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Allgemeine Zeitung. Nr. 143. Augsburg, 22. Mai 1840.

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Der Herzog hielt es für lächerlich, den Grund des Kriegs im Opiumhandel zu suchen, oder von dem sittlichen Gefühl der chinesischen Regierung zu reden; er hielt es für ungerecht, das Ungerechte oder Unbequeme in diesem Handel entweder dem jetzigen Cabinette, dem Capitän Elliot oder den Kaufleuten, die sich damit befaßt, zur Last legen zu wollen. Obgleich verboten, sey der Handel seit vielen Jahren, mit Kenntniß der chinesischen, wie der brittischen Behörden, öffentlich betrieben worden, und bis weit in das Jahr 1837 herein sey es am kaiserlichen Hofe noch eine Frage gewesen, ob man den Opiumhandel nicht frei geben solle. Es wäre daher unbillig, wenn man die Kaufleute, denen ihr Opium so gewaltthätig abgezwungen wurde, ihrem Schicksale überließe, weil es den Chinesen beliebt habe, auf einmal ihr System zu ändern; und es würde schmählich für England seyn, wenn es die unerhörten Mißhandlungen und Gewaltstreiche, welche dieselben gegen Elliot verübt, ungeahndet ließe. Die Lords Ellenborough und Ashburton waren ungefähr gleicher Meinung, und somit wären denn die Minister gegen all den kleinen Krieg, womit einige Ultratories sie wegen China bedrohten, gesichert. Erfreulich ist auch, daß der Bischof von Greter etwas zur Mäßigung zurückgekommen ist, indem er für nöthig gefunden hat, seine Weigerung, die schottischen Presbyterianer als eine Kirche anzuerkennen, so weit zu beschränken, daß sie allerdings die vom Staate anerkannte Kirche in Schottland sey, und ihre Geistlichkeit dort auch eine Klerisei bilde. Nach der Entscheidung der Richter wird der eifrige Prälat sich auch am Ende gefallen lassen müssen, daß der Staat dieselben auch in den Colonien für eine Kirche anerkenne. Man fängt indessen an sich zu wundern, daß man einen so großen Theil der Session hat vorübergehen lassen, ohne daß man von Seite der Bischöfe dem Oberhaus die Bill vorgelegt hätte, wodurch die Kirchenzucht besser behauptet werden soll. Bietet doch in diesem Augenblick in dem hiesigen Sprengel ein gewisser Dr. Dillon dem Bischofe Trotz, indem er gegen dessen Verbot in einer episkopalischen Capelle zu predigen fortfährt! Doch nimmt der Eifer für das Kirchenwesen unter den Laien immer zu, wie z. B. eben der Bischof von London vor kurzem in einer hiesigen Kirche zum Behufe eines neuen Kirchenbaues in einem ganz andern Stadtviertel nach einer Predigt eine Sammlung von 584 Pf. St. bewirkte, und in derselben Kirche beim Abendgottesdienste abermals 106 Pf. für denselben Zweck gesammelt wurden.

Frankreich.

(Sonntag.)

Prinz Joinville hat die Rötheln und liegt seit fünf Tagen im Bett.

General Dwernizki hat durch Vermittelung des Hrn. Guizot Erlaubniß erhalten, nach Paris zurückzukehren.

Deputirtenkammersitzung vom 15 Mai. Die Discussion über Algier wurde fortgesetzt. Hr. Desjobert, der beharrlichste Gegner der afrikanischen Niederlassung, der bei einer Debatte über diesen Gegenstand nie auf der Rednerbühne fehlt, griff besonders die gestrige Rede des Hrn. Thiers an. "Die dominirende Idee des Conseilpräsidenten, eine Idee, die er schon vor zwei Jahren ausgesprochen, ist, daß Afrika für die französische Armee ein Uebungslager sey. Zugleich sagte uns der Conseilpräsident, daß man in Afrika alles wieder höre, was auf dieser Tribune gesagt wird. Die Araber werden also wohl auch seine Worte gehört, sie werden eingesehen haben, daß wenn wir Krieg gegen sie führen, dieß nur geschehe, um unsere Truppen bei ihnen gegen unsere eigentlichen Feinde abzurichten, sie werden begriffen haben, daß sie Unterthanen sind für unsere Waffenübungen. (Murren.) Ich frage nun: was werden die Araber von der Meinung des Ministerpräsidenten denken und welch andern Schluß werden sie aus seinen Worten ziehen als eine ewige Kriegserklärung? Sie werden denken, daß wenn wir ihnen zuweilen von Colonisation und Civilisation sprechen, all' dieß nicht ernsthaft gemeint sey; daß vom Augenblick an, wo wir vermittelst der Colonisation und der Civilisation den Frieden errungen haben, der Ministerpräsident das kostbarste seiner Argumente für die Beibehaltung Algiers verlieren wird. Und warum will der Conseilpräsident, daß wir in Afrika Krieg führen? Weil, sagt er, die Russen auch ein Uebungslager am Kaukasus und an den Ufern des caspischen Meeres haben. (Bewegung.) Ich kann aber diesen Vergleich nicht gelten lassen. Ich begreife, daß die Russen Expeditionen nach Chiwa unternehmen und daß sie den Kaukasus besetzen wollen, weil sie wissen, daß hinter dem Kaukasus und hinter Chiwa noch etwas ist, Asien nämlich, wo sie eine Rivalmacht, England, zu erreichen hoffen. Aber hinter Algier gibt es nichts, als eine Wüste." Hr. Jouffroy, das einzige Mitglied der Commission, welches gegen den Zusatzartikel gestimmt hatte, hält die beschränkte Occupation für unstatthaft, weil man dann die Piraterie nicht unterdrücken könne, und nicht Meister der ganzen Küste sey. "Im Jahr 1832 wurden Kanonenschüsse auf ein englisches Fahrzeug von Budschia aus abgefeuert, noch ehe dieser Punkt von den französischen Truppen besetzt worden. England mußte natürlich damals die Frage an Frankreich stellen: seyd ihr wirklich Gebieter an der Küste von Afrika? Wenn ihr nicht Gebieter dort seyd, werden wir uns selbst Recht zu verschaffen wissen. Aus dieser Frage schien die Absicht einer Besetzung Budschia's von Seite der Engländer hervorzugehen. Man mußte also hinsichtlich der Küste einen Entschluß fassen. Denn sonst hätte man auch den Amerikanern und allen andern Mächten das Recht gegeben, sich eines solchen Punktes zu bemächtigen; die Amerikaner hatten ohnehin große Sehnsucht nach einer solchen Niederlassung. Ich frage Sie nun, welchen Eindruck hätte in Frankreich ein englisches oder amerikanisches Etablissement an der Küste dieses so ruhmvoll eroberten Algeriens gemacht?" Was das Innere anbelangt, meint Hr. Jouffroy, Tunis und Marokko hätten Absichten auf die ihnen zunächst liegenden Provinzen; man müsse ihnen mit deren Besetzung zuvorkommen. Der Redner ging in eine weitläufige Discussion ein über das in Algier zu befolgende System. Er meinte, daß man vor Allem an die Unterwerfung des Landes denken müsse, an die Colonisation erst später. "Wäre ich die Regierung - schloß Hr. Jouffroy - ich würde jeden Colonisationsversuch bis zur gänzlichen Vertilgung der Macht Abd-El-Kaders aufschieben, und selbst dann würde ich nicht selbst colonisiren, sondern mich darauf beschränken, den Ansiedlern Schutz zu gewähren." General Sebastiani, der seit seiner Rückkehr von London zum erstenmal das Wort nahm, erklärte sich als Gegner der Niederlassung in Nordafrika und wünschte, daß man sie ganz aufgebe. "Bis man mir beweist, sagte er, daß man im Fall eines europäischen Krieges im Stand ist, Algier zu behaupten, daß Frankreich nicht mächtiger wäre, wenn es über seine Streitkräfte und sein Geld ungetheilt verfügen könnte, bis man mir dieß nachweist, werde ich bei meiner Meinung beharren." Uebrigens verzichtete der General auf eine ausführliche Rede, die er über diesen Gegenstand zu halten im Sinne gehabt; dergleichen Debatten, meinte er, seyen unpassend im Augenblick kriegerischer Operationen. Nach einigen Worten des Hrn. Dufaure zu Gunsten einer umfassenden Besetzung Algiers und besonders eines großen Kriegshafenbaues in Algier, verwarf, wie bereits erwähnt worden, die

Der Herzog hielt es für lächerlich, den Grund des Kriegs im Opiumhandel zu suchen, oder von dem sittlichen Gefühl der chinesischen Regierung zu reden; er hielt es für ungerecht, das Ungerechte oder Unbequeme in diesem Handel entweder dem jetzigen Cabinette, dem Capitän Elliot oder den Kaufleuten, die sich damit befaßt, zur Last legen zu wollen. Obgleich verboten, sey der Handel seit vielen Jahren, mit Kenntniß der chinesischen, wie der brittischen Behörden, öffentlich betrieben worden, und bis weit in das Jahr 1837 herein sey es am kaiserlichen Hofe noch eine Frage gewesen, ob man den Opiumhandel nicht frei geben solle. Es wäre daher unbillig, wenn man die Kaufleute, denen ihr Opium so gewaltthätig abgezwungen wurde, ihrem Schicksale überließe, weil es den Chinesen beliebt habe, auf einmal ihr System zu ändern; und es würde schmählich für England seyn, wenn es die unerhörten Mißhandlungen und Gewaltstreiche, welche dieselben gegen Elliot verübt, ungeahndet ließe. Die Lords Ellenborough und Ashburton waren ungefähr gleicher Meinung, und somit wären denn die Minister gegen all den kleinen Krieg, womit einige Ultratories sie wegen China bedrohten, gesichert. Erfreulich ist auch, daß der Bischof von Greter etwas zur Mäßigung zurückgekommen ist, indem er für nöthig gefunden hat, seine Weigerung, die schottischen Presbyterianer als eine Kirche anzuerkennen, so weit zu beschränken, daß sie allerdings die vom Staate anerkannte Kirche in Schottland sey, und ihre Geistlichkeit dort auch eine Klerisei bilde. Nach der Entscheidung der Richter wird der eifrige Prälat sich auch am Ende gefallen lassen müssen, daß der Staat dieselben auch in den Colonien für eine Kirche anerkenne. Man fängt indessen an sich zu wundern, daß man einen so großen Theil der Session hat vorübergehen lassen, ohne daß man von Seite der Bischöfe dem Oberhaus die Bill vorgelegt hätte, wodurch die Kirchenzucht besser behauptet werden soll. Bietet doch in diesem Augenblick in dem hiesigen Sprengel ein gewisser Dr. Dillon dem Bischofe Trotz, indem er gegen dessen Verbot in einer episkopalischen Capelle zu predigen fortfährt! Doch nimmt der Eifer für das Kirchenwesen unter den Laien immer zu, wie z. B. eben der Bischof von London vor kurzem in einer hiesigen Kirche zum Behufe eines neuen Kirchenbaues in einem ganz andern Stadtviertel nach einer Predigt eine Sammlung von 584 Pf. St. bewirkte, und in derselben Kirche beim Abendgottesdienste abermals 106 Pf. für denselben Zweck gesammelt wurden.

Frankreich.

(Sonntag.)

Prinz Joinville hat die Rötheln und liegt seit fünf Tagen im Bett.

General Dwernizki hat durch Vermittelung des Hrn. Guizot Erlaubniß erhalten, nach Paris zurückzukehren.

Deputirtenkammersitzung vom 15 Mai. Die Discussion über Algier wurde fortgesetzt. Hr. Desjobert, der beharrlichste Gegner der afrikanischen Niederlassung, der bei einer Debatte über diesen Gegenstand nie auf der Rednerbühne fehlt, griff besonders die gestrige Rede des Hrn. Thiers an. „Die dominirende Idee des Conseilpräsidenten, eine Idee, die er schon vor zwei Jahren ausgesprochen, ist, daß Afrika für die französische Armee ein Uebungslager sey. Zugleich sagte uns der Conseilpräsident, daß man in Afrika alles wieder höre, was auf dieser Tribune gesagt wird. Die Araber werden also wohl auch seine Worte gehört, sie werden eingesehen haben, daß wenn wir Krieg gegen sie führen, dieß nur geschehe, um unsere Truppen bei ihnen gegen unsere eigentlichen Feinde abzurichten, sie werden begriffen haben, daß sie Unterthanen sind für unsere Waffenübungen. (Murren.) Ich frage nun: was werden die Araber von der Meinung des Ministerpräsidenten denken und welch andern Schluß werden sie aus seinen Worten ziehen als eine ewige Kriegserklärung? Sie werden denken, daß wenn wir ihnen zuweilen von Colonisation und Civilisation sprechen, all' dieß nicht ernsthaft gemeint sey; daß vom Augenblick an, wo wir vermittelst der Colonisation und der Civilisation den Frieden errungen haben, der Ministerpräsident das kostbarste seiner Argumente für die Beibehaltung Algiers verlieren wird. Und warum will der Conseilpräsident, daß wir in Afrika Krieg führen? Weil, sagt er, die Russen auch ein Uebungslager am Kaukasus und an den Ufern des caspischen Meeres haben. (Bewegung.) Ich kann aber diesen Vergleich nicht gelten lassen. Ich begreife, daß die Russen Expeditionen nach Chiwa unternehmen und daß sie den Kaukasus besetzen wollen, weil sie wissen, daß hinter dem Kaukasus und hinter Chiwa noch etwas ist, Asien nämlich, wo sie eine Rivalmacht, England, zu erreichen hoffen. Aber hinter Algier gibt es nichts, als eine Wüste.“ Hr. Jouffroy, das einzige Mitglied der Commission, welches gegen den Zusatzartikel gestimmt hatte, hält die beschränkte Occupation für unstatthaft, weil man dann die Piraterie nicht unterdrücken könne, und nicht Meister der ganzen Küste sey. „Im Jahr 1832 wurden Kanonenschüsse auf ein englisches Fahrzeug von Budschia aus abgefeuert, noch ehe dieser Punkt von den französischen Truppen besetzt worden. England mußte natürlich damals die Frage an Frankreich stellen: seyd ihr wirklich Gebieter an der Küste von Afrika? Wenn ihr nicht Gebieter dort seyd, werden wir uns selbst Recht zu verschaffen wissen. Aus dieser Frage schien die Absicht einer Besetzung Budschia's von Seite der Engländer hervorzugehen. Man mußte also hinsichtlich der Küste einen Entschluß fassen. Denn sonst hätte man auch den Amerikanern und allen andern Mächten das Recht gegeben, sich eines solchen Punktes zu bemächtigen; die Amerikaner hatten ohnehin große Sehnsucht nach einer solchen Niederlassung. Ich frage Sie nun, welchen Eindruck hätte in Frankreich ein englisches oder amerikanisches Etablissement an der Küste dieses so ruhmvoll eroberten Algeriens gemacht?“ Was das Innere anbelangt, meint Hr. Jouffroy, Tunis und Marokko hätten Absichten auf die ihnen zunächst liegenden Provinzen; man müsse ihnen mit deren Besetzung zuvorkommen. Der Redner ging in eine weitläufige Discussion ein über das in Algier zu befolgende System. Er meinte, daß man vor Allem an die Unterwerfung des Landes denken müsse, an die Colonisation erst später. „Wäre ich die Regierung – schloß Hr. Jouffroy – ich würde jeden Colonisationsversuch bis zur gänzlichen Vertilgung der Macht Abd-El-Kaders aufschieben, und selbst dann würde ich nicht selbst colonisiren, sondern mich darauf beschränken, den Ansiedlern Schutz zu gewähren.“ General Sebastiani, der seit seiner Rückkehr von London zum erstenmal das Wort nahm, erklärte sich als Gegner der Niederlassung in Nordafrika und wünschte, daß man sie ganz aufgebe. „Bis man mir beweist, sagte er, daß man im Fall eines europäischen Krieges im Stand ist, Algier zu behaupten, daß Frankreich nicht mächtiger wäre, wenn es über seine Streitkräfte und sein Geld ungetheilt verfügen könnte, bis man mir dieß nachweist, werde ich bei meiner Meinung beharren.“ Uebrigens verzichtete der General auf eine ausführliche Rede, die er über diesen Gegenstand zu halten im Sinne gehabt; dergleichen Debatten, meinte er, seyen unpassend im Augenblick kriegerischer Operationen. Nach einigen Worten des Hrn. Dufaure zu Gunsten einer umfassenden Besetzung Algiers und besonders eines großen Kriegshafenbaues in Algier, verwarf, wie bereits erwähnt worden, die

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Der Herzog hielt es für lächerlich, den Grund des Kriegs im Opiumhandel zu suchen, oder von dem sittlichen Gefühl der chinesischen Regierung zu reden; er hielt es für ungerecht, das Ungerechte oder Unbequeme in diesem Handel entweder dem jetzigen Cabinette, dem Capitän Elliot oder den Kaufleuten, die sich damit befaßt, zur Last legen zu wollen. Obgleich verboten, sey der Handel seit vielen Jahren, mit Kenntniß der chinesischen, wie der brittischen Behörden, öffentlich betrieben worden, und bis weit in das Jahr 1837 herein sey es am kaiserlichen Hofe noch eine Frage gewesen, ob man den Opiumhandel nicht frei geben solle. Es wäre daher unbillig, wenn man die Kaufleute, denen ihr Opium so gewaltthätig abgezwungen wurde, ihrem Schicksale überließe, weil es den Chinesen beliebt habe, auf einmal ihr System zu ändern; und es würde schmählich für England seyn, wenn es die unerhörten Mißhandlungen und Gewaltstreiche, welche dieselben gegen Elliot verübt, ungeahndet ließe. Die Lords Ellenborough und Ashburton waren ungefähr gleicher Meinung, und somit wären denn die Minister gegen all den kleinen Krieg, womit einige Ultratories sie wegen China bedrohten, gesichert. Erfreulich ist auch, daß der Bischof von Greter etwas zur Mäßigung zurückgekommen ist, indem er für nöthig gefunden hat, seine Weigerung, die schottischen Presbyterianer als eine Kirche anzuerkennen, so weit zu beschränken, daß sie allerdings die vom Staate anerkannte Kirche <hi rendition="#g">in</hi> Schottland sey, und ihre Geistlichkeit <hi rendition="#g">dort</hi> auch eine Klerisei bilde. Nach der Entscheidung der Richter wird der eifrige Prälat sich auch am Ende gefallen lassen müssen, daß der Staat dieselben auch in den Colonien für eine Kirche anerkenne. Man fängt indessen an sich zu wundern, daß man einen so großen Theil der Session hat vorübergehen lassen, ohne daß man von Seite der Bischöfe dem Oberhaus die Bill vorgelegt hätte, wodurch die Kirchenzucht besser behauptet werden soll. Bietet doch in diesem Augenblick in dem hiesigen Sprengel ein gewisser Dr. Dillon dem Bischofe Trotz, indem er gegen dessen Verbot in einer episkopalischen Capelle zu predigen fortfährt! Doch nimmt der Eifer für das Kirchenwesen unter den Laien immer zu, wie z. B. eben der Bischof von London vor kurzem in einer hiesigen Kirche zum Behufe eines neuen Kirchenbaues in einem ganz andern Stadtviertel nach einer Predigt eine Sammlung von 584 Pf. St. bewirkte, und in derselben Kirche beim Abendgottesdienste abermals 106 Pf. für denselben Zweck gesammelt wurden.</p>
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[1139/0003] Der Herzog hielt es für lächerlich, den Grund des Kriegs im Opiumhandel zu suchen, oder von dem sittlichen Gefühl der chinesischen Regierung zu reden; er hielt es für ungerecht, das Ungerechte oder Unbequeme in diesem Handel entweder dem jetzigen Cabinette, dem Capitän Elliot oder den Kaufleuten, die sich damit befaßt, zur Last legen zu wollen. Obgleich verboten, sey der Handel seit vielen Jahren, mit Kenntniß der chinesischen, wie der brittischen Behörden, öffentlich betrieben worden, und bis weit in das Jahr 1837 herein sey es am kaiserlichen Hofe noch eine Frage gewesen, ob man den Opiumhandel nicht frei geben solle. Es wäre daher unbillig, wenn man die Kaufleute, denen ihr Opium so gewaltthätig abgezwungen wurde, ihrem Schicksale überließe, weil es den Chinesen beliebt habe, auf einmal ihr System zu ändern; und es würde schmählich für England seyn, wenn es die unerhörten Mißhandlungen und Gewaltstreiche, welche dieselben gegen Elliot verübt, ungeahndet ließe. Die Lords Ellenborough und Ashburton waren ungefähr gleicher Meinung, und somit wären denn die Minister gegen all den kleinen Krieg, womit einige Ultratories sie wegen China bedrohten, gesichert. Erfreulich ist auch, daß der Bischof von Greter etwas zur Mäßigung zurückgekommen ist, indem er für nöthig gefunden hat, seine Weigerung, die schottischen Presbyterianer als eine Kirche anzuerkennen, so weit zu beschränken, daß sie allerdings die vom Staate anerkannte Kirche in Schottland sey, und ihre Geistlichkeit dort auch eine Klerisei bilde. Nach der Entscheidung der Richter wird der eifrige Prälat sich auch am Ende gefallen lassen müssen, daß der Staat dieselben auch in den Colonien für eine Kirche anerkenne. Man fängt indessen an sich zu wundern, daß man einen so großen Theil der Session hat vorübergehen lassen, ohne daß man von Seite der Bischöfe dem Oberhaus die Bill vorgelegt hätte, wodurch die Kirchenzucht besser behauptet werden soll. Bietet doch in diesem Augenblick in dem hiesigen Sprengel ein gewisser Dr. Dillon dem Bischofe Trotz, indem er gegen dessen Verbot in einer episkopalischen Capelle zu predigen fortfährt! Doch nimmt der Eifer für das Kirchenwesen unter den Laien immer zu, wie z. B. eben der Bischof von London vor kurzem in einer hiesigen Kirche zum Behufe eines neuen Kirchenbaues in einem ganz andern Stadtviertel nach einer Predigt eine Sammlung von 584 Pf. St. bewirkte, und in derselben Kirche beim Abendgottesdienste abermals 106 Pf. für denselben Zweck gesammelt wurden. Frankreich. _ Paris, 17 Mai. (Sonntag.) Prinz Joinville hat die Rötheln und liegt seit fünf Tagen im Bett. General Dwernizki hat durch Vermittelung des Hrn. Guizot Erlaubniß erhalten, nach Paris zurückzukehren. Deputirtenkammersitzung vom 15 Mai. Die Discussion über Algier wurde fortgesetzt. Hr. Desjobert, der beharrlichste Gegner der afrikanischen Niederlassung, der bei einer Debatte über diesen Gegenstand nie auf der Rednerbühne fehlt, griff besonders die gestrige Rede des Hrn. Thiers an. „Die dominirende Idee des Conseilpräsidenten, eine Idee, die er schon vor zwei Jahren ausgesprochen, ist, daß Afrika für die französische Armee ein Uebungslager sey. Zugleich sagte uns der Conseilpräsident, daß man in Afrika alles wieder höre, was auf dieser Tribune gesagt wird. Die Araber werden also wohl auch seine Worte gehört, sie werden eingesehen haben, daß wenn wir Krieg gegen sie führen, dieß nur geschehe, um unsere Truppen bei ihnen gegen unsere eigentlichen Feinde abzurichten, sie werden begriffen haben, daß sie Unterthanen sind für unsere Waffenübungen. (Murren.) Ich frage nun: was werden die Araber von der Meinung des Ministerpräsidenten denken und welch andern Schluß werden sie aus seinen Worten ziehen als eine ewige Kriegserklärung? Sie werden denken, daß wenn wir ihnen zuweilen von Colonisation und Civilisation sprechen, all' dieß nicht ernsthaft gemeint sey; daß vom Augenblick an, wo wir vermittelst der Colonisation und der Civilisation den Frieden errungen haben, der Ministerpräsident das kostbarste seiner Argumente für die Beibehaltung Algiers verlieren wird. Und warum will der Conseilpräsident, daß wir in Afrika Krieg führen? Weil, sagt er, die Russen auch ein Uebungslager am Kaukasus und an den Ufern des caspischen Meeres haben. (Bewegung.) Ich kann aber diesen Vergleich nicht gelten lassen. Ich begreife, daß die Russen Expeditionen nach Chiwa unternehmen und daß sie den Kaukasus besetzen wollen, weil sie wissen, daß hinter dem Kaukasus und hinter Chiwa noch etwas ist, Asien nämlich, wo sie eine Rivalmacht, England, zu erreichen hoffen. Aber hinter Algier gibt es nichts, als eine Wüste.“ Hr. Jouffroy, das einzige Mitglied der Commission, welches gegen den Zusatzartikel gestimmt hatte, hält die beschränkte Occupation für unstatthaft, weil man dann die Piraterie nicht unterdrücken könne, und nicht Meister der ganzen Küste sey. „Im Jahr 1832 wurden Kanonenschüsse auf ein englisches Fahrzeug von Budschia aus abgefeuert, noch ehe dieser Punkt von den französischen Truppen besetzt worden. England mußte natürlich damals die Frage an Frankreich stellen: seyd ihr wirklich Gebieter an der Küste von Afrika? Wenn ihr nicht Gebieter dort seyd, werden wir uns selbst Recht zu verschaffen wissen. Aus dieser Frage schien die Absicht einer Besetzung Budschia's von Seite der Engländer hervorzugehen. Man mußte also hinsichtlich der Küste einen Entschluß fassen. Denn sonst hätte man auch den Amerikanern und allen andern Mächten das Recht gegeben, sich eines solchen Punktes zu bemächtigen; die Amerikaner hatten ohnehin große Sehnsucht nach einer solchen Niederlassung. Ich frage Sie nun, welchen Eindruck hätte in Frankreich ein englisches oder amerikanisches Etablissement an der Küste dieses so ruhmvoll eroberten Algeriens gemacht?“ Was das Innere anbelangt, meint Hr. Jouffroy, Tunis und Marokko hätten Absichten auf die ihnen zunächst liegenden Provinzen; man müsse ihnen mit deren Besetzung zuvorkommen. Der Redner ging in eine weitläufige Discussion ein über das in Algier zu befolgende System. Er meinte, daß man vor Allem an die Unterwerfung des Landes denken müsse, an die Colonisation erst später. „Wäre ich die Regierung – schloß Hr. Jouffroy – ich würde jeden Colonisationsversuch bis zur gänzlichen Vertilgung der Macht Abd-El-Kaders aufschieben, und selbst dann würde ich nicht selbst colonisiren, sondern mich darauf beschränken, den Ansiedlern Schutz zu gewähren.“ General Sebastiani, der seit seiner Rückkehr von London zum erstenmal das Wort nahm, erklärte sich als Gegner der Niederlassung in Nordafrika und wünschte, daß man sie ganz aufgebe. „Bis man mir beweist, sagte er, daß man im Fall eines europäischen Krieges im Stand ist, Algier zu behaupten, daß Frankreich nicht mächtiger wäre, wenn es über seine Streitkräfte und sein Geld ungetheilt verfügen könnte, bis man mir dieß nachweist, werde ich bei meiner Meinung beharren.“ Uebrigens verzichtete der General auf eine ausführliche Rede, die er über diesen Gegenstand zu halten im Sinne gehabt; dergleichen Debatten, meinte er, seyen unpassend im Augenblick kriegerischer Operationen. Nach einigen Worten des Hrn. Dufaure zu Gunsten einer umfassenden Besetzung Algiers und besonders eines großen Kriegshafenbaues in Algier, verwarf, wie bereits erwähnt worden, die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 143. Augsburg, 22. Mai 1840, S. 1139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_143_18400522/3>, abgerufen am 28.04.2024.