Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.zusammen getragen, und jetzt bin ich allein!" Dann Friedrich kam scheu heran; die Mutter war Margareth schwieg eine Weile, dann sagte sie: Friedrich hatte seinen Vater auf dem Stroh zuſammen getragen, und jetzt bin ich allein!“ Dann Friedrich kam ſcheu heran; die Mutter war Margareth ſchwieg eine Weile, dann ſagte ſie: Friedrich hatte ſeinen Vater auf dem Stroh <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0172" n="156"/> zuſammen getragen, und jetzt bin ich allein!“ Dann<lb/> lauter: „Fritzchen, komm her!“ —</p><lb/> <p>Friedrich kam ſcheu heran; die Mutter war<lb/> ihm ganz unheimlich geworden mit den ſchwarzen<lb/> Bändern und den verſtörten Zügen. „Fritzchen,“<lb/> ſagte ſie, „willſt du jetzt auch fromm ſein, daß ich<lb/> Freude an dir habe, oder willſt du unartig ſein<lb/> und lügen, oder ſaufen und ſtehlen?“ — „Mutter,<lb/> Hülsmeyer ſtiehlt.“ — „Hülsmeyer? Gott bewahre!<lb/> Soll ich dir auf den Rücken kommen? wer ſagt dir<lb/> ſo ſchlechtes Zeug?“ — „Er hat neulich den Aaron<lb/> geprügelt und ihm ſechs Groſchen genommen.“ —<lb/> „Hat er dem Aaron Geld genommen, ſo hat ihn<lb/> der verfluchte Jude gewiß zuvor darum betrogen.<lb/> Hülsmeyer iſt ein ordentlicher angeſeſſener Mann,<lb/> und die Juden ſind alle Schelme.“ — „Aber,<lb/> Mutter, Brandes ſagt auch, daß er Holz und Rehe<lb/> ſtiehlt.“ — „Kind, Brandes iſt ein Förſter.“ —<lb/> „Mutter, lügen die Förſter?“</p><lb/> <p>Margareth ſchwieg eine Weile, dann ſagte ſie:<lb/> „Höre, Fritz, das Holz läßt unſer Herrgott frei<lb/> wachſen und das Wild wechſelt aus eines Herren<lb/> Lande in das andere; die können Niemandem ge-<lb/> hören. Doch das verſtehſt du noch nicht; jetzt geh<lb/> in den Schuppen und hole mir Reiſig.“</p><lb/> <p>Friedrich hatte ſeinen Vater auf dem Stroh<lb/> geſehen, wo er, wie man ſagt, blau und fürchter-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [156/0172]
zuſammen getragen, und jetzt bin ich allein!“ Dann
lauter: „Fritzchen, komm her!“ —
Friedrich kam ſcheu heran; die Mutter war
ihm ganz unheimlich geworden mit den ſchwarzen
Bändern und den verſtörten Zügen. „Fritzchen,“
ſagte ſie, „willſt du jetzt auch fromm ſein, daß ich
Freude an dir habe, oder willſt du unartig ſein
und lügen, oder ſaufen und ſtehlen?“ — „Mutter,
Hülsmeyer ſtiehlt.“ — „Hülsmeyer? Gott bewahre!
Soll ich dir auf den Rücken kommen? wer ſagt dir
ſo ſchlechtes Zeug?“ — „Er hat neulich den Aaron
geprügelt und ihm ſechs Groſchen genommen.“ —
„Hat er dem Aaron Geld genommen, ſo hat ihn
der verfluchte Jude gewiß zuvor darum betrogen.
Hülsmeyer iſt ein ordentlicher angeſeſſener Mann,
und die Juden ſind alle Schelme.“ — „Aber,
Mutter, Brandes ſagt auch, daß er Holz und Rehe
ſtiehlt.“ — „Kind, Brandes iſt ein Förſter.“ —
„Mutter, lügen die Förſter?“
Margareth ſchwieg eine Weile, dann ſagte ſie:
„Höre, Fritz, das Holz läßt unſer Herrgott frei
wachſen und das Wild wechſelt aus eines Herren
Lande in das andere; die können Niemandem ge-
hören. Doch das verſtehſt du noch nicht; jetzt geh
in den Schuppen und hole mir Reiſig.“
Friedrich hatte ſeinen Vater auf dem Stroh
geſehen, wo er, wie man ſagt, blau und fürchter-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |