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Allgemeine Zeitung. Nr. 143. Augsburg, 22. Mai 1840.

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zwischen böhmischen Priestern und krakauischen Akademikern. Die Priester sprachen böhmisch, die Akademiker antworteten ihnen polnisch, und der anwesende Jagello hörte zu und entschied ihren Streit. Die Böhmen haben Eine Sprache mit uns, sagte sein Sohn rühmlichen Andenkens, und als im Jahr 1471 die böhmischen Gesandten seinen Neffen auf den Thron beriefen, hielt dieser statt des damals in solchen Fällen gebräuchlichen Lateinischen eine polnische Rede an sie und rührte die Anwesenden bis zu Thränen.

"Noch im Anfange des 17ten Jahrhunderts gab ein polnischer Schriftsteller, Paprocki, seine geschätzten Werke in böhmischer Sprache heraus, zum Beweise, daß ihm der böhmische Dialekt geläufig war, und es ihm nicht schwer fiel, in demselben zu schreiben, und viele gebildete Böhmen liefern noch heute den Beweis, daß sie mit leichter Mühe gut polnisch schreiben können.

"Wenn wir diese und ähnliche Details in Erwägung ziehen, müssen wir bekennen, daß eine seltsame Fatalität die Verschmelzung dieser beiden Litteraturen hinderte. Dieß Hinderniß hat gewiß nicht seinen Grund in dem Mangel einer gemeinsamen Geschichte; der Correspondent selbst erkennt dieß nicht als eine unentbehrliche Bedingung an, und die Litteratur der deutschen Stämme bestätigt dieß. Eher kann man annehmen, die Veranlassung sey jene kleinliche Eigenliebe gewesen, gegen welche der Correspondent nur schwach auftritt. Aber sollte diese jetzt, nach so vielen bittern Erfahrungen, noch das Uebergewicht haben? Oder soll der Slave mit seiner praktischen Richtung nicht diese Einsicht benützen, welche ihm die Vergangenheit, jedem durch seine besondern Unfälle, klar bezeichnet hat? Schön ist der Eifer, mit dem die Böhmen an der Wiederbelebung ihrer seit zwei Jahrhunderten erstorbenen Litteratur arbeiten, aber sind die Hindernisse zu bewältigen, auf welche diese Bemühungen bei den Nordungarn und bei den Böhmen selbst stoßen? Wir wollen ihre schönen Träume nicht zerstören, aber unserer Ansicht nach liegt die Grundlage des Wiedererstehens einer Litteratur in einem öffentlichen Leben, das dieselbe hervorrufen kann und will. Das in Ungarn mögliche öffentliche Leben ist nicht slavisch, selbst in Böhmen ist es dieß nur theilweise, und in diesem Theile hat es einen mächtigen Rivalen am Deutschen. Und gerade aus diesem Grunde wohl sehen wir einige böhmische Meisterwerke in der todten lateinischen oder in der deutschen Sprache geschrieben, wodurch die Nationallitteratur der ausgezeichnetsten Werke verlustig geht. Mit Vergnügen vernehmen wir und glauben gerne, was der Correspondent von den Vorzügen der böhmischen Litteratur sagt, aber wäre es ein Nachtheil, wenn so viele slavische Vorzüge in eine Sprache gegossen würden, deren ihre Väter sich bei ihren frühesten Anfängen bedienten, und welche eine gemeinsame Schriftsprache wäre?

"In dieser Lage befinden sich gegenwärtig die gelehrten Bemühungen der Böhmen. Welchen Weg der eingeborne Genius der Nation einschlagen wird, das muß die Zukunft zeigen. Wir wollten nur dem geachteten Correspondenten den Beweis liefern, daß seine Worte uns nicht gleichgültig waren."

Spanien.

Eine Handvoll Anarchisten hat auf eine recht praktische Weise die Folgen darthun wollen, zu denen der durch die Constitution, welche dieses Land beglücken soll, aufgestellte Satz von der Volkssouveränität nothwendig führen muß. Seit dem 1 d. erschien hier ein Tagblatt unter dem Titel "die Revolution", in deren erster Nummer der Satz aufgestellt wurde: "die Redactoren der Revolution achten und beobachten die Constitution von 1837, so lange das Volk sie will; sobald das Volk sie zurückweist und durch etwas Anderes ersetzt, wird es ihnen nicht schwer fallen, das unvollkommene Werk einer Partei, die ihre Grundsätze abschwor, um sie aufzustellen, zu vergessen." Zugleich wiesen die Redactoren Leute wie Caballero und Lopez, als zu gemäßigt gesinnte, von sich zurück. Ihr wahrer Plan bestand darin, bei der Feier des zweiten Mai's eine blutige Insurrection zu bewirken, den Generalinspector der Nationalmiliz zu ermorden und ein neues Ministerium einzusetzen, als dessen Präsidenten man, gewiß sehr gegen sein Vorwissen, den Herzog v. Saragossa, Palafor, bezeichnete. Diesem würde man einen bekannten Diplomaten, der sich als schlechten politischen Propheten bewährt hat, als Unterstaatssecretär beigegeben haben. Die Hauptperson des Ministeriums aber sollte einer der Redactoren der "Revolution" selbst, der General Don Pedro Mendez Vigo, seyn, der 1823 mehr als 50 unschuldige Personen in Corunda ersäufen ließ. Zu diesem Behuf hatte man einen Theil der in der Umgegend von Madrid kantonnirenden, gegen Beteta bestimmten Truppen bearbeitet, und dasjenige Bataillon der Nationalmiliz, in welchem der bei der Emeute vom 24 Febr. getödtete Palacios gedient hatte, gewonnen. Allein das Ministerium kannte die Verschwörer; in der Nacht vom 1 wurden mehrere derselben verhaftet, andere hielten sich verborgen, und der 2 Mai ging ruhig und ungestört vorüber. Die revolutionäre Presse fuhr darauf mit verdoppelter Frechheit fort. Die vorgestrige Nummer der "Revolution" enthielt unter Anderm folgende Zeilen: "Wenn Isabelle II in Spanien regiert, so geschieht dieß nicht, kraft eines von ihrem unwürdigen Vater oder dessen Vorfahren übermachten eigenen Rechtes. Sie regiert kraft des Willens der Spanier, kraft eines Artikels der Constitution, der sie als Königin von Spanien anerkennt. Hätten die Spanier sie nicht als solche anerkennen wollen, so würde sie weder factisch noch de jure regieren; wenn die Spanier morgen erklärten, es sey ihr Wille, daß sie nicht länger regiere, so würde sie factisch und de jure mit jenem Augenblick aufhören zu regieren; und wenn sie, auf fremde Bajonnette gestützt, oder durch irgend ein anderes Mittel, sich auf dem Thron erhalten könnte, so würde sie nur eine unrechtmäßige Thronräuberin und jedes Mittel, um sie zu stürzen, gerecht seyn. Wenn das spanische Volk morgen den Thron umstürzte und an seine Stelle eine andere Regierung errichtete, so würde es gerecht und gesetzmäßig handeln, denn seine Souveränität hat keine andere Gränze als seinen Willen" u. s. w. Die Verfasser dieses Grundsatzes müssen natürlich zugeben, daß, wenn es (wie vielleicht bald geschehen dürfte) dem spanischen Volk einfällt, in einer unumschränkten Regierungsform das Mittel zu erblicken, sich der Tyrannei der Narren und Schurken zu entledigen, es nur dem in der Constitution von 1837 aufgestellten Grundsatz von der Volkssouveränität gemäß handelt. Die Minister glaubten indessen in Folge jenes Artikels einen entscheidenden Schritt thun zu müssen, und verlasen gestern in beiden Kammern folgende Mittheilung: "In Betracht der die gesellschaftliche Ordnung beeinträchtigenden revolutionären Grundsätze, welche das Tagblatt "die Revolution" predigt, so wie auch des dadurch veranlaßten Anstoßes, den die Gesetzgebung über die Presse nicht zu unterdrücken vermag, hat Ihre Maj. in Uebereinstimmung mit dem Antrage des Ministerrathes die Unterdrückung des erwähnten Tagblattes zu verfügen und darüber den Cortes Rechenschaft abzulegen geruht." Im Senat wurde dieß mit lautem Beifall vernommen; der Congreß verwies die Mittheilung an eine Commission.

zwischen böhmischen Priestern und krakauischen Akademikern. Die Priester sprachen böhmisch, die Akademiker antworteten ihnen polnisch, und der anwesende Jagello hörte zu und entschied ihren Streit. Die Böhmen haben Eine Sprache mit uns, sagte sein Sohn rühmlichen Andenkens, und als im Jahr 1471 die böhmischen Gesandten seinen Neffen auf den Thron beriefen, hielt dieser statt des damals in solchen Fällen gebräuchlichen Lateinischen eine polnische Rede an sie und rührte die Anwesenden bis zu Thränen.

„Noch im Anfange des 17ten Jahrhunderts gab ein polnischer Schriftsteller, Paprocki, seine geschätzten Werke in böhmischer Sprache heraus, zum Beweise, daß ihm der böhmische Dialekt geläufig war, und es ihm nicht schwer fiel, in demselben zu schreiben, und viele gebildete Böhmen liefern noch heute den Beweis, daß sie mit leichter Mühe gut polnisch schreiben können.

„Wenn wir diese und ähnliche Details in Erwägung ziehen, müssen wir bekennen, daß eine seltsame Fatalität die Verschmelzung dieser beiden Litteraturen hinderte. Dieß Hinderniß hat gewiß nicht seinen Grund in dem Mangel einer gemeinsamen Geschichte; der Correspondent selbst erkennt dieß nicht als eine unentbehrliche Bedingung an, und die Litteratur der deutschen Stämme bestätigt dieß. Eher kann man annehmen, die Veranlassung sey jene kleinliche Eigenliebe gewesen, gegen welche der Correspondent nur schwach auftritt. Aber sollte diese jetzt, nach so vielen bittern Erfahrungen, noch das Uebergewicht haben? Oder soll der Slave mit seiner praktischen Richtung nicht diese Einsicht benützen, welche ihm die Vergangenheit, jedem durch seine besondern Unfälle, klar bezeichnet hat? Schön ist der Eifer, mit dem die Böhmen an der Wiederbelebung ihrer seit zwei Jahrhunderten erstorbenen Litteratur arbeiten, aber sind die Hindernisse zu bewältigen, auf welche diese Bemühungen bei den Nordungarn und bei den Böhmen selbst stoßen? Wir wollen ihre schönen Träume nicht zerstören, aber unserer Ansicht nach liegt die Grundlage des Wiedererstehens einer Litteratur in einem öffentlichen Leben, das dieselbe hervorrufen kann und will. Das in Ungarn mögliche öffentliche Leben ist nicht slavisch, selbst in Böhmen ist es dieß nur theilweise, und in diesem Theile hat es einen mächtigen Rivalen am Deutschen. Und gerade aus diesem Grunde wohl sehen wir einige böhmische Meisterwerke in der todten lateinischen oder in der deutschen Sprache geschrieben, wodurch die Nationallitteratur der ausgezeichnetsten Werke verlustig geht. Mit Vergnügen vernehmen wir und glauben gerne, was der Correspondent von den Vorzügen der böhmischen Litteratur sagt, aber wäre es ein Nachtheil, wenn so viele slavische Vorzüge in eine Sprache gegossen würden, deren ihre Väter sich bei ihren frühesten Anfängen bedienten, und welche eine gemeinsame Schriftsprache wäre?

„In dieser Lage befinden sich gegenwärtig die gelehrten Bemühungen der Böhmen. Welchen Weg der eingeborne Genius der Nation einschlagen wird, das muß die Zukunft zeigen. Wir wollten nur dem geachteten Correspondenten den Beweis liefern, daß seine Worte uns nicht gleichgültig waren.“

Spanien.

Eine Handvoll Anarchisten hat auf eine recht praktische Weise die Folgen darthun wollen, zu denen der durch die Constitution, welche dieses Land beglücken soll, aufgestellte Satz von der Volkssouveränität nothwendig führen muß. Seit dem 1 d. erschien hier ein Tagblatt unter dem Titel „die Revolution“, in deren erster Nummer der Satz aufgestellt wurde: „die Redactoren der Revolution achten und beobachten die Constitution von 1837, so lange das Volk sie will; sobald das Volk sie zurückweist und durch etwas Anderes ersetzt, wird es ihnen nicht schwer fallen, das unvollkommene Werk einer Partei, die ihre Grundsätze abschwor, um sie aufzustellen, zu vergessen.“ Zugleich wiesen die Redactoren Leute wie Caballero und Lopez, als zu gemäßigt gesinnte, von sich zurück. Ihr wahrer Plan bestand darin, bei der Feier des zweiten Mai's eine blutige Insurrection zu bewirken, den Generalinspector der Nationalmiliz zu ermorden und ein neues Ministerium einzusetzen, als dessen Präsidenten man, gewiß sehr gegen sein Vorwissen, den Herzog v. Saragossa, Palafor, bezeichnete. Diesem würde man einen bekannten Diplomaten, der sich als schlechten politischen Propheten bewährt hat, als Unterstaatssecretär beigegeben haben. Die Hauptperson des Ministeriums aber sollte einer der Redactoren der „Revolution“ selbst, der General Don Pedro Mendez Vigo, seyn, der 1823 mehr als 50 unschuldige Personen in Coruña ersäufen ließ. Zu diesem Behuf hatte man einen Theil der in der Umgegend von Madrid kantonnirenden, gegen Beteta bestimmten Truppen bearbeitet, und dasjenige Bataillon der Nationalmiliz, in welchem der bei der Emeute vom 24 Febr. getödtete Palacios gedient hatte, gewonnen. Allein das Ministerium kannte die Verschwörer; in der Nacht vom 1 wurden mehrere derselben verhaftet, andere hielten sich verborgen, und der 2 Mai ging ruhig und ungestört vorüber. Die revolutionäre Presse fuhr darauf mit verdoppelter Frechheit fort. Die vorgestrige Nummer der „Revolution“ enthielt unter Anderm folgende Zeilen: „Wenn Isabelle II in Spanien regiert, so geschieht dieß nicht, kraft eines von ihrem unwürdigen Vater oder dessen Vorfahren übermachten eigenen Rechtes. Sie regiert kraft des Willens der Spanier, kraft eines Artikels der Constitution, der sie als Königin von Spanien anerkennt. Hätten die Spanier sie nicht als solche anerkennen wollen, so würde sie weder factisch noch de jure regieren; wenn die Spanier morgen erklärten, es sey ihr Wille, daß sie nicht länger regiere, so würde sie factisch und de jure mit jenem Augenblick aufhören zu regieren; und wenn sie, auf fremde Bajonnette gestützt, oder durch irgend ein anderes Mittel, sich auf dem Thron erhalten könnte, so würde sie nur eine unrechtmäßige Thronräuberin und jedes Mittel, um sie zu stürzen, gerecht seyn. Wenn das spanische Volk morgen den Thron umstürzte und an seine Stelle eine andere Regierung errichtete, so würde es gerecht und gesetzmäßig handeln, denn seine Souveränität hat keine andere Gränze als seinen Willen“ u. s. w. Die Verfasser dieses Grundsatzes müssen natürlich zugeben, daß, wenn es (wie vielleicht bald geschehen dürfte) dem spanischen Volk einfällt, in einer unumschränkten Regierungsform das Mittel zu erblicken, sich der Tyrannei der Narren und Schurken zu entledigen, es nur dem in der Constitution von 1837 aufgestellten Grundsatz von der Volkssouveränität gemäß handelt. Die Minister glaubten indessen in Folge jenes Artikels einen entscheidenden Schritt thun zu müssen, und verlasen gestern in beiden Kammern folgende Mittheilung: „In Betracht der die gesellschaftliche Ordnung beeinträchtigenden revolutionären Grundsätze, welche das Tagblatt „die Revolution“ predigt, so wie auch des dadurch veranlaßten Anstoßes, den die Gesetzgebung über die Presse nicht zu unterdrücken vermag, hat Ihre Maj. in Uebereinstimmung mit dem Antrage des Ministerrathes die Unterdrückung des erwähnten Tagblattes zu verfügen und darüber den Cortes Rechenschaft abzulegen geruht.“ Im Senat wurde dieß mit lautem Beifall vernommen; der Congreß verwies die Mittheilung an eine Commission.

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[1140/0012] zwischen böhmischen Priestern und krakauischen Akademikern. Die Priester sprachen böhmisch, die Akademiker antworteten ihnen polnisch, und der anwesende Jagello hörte zu und entschied ihren Streit. Die Böhmen haben Eine Sprache mit uns, sagte sein Sohn rühmlichen Andenkens, und als im Jahr 1471 die böhmischen Gesandten seinen Neffen auf den Thron beriefen, hielt dieser statt des damals in solchen Fällen gebräuchlichen Lateinischen eine polnische Rede an sie und rührte die Anwesenden bis zu Thränen. „Noch im Anfange des 17ten Jahrhunderts gab ein polnischer Schriftsteller, Paprocki, seine geschätzten Werke in böhmischer Sprache heraus, zum Beweise, daß ihm der böhmische Dialekt geläufig war, und es ihm nicht schwer fiel, in demselben zu schreiben, und viele gebildete Böhmen liefern noch heute den Beweis, daß sie mit leichter Mühe gut polnisch schreiben können. „Wenn wir diese und ähnliche Details in Erwägung ziehen, müssen wir bekennen, daß eine seltsame Fatalität die Verschmelzung dieser beiden Litteraturen hinderte. Dieß Hinderniß hat gewiß nicht seinen Grund in dem Mangel einer gemeinsamen Geschichte; der Correspondent selbst erkennt dieß nicht als eine unentbehrliche Bedingung an, und die Litteratur der deutschen Stämme bestätigt dieß. Eher kann man annehmen, die Veranlassung sey jene kleinliche Eigenliebe gewesen, gegen welche der Correspondent nur schwach auftritt. Aber sollte diese jetzt, nach so vielen bittern Erfahrungen, noch das Uebergewicht haben? Oder soll der Slave mit seiner praktischen Richtung nicht diese Einsicht benützen, welche ihm die Vergangenheit, jedem durch seine besondern Unfälle, klar bezeichnet hat? Schön ist der Eifer, mit dem die Böhmen an der Wiederbelebung ihrer seit zwei Jahrhunderten erstorbenen Litteratur arbeiten, aber sind die Hindernisse zu bewältigen, auf welche diese Bemühungen bei den Nordungarn und bei den Böhmen selbst stoßen? Wir wollen ihre schönen Träume nicht zerstören, aber unserer Ansicht nach liegt die Grundlage des Wiedererstehens einer Litteratur in einem öffentlichen Leben, das dieselbe hervorrufen kann und will. Das in Ungarn mögliche öffentliche Leben ist nicht slavisch, selbst in Böhmen ist es dieß nur theilweise, und in diesem Theile hat es einen mächtigen Rivalen am Deutschen. Und gerade aus diesem Grunde wohl sehen wir einige böhmische Meisterwerke in der todten lateinischen oder in der deutschen Sprache geschrieben, wodurch die Nationallitteratur der ausgezeichnetsten Werke verlustig geht. Mit Vergnügen vernehmen wir und glauben gerne, was der Correspondent von den Vorzügen der böhmischen Litteratur sagt, aber wäre es ein Nachtheil, wenn so viele slavische Vorzüge in eine Sprache gegossen würden, deren ihre Väter sich bei ihren frühesten Anfängen bedienten, und welche eine gemeinsame Schriftsprache wäre? „In dieser Lage befinden sich gegenwärtig die gelehrten Bemühungen der Böhmen. Welchen Weg der eingeborne Genius der Nation einschlagen wird, das muß die Zukunft zeigen. Wir wollten nur dem geachteten Correspondenten den Beweis liefern, daß seine Worte uns nicht gleichgültig waren.“ Spanien. _ Madrid, 8 Mai. Eine Handvoll Anarchisten hat auf eine recht praktische Weise die Folgen darthun wollen, zu denen der durch die Constitution, welche dieses Land beglücken soll, aufgestellte Satz von der Volkssouveränität nothwendig führen muß. Seit dem 1 d. erschien hier ein Tagblatt unter dem Titel „die Revolution“, in deren erster Nummer der Satz aufgestellt wurde: „die Redactoren der Revolution achten und beobachten die Constitution von 1837, so lange das Volk sie will; sobald das Volk sie zurückweist und durch etwas Anderes ersetzt, wird es ihnen nicht schwer fallen, das unvollkommene Werk einer Partei, die ihre Grundsätze abschwor, um sie aufzustellen, zu vergessen.“ Zugleich wiesen die Redactoren Leute wie Caballero und Lopez, als zu gemäßigt gesinnte, von sich zurück. Ihr wahrer Plan bestand darin, bei der Feier des zweiten Mai's eine blutige Insurrection zu bewirken, den Generalinspector der Nationalmiliz zu ermorden und ein neues Ministerium einzusetzen, als dessen Präsidenten man, gewiß sehr gegen sein Vorwissen, den Herzog v. Saragossa, Palafor, bezeichnete. Diesem würde man einen bekannten Diplomaten, der sich als schlechten politischen Propheten bewährt hat, als Unterstaatssecretär beigegeben haben. Die Hauptperson des Ministeriums aber sollte einer der Redactoren der „Revolution“ selbst, der General Don Pedro Mendez Vigo, seyn, der 1823 mehr als 50 unschuldige Personen in Coruña ersäufen ließ. Zu diesem Behuf hatte man einen Theil der in der Umgegend von Madrid kantonnirenden, gegen Beteta bestimmten Truppen bearbeitet, und dasjenige Bataillon der Nationalmiliz, in welchem der bei der Emeute vom 24 Febr. getödtete Palacios gedient hatte, gewonnen. Allein das Ministerium kannte die Verschwörer; in der Nacht vom 1 wurden mehrere derselben verhaftet, andere hielten sich verborgen, und der 2 Mai ging ruhig und ungestört vorüber. Die revolutionäre Presse fuhr darauf mit verdoppelter Frechheit fort. Die vorgestrige Nummer der „Revolution“ enthielt unter Anderm folgende Zeilen: „Wenn Isabelle II in Spanien regiert, so geschieht dieß nicht, kraft eines von ihrem unwürdigen Vater oder dessen Vorfahren übermachten eigenen Rechtes. Sie regiert kraft des Willens der Spanier, kraft eines Artikels der Constitution, der sie als Königin von Spanien anerkennt. Hätten die Spanier sie nicht als solche anerkennen wollen, so würde sie weder factisch noch de jure regieren; wenn die Spanier morgen erklärten, es sey ihr Wille, daß sie nicht länger regiere, so würde sie factisch und de jure mit jenem Augenblick aufhören zu regieren; und wenn sie, auf fremde Bajonnette gestützt, oder durch irgend ein anderes Mittel, sich auf dem Thron erhalten könnte, so würde sie nur eine unrechtmäßige Thronräuberin und jedes Mittel, um sie zu stürzen, gerecht seyn. Wenn das spanische Volk morgen den Thron umstürzte und an seine Stelle eine andere Regierung errichtete, so würde es gerecht und gesetzmäßig handeln, denn seine Souveränität hat keine andere Gränze als seinen Willen“ u. s. w. Die Verfasser dieses Grundsatzes müssen natürlich zugeben, daß, wenn es (wie vielleicht bald geschehen dürfte) dem spanischen Volk einfällt, in einer unumschränkten Regierungsform das Mittel zu erblicken, sich der Tyrannei der Narren und Schurken zu entledigen, es nur dem in der Constitution von 1837 aufgestellten Grundsatz von der Volkssouveränität gemäß handelt. Die Minister glaubten indessen in Folge jenes Artikels einen entscheidenden Schritt thun zu müssen, und verlasen gestern in beiden Kammern folgende Mittheilung: „In Betracht der die gesellschaftliche Ordnung beeinträchtigenden revolutionären Grundsätze, welche das Tagblatt „die Revolution“ predigt, so wie auch des dadurch veranlaßten Anstoßes, den die Gesetzgebung über die Presse nicht zu unterdrücken vermag, hat Ihre Maj. in Uebereinstimmung mit dem Antrage des Ministerrathes die Unterdrückung des erwähnten Tagblattes zu verfügen und darüber den Cortes Rechenschaft abzulegen geruht.“ Im Senat wurde dieß mit lautem Beifall vernommen; der Congreß verwies die Mittheilung an eine Commission.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 143. Augsburg, 22. Mai 1840, S. 1140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_143_18400522/12>, abgerufen am 28.04.2024.