Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

kannst ja schon das halbe Vaterunser -- daß Gott
uns bewahre vor Wasser- und Feuersnoth."

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl
aussehen möge. Das mannigfache Geräusch und
Getöse im Hause kam ihm wunderlich vor. Er
meinte, es müsse etwas Lebendiges drinnen sein
und draußen auch. -- "Hör, Mutter, gewiß, da
sind Leute, die pochen." -- "Ach nein, Kind; aber
es ist kein altes Brett im Hause, das nicht klap-
pert." -- "Hör'! hörst du nicht? es ruft! hör'
doch!"

Die Mutter richtete sich auf; das Toben des
Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte
deutlich an den Fensterläden pochen und mehrere
Stimmen: "Margareth! Frau Margareth, heda,
aufgemacht!" Magareth stieß einen heftigen Laut
aus: "Da bringen sie mir das Schwein wieder!"

Der Rosenkranz flog klappernd auf den Brett-
stuhl, die Kleider wurden herbeigerissen. Sie fuhr
zum Herde und bald darauf hörte Friedrich sie mit
trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Mar-
gareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche
war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal
kam ein fremder Mann in die Kammer und schien
ängstlich etwas zu suchen. Mit einem Male ward
eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten
die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte

kannſt ja ſchon das halbe Vaterunſer — daß Gott
uns bewahre vor Waſſer- und Feuersnoth.“

Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl
ausſehen möge. Das mannigfache Geräuſch und
Getöſe im Hauſe kam ihm wunderlich vor. Er
meinte, es müſſe etwas Lebendiges drinnen ſein
und draußen auch. — „Hör, Mutter, gewiß, da
ſind Leute, die pochen.“ — „Ach nein, Kind; aber
es iſt kein altes Brett im Hauſe, das nicht klap-
pert.“ — „Hör’! hörſt du nicht? es ruft! hör’
doch!“

Die Mutter richtete ſich auf; das Toben des
Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte
deutlich an den Fenſterläden pochen und mehrere
Stimmen: „Margareth! Frau Margareth, heda,
aufgemacht!“ Magareth ſtieß einen heftigen Laut
aus: „Da bringen ſie mir das Schwein wieder!“

Der Roſenkranz flog klappernd auf den Brett-
ſtuhl, die Kleider wurden herbeigeriſſen. Sie fuhr
zum Herde und bald darauf hörte Friedrich ſie mit
trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Mar-
gareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche
war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal
kam ein fremder Mann in die Kammer und ſchien
ängſtlich etwas zu ſuchen. Mit einem Male ward
eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten
die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="154"/>
kann&#x017F;t ja &#x017F;chon das halbe Vaterun&#x017F;er &#x2014; daß Gott<lb/>
uns bewahre vor Wa&#x017F;&#x017F;er- und Feuersnoth.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl<lb/>
aus&#x017F;ehen möge. Das mannigfache Geräu&#x017F;ch und<lb/>
Getö&#x017F;e im Hau&#x017F;e kam ihm wunderlich vor. Er<lb/>
meinte, es mü&#x017F;&#x017F;e etwas Lebendiges drinnen &#x017F;ein<lb/>
und draußen auch. &#x2014; &#x201E;Hör, Mutter, gewiß, da<lb/>
&#x017F;ind Leute, die pochen.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Ach nein, Kind; aber<lb/>
es i&#x017F;t kein altes Brett im Hau&#x017F;e, das nicht klap-<lb/>
pert.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Hör&#x2019;! hör&#x017F;t du nicht? es ruft! hör&#x2019;<lb/>
doch!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Mutter richtete &#x017F;ich auf; das Toben des<lb/>
Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte<lb/>
deutlich an den Fen&#x017F;terläden pochen und mehrere<lb/>
Stimmen: &#x201E;Margareth! Frau Margareth, heda,<lb/>
aufgemacht!&#x201C; Magareth &#x017F;tieß einen heftigen Laut<lb/>
aus: &#x201E;Da bringen &#x017F;ie mir das Schwein wieder!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Ro&#x017F;enkranz flog klappernd auf den Brett-<lb/>
&#x017F;tuhl, die Kleider wurden herbeigeri&#x017F;&#x017F;en. Sie fuhr<lb/>
zum Herde und bald darauf hörte Friedrich &#x017F;ie mit<lb/>
trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Mar-<lb/>
gareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche<lb/>
war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal<lb/>
kam ein fremder Mann in die Kammer und &#x017F;chien<lb/>
äng&#x017F;tlich etwas zu &#x017F;uchen. Mit einem Male ward<lb/>
eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten<lb/>
die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[154/0170] kannſt ja ſchon das halbe Vaterunſer — daß Gott uns bewahre vor Waſſer- und Feuersnoth.“ Friedrich dachte an den Teufel, wie der wohl ausſehen möge. Das mannigfache Geräuſch und Getöſe im Hauſe kam ihm wunderlich vor. Er meinte, es müſſe etwas Lebendiges drinnen ſein und draußen auch. — „Hör, Mutter, gewiß, da ſind Leute, die pochen.“ — „Ach nein, Kind; aber es iſt kein altes Brett im Hauſe, das nicht klap- pert.“ — „Hör’! hörſt du nicht? es ruft! hör’ doch!“ Die Mutter richtete ſich auf; das Toben des Sturms ließ einen Augenblick nach. Man hörte deutlich an den Fenſterläden pochen und mehrere Stimmen: „Margareth! Frau Margareth, heda, aufgemacht!“ Magareth ſtieß einen heftigen Laut aus: „Da bringen ſie mir das Schwein wieder!“ Der Roſenkranz flog klappernd auf den Brett- ſtuhl, die Kleider wurden herbeigeriſſen. Sie fuhr zum Herde und bald darauf hörte Friedrich ſie mit trotzigen Schritten über die Tenne gehen. Mar- gareth kam gar nicht wieder; aber in der Küche war viel Gemurmel und fremde Stimmen. Zweimal kam ein fremder Mann in die Kammer und ſchien ängſtlich etwas zu ſuchen. Mit einem Male ward eine Lampe hereingebracht; zwei Männer führten die Mutter. Sie war weiß wie Kreide und hatte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/170
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/170>, abgerufen am 23.11.2024.