Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690.

Bild:
<< vorherige Seite

Von den Baum-und Staud-Gewächsen.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Kirschenbaum. Cerasus.
Lateinisch/ Cerasa. Jtaliänisch/ Ciregie.
Frantzösisch/ Cerise. Spanisch/ Cuinda.
Englisch/ Chery. Dänisch/ Kirseboer.
Niderländisch/ Krieken.

Geschlecht und Gestalt.

Demnach ich befunden/ daß Herr Wolff-
gang Jacob Dümler/ vor allen andern die
Kirschen am zierlichsten beschrieben/ habe
ich nicht underlassen sollen/ ihre artliche
Beschreibung auß seinem schönen Baum-
und Obstgarten hieher zu setzen.

Woher der
Namen
Cerasus.

Jns gemein wird darfür gehalten: Der
Kirschbaum werde von den Lateinern da-
rumb Cerasus geheissen/ weil er von der Statt
Cerasunt/ in der Pontischen Landschafft ge-
legen/ durch den streittbahren Römer/ Lu-
cium Lucullum,
in Jtalien gebracht worden/
als Athenaeus anzeiget. Aber weil in Jta-
lja die Kirschenbäume nicht nur in den Gär-
ten/ sondern hin und wider in den Wäldern
von sich selbst wachsen; auch Diphilus Siphi-
nius,
ein fürtreflicher Artzt/ welcher zu Zei-
ten Lysimachi, des grossen Alexandri Nach-
folgers/ gelebet/ allbereit schon der Kirschen
gedacht/ als kan man der gemeinen Muth-
massung nicht Beyfall geben.

Jn den Nürenbergischen Gärten/ und
an anderen Orten des Teutschlands/ wer-
den meistentheils gefunden Kirschbäume mit
einfacher und gefüllter Blühte. Die mit
schlechten und einfachen Blumen blühen/
sind sehr fruchtbar/ die aber gefüllte Blu-
men haben/ bringen wenig Früchte/ denn
die gefüllte Blumen nehmen gar zu viel
Krafft hinweg.

Vielerley
Art Kir-
schen.

Es werden auch die Kirschen also under-
schieden/ daß meistentheils nur eine Kirsche
auff einem Stiel wächst/ auch bißweilen
zwo/ drey oder mehr/ an einem Stiel han-
[Spaltenumbruch] gen. Wegen der Farben ereignet sich auch
ein mercklicher Underscheid. Denn etliche
sind roth/ etliche weiß/ etliche schwartz/ et-
liche gelb/ etliche roth und gelb zugleich/ et-
liche braun/ etliche purpurfärbig. Am Ge-
schmack sind etliche süß/ etliche saur. Umb
gewisser Ordnung willen/ wollen wir von
dreyen Arten schreiben: 1. Kirschen/ 2. A-
marellen/ 3. Weichsel.

I. Cerasus der Kirschbaum ist männigli-Gemeine[r]
Kirschen-
baum.

chen wohl bekant/ ein schönes/ gerades und
hohes Gewächs/ welches sich bißweilen in
vier und zwantzig Elen hoch erstrecket. Der
Stamm wird starck und dick/ daß er offt-
mahls im Umbfang zwo Elen/ nach eines
Manns Elenbogen gerechnet/ begreiffet.
Die Rinde ist glatt und schwartz-weiß. Sei-
ne Blätter sind länglicht/ wie die Nespeln/
ohne daß sie härter/ breiter/ und rings
umbher zerkerfft sind. Die Blühte ist weiß/
der Birn-und Nespeln-Blum nicht unähn-
lich/ fünff blättig/ sie ereignet sich zeitlich
in dem Frühling/ in derselben stecket ein klei-
nes Knöpflein/ so der Anfang der folgenden
Frucht ist: wenn es nun in der Blühte Käl-
te oder langwirige Nässe gibet/ so verdirbet
und erschwartzet sie. Dannenhero kan man
noch in währender Blühte sehen/ ob die Kir-
schen gerahten werden oder nicht? Sind be-
meldte Knöpflein grün/ so ist Hoffnung vie-
ler Früchte/ wenn sie aber schwartz/ so wach-
set entweder wenig oder gar nichts. Wenn
die Knöpflein in der Blühte frisch und grün
geblieben/ so wachset sie geschwind/ und
wirffet allgemach die Blühte von sich. Die
Zeitigung folget im Brach-und Hewmonat.
Das Häutlein der zeitigen Kirschen ist zart/
das Fleisch weich/ safftig und süß/ der Stein
hart/ und der darinn ligende Kern bitterlicht.

Die Gattungen der Kirschen sind under-Under-
scheid der
süssen Kir-
schen.

schiedlich/ grün/ braun/ schwartz/ gelb/
weiß/ roth/ roth und gelb zugleich/ etliche
klein/ andere groß/ als da sind die Ungari-
sche/ Welsche und Spanische Kirschen.
Nach der äusserlichen Gestalt oder Form
werden sie auch benamset/ denn etliche sind
rund/ etliche länglicht/ etliche geformieret
wie ein Hertz. Wer seine Kirschenbäume
mit peltzen zu verbesseren begehret/ der trach-
te nach den grösten/ und denen/ so am ehe-
sten zeitigen/ so kan er deren Früchten bald
geniessen.

Dem besten Grund streben die Kirschbäu-Stelle die-
ser Kirschen.

me nicht nach/ sondern sind mit geringen
oder gemeinen Boden zu frieden/ wenn nur
derselbe feucht ist. Sie kommen auch auff
Hügeln und Bergen wohl fort/ weil sie die
Höhe sonderlich lieben. Frischer Lufft ist
ihnen auch nicht zuwider/ darumb man sie
gar wohl gegen Mitternacht setzen kan/ denn
sie mögen den Nordwind gar wohl leyden/
und ohne Schaden in demselben überwin-
tern.

Weil die Kirschbäume mit ihren GipflenWas bey
ihrem
Wachs-
thumb zu
thun.

so hoch auffzuschiessen pflegen/ daß man
deroselben Früchte nicht wohl habhafft wer-
den kan/ so ist es thunlich/ daß man ihnen
die Gipffel zeitlich außschneide/ so breiten sie
sich fein auß/ und tragen desto mehr Früch-
te/ welche man bequem abnehmen kan. Da
hingegen auff den hohen Kirschbäumen die

Früch-
K 2

Von den Baum-und Staud-Gewaͤchſen.
[Spaltenumbruch] [Abbildung] Kirſchenbaum. Ceraſus.
Lateiniſch/ Ceraſa. Jtaliaͤniſch/ Ciregie.
Frantzoͤſiſch/ Ceriſe. Spaniſch/ Cuinda.
Engliſch/ Chery. Daͤniſch/ Kirſeboer.
Niderlaͤndiſch/ Krieken.

Geſchlecht und Geſtalt.

Demnach ich befunden/ daß Herꝛ Wolff-
gang Jacob Duͤmler/ vor allen andern die
Kirſchen am zierlichſten beſchrieben/ habe
ich nicht underlaſſen ſollen/ ihre artliche
Beſchreibung auß ſeinem ſchoͤnen Baum-
und Obſtgarten hieher zu ſetzen.

Woher der
Namen
Ceraſus.

Jns gemein wird darfuͤr gehalten: Der
Kirſchbaum werde von den Lateinern da-
rumb Ceraſus geheiſſen/ weil er von der Statt
Ceraſunt/ in der Pontiſchen Landſchafft ge-
legen/ durch den ſtreittbahren Roͤmer/ Lu-
cium Lucullum,
in Jtalien gebracht worden/
als Athenæus anzeiget. Aber weil in Jta-
lja die Kirſchenbaͤume nicht nur in den Gaͤr-
ten/ ſondern hin und wider in den Waͤldern
von ſich ſelbſt wachſen; auch Diphilus Siphi-
nius,
ein fuͤrtreflicher Artzt/ welcher zu Zei-
ten Lyſimachi, des groſſen Alexandri Nach-
folgers/ gelebet/ allbereit ſchon der Kirſchen
gedacht/ als kan man der gemeinen Muth-
maſſung nicht Beyfall geben.

Jn den Nuͤrenbergiſchen Gaͤrten/ und
an anderen Orten des Teutſchlands/ wer-
den meiſtentheils gefunden Kirſchbaͤume mit
einfacher und gefuͤllter Bluͤhte. Die mit
ſchlechten und einfachen Blumen bluͤhen/
ſind ſehr fruchtbar/ die aber gefuͤllte Blu-
men haben/ bringen wenig Fruͤchte/ denn
die gefuͤllte Blumen nehmen gar zu viel
Krafft hinweg.

Vielerley
Art Kir-
ſchen.

Es werden auch die Kirſchen alſo under-
ſchieden/ daß meiſtentheils nur eine Kirſche
auff einem Stiel waͤchſt/ auch bißweilen
zwo/ drey oder mehr/ an einem Stiel han-
[Spaltenumbruch] gen. Wegen der Farben ereignet ſich auch
ein mercklicher Underſcheid. Denn etliche
ſind roth/ etliche weiß/ etliche ſchwartz/ et-
liche gelb/ etliche roth und gelb zugleich/ et-
liche braun/ etliche purpurfaͤrbig. Am Ge-
ſchmack ſind etliche ſuͤß/ etliche ſaur. Umb
gewiſſer Ordnung willen/ wollen wir von
dreyen Arten ſchreiben: 1. Kirſchen/ 2. A-
marellen/ 3. Weichſel.

I. Ceraſus der Kirſchbaum iſt maͤnnigli-Gemeine[r]
Kirſchen-
baum.

chen wohl bekant/ ein ſchoͤnes/ gerades und
hohes Gewaͤchs/ welches ſich bißweilen in
vier und zwantzig Elen hoch erſtrecket. Der
Stamm wird ſtarck und dick/ daß er offt-
mahls im Umbfang zwo Elen/ nach eines
Manns Elenbogen gerechnet/ begreiffet.
Die Rinde iſt glatt und ſchwartz-weiß. Sei-
ne Blaͤtter ſind laͤnglicht/ wie die Neſpeln/
ohne daß ſie haͤrter/ breiter/ und rings
umbher zerkerfft ſind. Die Bluͤhte iſt weiß/
der Birn-und Neſpeln-Blum nicht unaͤhn-
lich/ fuͤnff blaͤttig/ ſie ereignet ſich zeitlich
in dem Fruͤhling/ in derſelben ſtecket ein klei-
nes Knoͤpflein/ ſo der Anfang der folgenden
Frucht iſt: wenn es nun in der Bluͤhte Kaͤl-
te oder langwirige Naͤſſe gibet/ ſo verdirbet
und erſchwartzet ſie. Dannenhero kan man
noch in waͤhrender Bluͤhte ſehen/ ob die Kir-
ſchen gerahten werden oder nicht? Sind be-
meldte Knoͤpflein gruͤn/ ſo iſt Hoffnung vie-
ler Fruͤchte/ wenn ſie aber ſchwartz/ ſo wach-
ſet entweder wenig oder gar nichts. Wenn
die Knoͤpflein in der Bluͤhte friſch und gruͤn
geblieben/ ſo wachſet ſie geſchwind/ und
wirffet allgemach die Bluͤhte von ſich. Die
Zeitigung folget im Brach-und Hewmonat.
Das Haͤutlein der zeitigen Kirſchen iſt zart/
das Fleiſch weich/ ſafftig und ſuͤß/ der Stein
hart/ und der darinn ligende Kern bitterlicht.

Die Gattungen der Kirſchen ſind under-Under-
ſcheid der
ſuͤſſen Kir-
ſchen.

ſchiedlich/ gruͤn/ braun/ ſchwartz/ gelb/
weiß/ roth/ roth und gelb zugleich/ etliche
klein/ andere groß/ als da ſind die Ungari-
ſche/ Welſche und Spaniſche Kirſchen.
Nach der aͤuſſerlichen Geſtalt oder Form
werden ſie auch benamſet/ denn etliche ſind
rund/ etliche laͤnglicht/ etliche geformieret
wie ein Hertz. Wer ſeine Kirſchenbaͤume
mit peltzen zu verbeſſeren begehret/ der trach-
te nach den groͤſten/ und denen/ ſo am ehe-
ſten zeitigen/ ſo kan er deren Fruͤchten bald
genieſſen.

Dem beſten Grund ſtreben die Kirſchbaͤu-Stelle die-
ſer Kirſchẽ.

me nicht nach/ ſondern ſind mit geringen
oder gemeinen Boden zu frieden/ wenn nur
derſelbe feucht iſt. Sie kommen auch auff
Huͤgeln und Bergen wohl fort/ weil ſie die
Hoͤhe ſonderlich lieben. Friſcher Lufft iſt
ihnen auch nicht zuwider/ darumb man ſie
gar wohl gegen Mitternacht ſetzen kan/ denn
ſie moͤgen den Nordwind gar wohl leyden/
und ohne Schaden in demſelben uͤberwin-
tern.

Weil die Kirſchbaͤume mit ihren GipflenWas bey
ihrem
Wachs-
thumb zu
thun.

ſo hoch auffzuſchieſſen pflegen/ daß man
deroſelben Fruͤchte nicht wohl habhafft wer-
den kan/ ſo iſt es thunlich/ daß man ihnen
die Gipffel zeitlich außſchneide/ ſo breiten ſie
ſich fein auß/ und tragen deſto mehr Fruͤch-
te/ welche man bequem abnehmen kan. Da
hingegen auff den hohen Kirſchbaͤumen die

Fruͤch-
K 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von den Baum-und Staud-Gewa&#x0364;ch&#x017F;en.</hi></fw><lb/><cb/><figure><head><hi rendition="#c"><hi rendition="#fr">Kir&#x017F;chenbaum.</hi><hi rendition="#aq">Cera&#x017F;us.</hi></hi></head><lb/></figure> Lateini&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Cera&#x017F;a.</hi> Jtalia&#x0364;ni&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Ciregie.</hi><lb/>
Frantzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Ceri&#x017F;e.</hi> Spani&#x017F;ch/ <hi rendition="#aq">Cuinda.</hi><lb/>
Engli&#x017F;ch/ Chery. Da&#x0364;ni&#x017F;ch/ Kir&#x017F;eboer.<lb/>
Niderla&#x0364;ndi&#x017F;ch/ Krieken.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Ge&#x017F;chlecht und Ge&#x017F;talt.</hi> </head><lb/>
            <p>Demnach ich befunden/ daß Her&#xA75B; Wolff-<lb/>
gang Jacob Du&#x0364;mler/ vor allen andern die<lb/>
Kir&#x017F;chen am zierlich&#x017F;ten be&#x017F;chrieben/ habe<lb/>
ich nicht underla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen/ ihre artliche<lb/>
Be&#x017F;chreibung auß &#x017F;einem &#x017F;cho&#x0364;nen Baum-<lb/>
und Ob&#x017F;tgarten hieher zu &#x017F;etzen.</p><lb/>
            <note place="left">Woher der<lb/>
Namen<lb/><hi rendition="#aq">Cera&#x017F;us.</hi></note>
            <p>Jns gemein wird darfu&#x0364;r gehalten: Der<lb/>
Kir&#x017F;chbaum werde von den Lateinern da-<lb/>
rumb <hi rendition="#aq">Cera&#x017F;us</hi> gehei&#x017F;&#x017F;en/ weil er von der Statt<lb/>
Cera&#x017F;unt/ in der Ponti&#x017F;chen Land&#x017F;chafft ge-<lb/>
legen/ durch den &#x017F;treittbahren Ro&#x0364;mer/ <hi rendition="#aq">Lu-<lb/>
cium Lucullum,</hi> in Jtalien gebracht worden/<lb/>
als <hi rendition="#aq">Athenæus</hi> anzeiget. Aber weil in Jta-<lb/>
lja die Kir&#x017F;chenba&#x0364;ume nicht nur in den Ga&#x0364;r-<lb/>
ten/ &#x017F;ondern hin und wider in den Wa&#x0364;ldern<lb/>
von &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t wach&#x017F;en; auch <hi rendition="#aq">Diphilus Siphi-<lb/>
nius,</hi> ein fu&#x0364;rtreflicher Artzt/ welcher zu Zei-<lb/>
ten <hi rendition="#aq">Ly&#x017F;imachi,</hi> des gro&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">Alexandri</hi> Nach-<lb/>
folgers/ gelebet/ allbereit &#x017F;chon der Kir&#x017F;chen<lb/>
gedacht/ als kan man der gemeinen Muth-<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;ung nicht Beyfall geben.</p><lb/>
            <p>Jn den Nu&#x0364;renbergi&#x017F;chen Ga&#x0364;rten/ und<lb/>
an anderen Orten des Teut&#x017F;chlands/ wer-<lb/>
den mei&#x017F;tentheils gefunden Kir&#x017F;chba&#x0364;ume mit<lb/>
einfacher und gefu&#x0364;llter Blu&#x0364;hte. Die mit<lb/>
&#x017F;chlechten und einfachen Blumen blu&#x0364;hen/<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ehr fruchtbar/ die aber gefu&#x0364;llte Blu-<lb/>
men haben/ bringen wenig Fru&#x0364;chte/ denn<lb/>
die gefu&#x0364;llte Blumen nehmen gar zu viel<lb/>
Krafft hinweg.</p><lb/>
            <note place="left">Vielerley<lb/>
Art Kir-<lb/>
&#x017F;chen.</note>
            <p>Es werden auch die Kir&#x017F;chen al&#x017F;o under-<lb/>
&#x017F;chieden/ daß mei&#x017F;tentheils nur eine Kir&#x017F;che<lb/>
auff einem Stiel wa&#x0364;ch&#x017F;t/ auch bißweilen<lb/>
zwo/ drey oder mehr/ an einem Stiel han-<lb/><cb/>
gen. Wegen der Farben ereignet &#x017F;ich auch<lb/>
ein mercklicher Under&#x017F;cheid. Denn etliche<lb/>
&#x017F;ind roth/ etliche weiß/ etliche &#x017F;chwartz/ et-<lb/>
liche gelb/ etliche roth und gelb zugleich/ et-<lb/>
liche braun/ etliche purpurfa&#x0364;rbig. Am Ge-<lb/>
&#x017F;chmack &#x017F;ind etliche &#x017F;u&#x0364;ß/ etliche &#x017F;aur. Umb<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;er Ordnung willen/ wollen wir von<lb/>
dreyen Arten &#x017F;chreiben: 1. Kir&#x017F;chen/ 2. A-<lb/>
marellen/ 3. Weich&#x017F;el.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I. Cera&#x017F;us</hi> der Kir&#x017F;chbaum i&#x017F;t ma&#x0364;nnigli-<note place="right">Gemeine<supplied>r</supplied><lb/>
Kir&#x017F;chen-<lb/>
baum.</note><lb/>
chen wohl bekant/ ein &#x017F;cho&#x0364;nes/ gerades und<lb/>
hohes Gewa&#x0364;chs/ welches &#x017F;ich bißweilen in<lb/>
vier und zwantzig Elen hoch er&#x017F;trecket. Der<lb/>
Stamm wird &#x017F;tarck und dick/ daß er offt-<lb/>
mahls im Umbfang zwo Elen/ nach eines<lb/>
Manns Elenbogen gerechnet/ begreiffet.<lb/>
Die Rinde i&#x017F;t glatt und &#x017F;chwartz-weiß. Sei-<lb/>
ne Bla&#x0364;tter &#x017F;ind la&#x0364;nglicht/ wie die Ne&#x017F;peln/<lb/>
ohne daß &#x017F;ie ha&#x0364;rter/ breiter/ und rings<lb/>
umbher zerkerfft &#x017F;ind. Die Blu&#x0364;hte i&#x017F;t weiß/<lb/>
der Birn-und Ne&#x017F;peln-Blum nicht una&#x0364;hn-<lb/>
lich/ fu&#x0364;nff bla&#x0364;ttig/ &#x017F;ie ereignet &#x017F;ich zeitlich<lb/>
in dem Fru&#x0364;hling/ in der&#x017F;elben &#x017F;tecket ein klei-<lb/>
nes Kno&#x0364;pflein/ &#x017F;o der Anfang der folgenden<lb/>
Frucht i&#x017F;t: wenn es nun in der Blu&#x0364;hte Ka&#x0364;l-<lb/>
te oder langwirige Na&#x0364;&#x017F;&#x017F;e gibet/ &#x017F;o verdirbet<lb/>
und er&#x017F;chwartzet &#x017F;ie. Dannenhero kan man<lb/>
noch in wa&#x0364;hrender Blu&#x0364;hte &#x017F;ehen/ ob die Kir-<lb/>
&#x017F;chen gerahten werden oder nicht? Sind be-<lb/>
meldte Kno&#x0364;pflein gru&#x0364;n/ &#x017F;o i&#x017F;t Hoffnung vie-<lb/>
ler Fru&#x0364;chte/ wenn &#x017F;ie aber &#x017F;chwartz/ &#x017F;o wach-<lb/>
&#x017F;et entweder wenig oder gar nichts. Wenn<lb/>
die Kno&#x0364;pflein in der Blu&#x0364;hte fri&#x017F;ch und gru&#x0364;n<lb/>
geblieben/ &#x017F;o wach&#x017F;et &#x017F;ie ge&#x017F;chwind/ und<lb/>
wirffet allgemach die Blu&#x0364;hte von &#x017F;ich. Die<lb/>
Zeitigung folget im Brach-und Hewmonat.<lb/>
Das Ha&#x0364;utlein der zeitigen Kir&#x017F;chen i&#x017F;t zart/<lb/>
das Flei&#x017F;ch weich/ &#x017F;afftig und &#x017F;u&#x0364;ß/ der Stein<lb/>
hart/ und der darinn ligende Kern bitterlicht.</p><lb/>
            <p>Die Gattungen der Kir&#x017F;chen &#x017F;ind under-<note place="right">Under-<lb/>
&#x017F;cheid der<lb/>
&#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Kir-<lb/>
&#x017F;chen.</note><lb/>
&#x017F;chiedlich/ gru&#x0364;n/ braun/ &#x017F;chwartz/ gelb/<lb/>
weiß/ roth/ roth und gelb zugleich/ etliche<lb/>
klein/ andere groß/ als da &#x017F;ind die Ungari-<lb/>
&#x017F;che/ Wel&#x017F;che und Spani&#x017F;che Kir&#x017F;chen.<lb/>
Nach der a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Ge&#x017F;talt oder Form<lb/>
werden &#x017F;ie auch benam&#x017F;et/ denn etliche &#x017F;ind<lb/>
rund/ etliche la&#x0364;nglicht/ etliche geformieret<lb/>
wie ein Hertz. Wer &#x017F;eine Kir&#x017F;chenba&#x0364;ume<lb/>
mit peltzen zu verbe&#x017F;&#x017F;eren begehret/ der trach-<lb/>
te nach den gro&#x0364;&#x017F;ten/ und denen/ &#x017F;o am ehe-<lb/>
&#x017F;ten zeitigen/ &#x017F;o kan er deren Fru&#x0364;chten bald<lb/>
genie&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
            <p>Dem be&#x017F;ten Grund &#x017F;treben die Kir&#x017F;chba&#x0364;u-<note place="right">Stelle die-<lb/>
&#x017F;er Kir&#x017F;ch&#x1EBD;.</note><lb/>
me nicht nach/ &#x017F;ondern &#x017F;ind mit geringen<lb/>
oder gemeinen Boden zu frieden/ wenn nur<lb/>
der&#x017F;elbe feucht i&#x017F;t. Sie kommen auch auff<lb/>
Hu&#x0364;geln und Bergen wohl fort/ weil &#x017F;ie die<lb/>
Ho&#x0364;he &#x017F;onderlich lieben. Fri&#x017F;cher Lufft i&#x017F;t<lb/>
ihnen auch nicht zuwider/ darumb man &#x017F;ie<lb/>
gar wohl gegen Mitternacht &#x017F;etzen kan/ denn<lb/>
&#x017F;ie mo&#x0364;gen den Nordwind gar wohl leyden/<lb/>
und ohne Schaden in dem&#x017F;elben u&#x0364;berwin-<lb/>
tern.</p><lb/>
            <p>Weil die Kir&#x017F;chba&#x0364;ume mit ihren Gipflen<note place="right">Was bey<lb/>
ihrem<lb/>
Wachs-<lb/>
thumb zu<lb/>
thun.</note><lb/>
&#x017F;o hoch auffzu&#x017F;chie&#x017F;&#x017F;en pflegen/ daß man<lb/>
dero&#x017F;elben Fru&#x0364;chte nicht wohl habhafft wer-<lb/>
den kan/ &#x017F;o i&#x017F;t es thunlich/ daß man ihnen<lb/>
die Gipffel zeitlich auß&#x017F;chneide/ &#x017F;o breiten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich fein auß/ und tragen de&#x017F;to mehr Fru&#x0364;ch-<lb/>
te/ welche man bequem abnehmen kan. Da<lb/>
hingegen auff den hohen Kir&#x017F;chba&#x0364;umen die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Fru&#x0364;ch-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0091] Von den Baum-und Staud-Gewaͤchſen. [Abbildung Kirſchenbaum. Ceraſus. ] Lateiniſch/ Ceraſa. Jtaliaͤniſch/ Ciregie. Frantzoͤſiſch/ Ceriſe. Spaniſch/ Cuinda. Engliſch/ Chery. Daͤniſch/ Kirſeboer. Niderlaͤndiſch/ Krieken. Geſchlecht und Geſtalt. Demnach ich befunden/ daß Herꝛ Wolff- gang Jacob Duͤmler/ vor allen andern die Kirſchen am zierlichſten beſchrieben/ habe ich nicht underlaſſen ſollen/ ihre artliche Beſchreibung auß ſeinem ſchoͤnen Baum- und Obſtgarten hieher zu ſetzen. Jns gemein wird darfuͤr gehalten: Der Kirſchbaum werde von den Lateinern da- rumb Ceraſus geheiſſen/ weil er von der Statt Ceraſunt/ in der Pontiſchen Landſchafft ge- legen/ durch den ſtreittbahren Roͤmer/ Lu- cium Lucullum, in Jtalien gebracht worden/ als Athenæus anzeiget. Aber weil in Jta- lja die Kirſchenbaͤume nicht nur in den Gaͤr- ten/ ſondern hin und wider in den Waͤldern von ſich ſelbſt wachſen; auch Diphilus Siphi- nius, ein fuͤrtreflicher Artzt/ welcher zu Zei- ten Lyſimachi, des groſſen Alexandri Nach- folgers/ gelebet/ allbereit ſchon der Kirſchen gedacht/ als kan man der gemeinen Muth- maſſung nicht Beyfall geben. Jn den Nuͤrenbergiſchen Gaͤrten/ und an anderen Orten des Teutſchlands/ wer- den meiſtentheils gefunden Kirſchbaͤume mit einfacher und gefuͤllter Bluͤhte. Die mit ſchlechten und einfachen Blumen bluͤhen/ ſind ſehr fruchtbar/ die aber gefuͤllte Blu- men haben/ bringen wenig Fruͤchte/ denn die gefuͤllte Blumen nehmen gar zu viel Krafft hinweg. Es werden auch die Kirſchen alſo under- ſchieden/ daß meiſtentheils nur eine Kirſche auff einem Stiel waͤchſt/ auch bißweilen zwo/ drey oder mehr/ an einem Stiel han- gen. Wegen der Farben ereignet ſich auch ein mercklicher Underſcheid. Denn etliche ſind roth/ etliche weiß/ etliche ſchwartz/ et- liche gelb/ etliche roth und gelb zugleich/ et- liche braun/ etliche purpurfaͤrbig. Am Ge- ſchmack ſind etliche ſuͤß/ etliche ſaur. Umb gewiſſer Ordnung willen/ wollen wir von dreyen Arten ſchreiben: 1. Kirſchen/ 2. A- marellen/ 3. Weichſel. I. Ceraſus der Kirſchbaum iſt maͤnnigli- chen wohl bekant/ ein ſchoͤnes/ gerades und hohes Gewaͤchs/ welches ſich bißweilen in vier und zwantzig Elen hoch erſtrecket. Der Stamm wird ſtarck und dick/ daß er offt- mahls im Umbfang zwo Elen/ nach eines Manns Elenbogen gerechnet/ begreiffet. Die Rinde iſt glatt und ſchwartz-weiß. Sei- ne Blaͤtter ſind laͤnglicht/ wie die Neſpeln/ ohne daß ſie haͤrter/ breiter/ und rings umbher zerkerfft ſind. Die Bluͤhte iſt weiß/ der Birn-und Neſpeln-Blum nicht unaͤhn- lich/ fuͤnff blaͤttig/ ſie ereignet ſich zeitlich in dem Fruͤhling/ in derſelben ſtecket ein klei- nes Knoͤpflein/ ſo der Anfang der folgenden Frucht iſt: wenn es nun in der Bluͤhte Kaͤl- te oder langwirige Naͤſſe gibet/ ſo verdirbet und erſchwartzet ſie. Dannenhero kan man noch in waͤhrender Bluͤhte ſehen/ ob die Kir- ſchen gerahten werden oder nicht? Sind be- meldte Knoͤpflein gruͤn/ ſo iſt Hoffnung vie- ler Fruͤchte/ wenn ſie aber ſchwartz/ ſo wach- ſet entweder wenig oder gar nichts. Wenn die Knoͤpflein in der Bluͤhte friſch und gruͤn geblieben/ ſo wachſet ſie geſchwind/ und wirffet allgemach die Bluͤhte von ſich. Die Zeitigung folget im Brach-und Hewmonat. Das Haͤutlein der zeitigen Kirſchen iſt zart/ das Fleiſch weich/ ſafftig und ſuͤß/ der Stein hart/ und der darinn ligende Kern bitterlicht. Gemeiner Kirſchen- baum. Die Gattungen der Kirſchen ſind under- ſchiedlich/ gruͤn/ braun/ ſchwartz/ gelb/ weiß/ roth/ roth und gelb zugleich/ etliche klein/ andere groß/ als da ſind die Ungari- ſche/ Welſche und Spaniſche Kirſchen. Nach der aͤuſſerlichen Geſtalt oder Form werden ſie auch benamſet/ denn etliche ſind rund/ etliche laͤnglicht/ etliche geformieret wie ein Hertz. Wer ſeine Kirſchenbaͤume mit peltzen zu verbeſſeren begehret/ der trach- te nach den groͤſten/ und denen/ ſo am ehe- ſten zeitigen/ ſo kan er deren Fruͤchten bald genieſſen. Under- ſcheid der ſuͤſſen Kir- ſchen. Dem beſten Grund ſtreben die Kirſchbaͤu- me nicht nach/ ſondern ſind mit geringen oder gemeinen Boden zu frieden/ wenn nur derſelbe feucht iſt. Sie kommen auch auff Huͤgeln und Bergen wohl fort/ weil ſie die Hoͤhe ſonderlich lieben. Friſcher Lufft iſt ihnen auch nicht zuwider/ darumb man ſie gar wohl gegen Mitternacht ſetzen kan/ denn ſie moͤgen den Nordwind gar wohl leyden/ und ohne Schaden in demſelben uͤberwin- tern. Stelle die- ſer Kirſchẽ. Weil die Kirſchbaͤume mit ihren Gipflen ſo hoch auffzuſchieſſen pflegen/ daß man deroſelben Fruͤchte nicht wohl habhafft wer- den kan/ ſo iſt es thunlich/ daß man ihnen die Gipffel zeitlich außſchneide/ ſo breiten ſie ſich fein auß/ und tragen deſto mehr Fruͤch- te/ welche man bequem abnehmen kan. Da hingegen auff den hohen Kirſchbaͤumen die Fruͤch- Was bey ihrem Wachs- thumb zu thun. K 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/91
Zitationshilfe: Mattioli, Pietro Andrea: Theatrvm Botanicvm, Das ist: Neu Vollkommenes Kräuter-Buch (Übers. Theodor Zwinger). Basel, 1690, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zwinger_theatrum_1690/91>, abgerufen am 21.11.2024.