Vierte Buch/
Apulien wird es in ſolcher menge gefunden/
daß man es zum Fewr wie ander Holtz ge-
brauchet. Jn Teutſchland waͤchßt es nicht
von ſelbſten/ ſondern wird allein zum
Luſt in den Gaͤrten gezielet/ darinn es denn
viel Jahr erhalten wird. Der ſtengel iſt bey
den Alten von den Lehrmeiſtern gebraucht/
und dahero von Martiali lib. 10. Epigram. 61.
Sceptrum pædagogorum, der Schulmeiſtern
Seepter genennet worden/ die Kinder in
der Schul darmit zu zuͤchtigen/ daher
die Lateiniſche Spruͤchwoͤrter kommen: ille
adhuc eſt ſub ferula, er iſt noch under der Lehr
des Schulmeiſters: ille manum ferulæ ſub-
duxit, er iſt dem Gewalt des Schulmeiſters
entlaſſen. Auß dieſem anlaß hat der Poet
Juvenalis Satyra 1. geſchrieben:
Et nos ergo manum ferulis ſubduximus, & nos
Conſilium dedimus Scyllæ.
Die Ruthen ſoll nunmehr mir keinen ſcha-
den bringen/
Es wird mein guter rath dem Scylla wol
gelingen.
Eigenſchafft.
Das Gertenkraut fuͤhret ein groblicht-
ſcharffes oͤlichtes ſaltz bey ſich/ und hat deß-
wegen eine Krafft zu waͤrmen und zu troͤck-
nen: Wird in der Artzney ſonderlich nicht
gebraucht.
Gebrauch.
Gertenkraut iſt den Eſeln eine anmuͤtige
Speiß/ dem andern Vieh aber ein toͤdlich
Gifft.
Der ſtengel dieſes Gewaͤchs/ weñ er auß-
getrocknet/ iſt gantz leicht/ aber doch alſo
ſteiff und feſt/ daß man ihne zu Spatzier-
ſtecken gebrauchen kan.
CAPUT XXII.
[Abbildung Haarſtrang. Peucedanum.
]
Namen.
DEr Haarſtrang heißt Griechiſch/
__. Lateiniſch/
Peucedanus, Peucedanum, Fœnicu-
lum porcinum. Jtaliaͤniſch/ Peucedano, Fi-
nochio porcino. Frantzoͤſiſch/ Fenoüil de pour-
ceau, Queve de porc, Peucedane. Spaniſch/
Yervato, Yervatun, Hinojo porcino. Engliſch/
Horeſtrange/ Sulphurwort. Niderlaͤndiſch/
Verckensvenckel/ Solferwortel. Jn Teut-
ſcher Sprach heißt er auch Saͤufenchel/
Schwebelwurtz/ Himmeldill/ und Haar-
ſtaarck.
Geſchlecht und Geſtalt.
1. Der allhier abgemahlte Haarſtrang/
Peucedanum Germanicum, C. B. minus Germa-
nicum, J. B. vulgare, Park. Hat eine lange/
groſſe/ dicke wurtzel/ die iſt außwendig ſchwartz
und inwendig weiß/ mit wenig kleinen za-
ſeln behenckt/ er bringt uͤber der Erden ei-
nen grawen Bart/ wie die Saͤubuͤrſten/
daher man auch ihne Saͤwfenchel nennet.
Durch dieſen rauchen Bart oder Buͤrſten/
dringet herfuͤr ein runder ſchmaler ſtengel/
wie der Fenchel/ daran unden neben der
wurtzel viel blaͤtter bey einander feſt gedrun-
gen wachſen/ die ſind groͤſſer als die blaͤtter
des Fenchels/ den Zirbelbaum-blaͤttern ſich
faſt vergleichend/ außgenommen/ daß ſie lin-
der und weicher ſind. Oben am ſtengel/ wie
auch an den neben-aͤſtlein/ gewinnet er ſchoͤ-
ne kronen oder Dolden/ die ſind voll Dot-
ter-gelben Bluͤmlein/ wenn die abfallen/
folgt ein duͤnner leichter ſamen/ wie der ſa-
men des Dillkrauts/ wird jedoch laͤnger.
Die wurtzel iſt lang und groß/ an dem Ge-
ſchmack ſcharff/ bitter und faſt muͤhſelig zu
graben/ denn ſie ſtehet ſehr tieff. Jn dem
außgraben gibt die wurtzel von ſich einen
ſehr ſtarcken Geruch/ welcher das Haupt
mercklich verletzet/ alſo daß einem ſchier ge-
ſchwindet/ derowegen die Alten gelehret/
wenn man dieſe wurtzel graben wil/ daß man
ſich under der Naſen mit Roſen-oͤl ſalben
ſoll/ dem ſtarcken Geruch widerſtand zu
thun. Jm Herbſt/ wenn die blaͤtter ſchier
vergangen/ und im Fruͤhling/ wenn ſie
wider herfuͤr kommen/ iſt dieſe wurtzel am
allerkraͤfftigſten/ denn in ſolcher zeit findet
man an den wurtzeln ein ſchwefel-gelben ge-
ſtandenen ſafft/ gleich dem Weyrauch/ und
geſchihet das ſonderlich/ ſo die Wurtzel
durch die Wuͤrm oder ander Ungeziefer/ und
ſonſt in andere weg verletzet wird. Nach
dem außgraben wird dieſe wurtzel ſchwartz/
denn ſonſt iſt ſie weißfaͤrbig. Es waͤchßt die-
ſes Kraut auf dem Donnersberg/ Speſſart/
Spitzberg/ Ydar/ deßgleichen im Schwartz-
wald/ Waßgaw/ und am Rheinſtrom/ in
den Matten und Waͤldern/ ſonderlich aber
umb Lauterburg/ im Stifft Weiſſenburg/
und umb die Churfuͤrſtliche Statt Oppen-
heim/ auch auff der Weyden/ wie man nach
Maͤintz raͤiſet/ ſo uͤberfluͤſſig/ daß man von
dieſen orten gantz Europa genugſam damit
verſehen koͤnte. Auff der gemelten Weyde
hat Theod. Tabernæmontanus Wurtzeln ar-
mes-dick/ und uͤber zwo/ auch in drey elen
lang außgegraben. Carolus Cluſis hat den
Haar-
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Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/740>, abgerufen am 22.11.2024.
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