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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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artigkeit des letzteren; -- unabsehbare Getreidefelder,
sich über Thal und Höhen ziehend, welche die Frucht-
barkeit des Bodens bezeugen, aber das Auge er-
müden, -- Quellen und kleine Flüsse, die recht
munter laufen, aber gänzlich ohne Geräusch und die
phantastischen Sprünge der Bergwässer, -- steinigter
Grund, der, wo man nur den Spaten einstößt,
treffliches Baumaterial liefert, aber nirgends eine
Klippenwand vorstreckt, außer der künstlichen des
Steinbruchs, -- niedere Berge von gewöhnlicher
Form, unter denen nur die bewaldeten auf einige
Anmuth Anspruch machen können, bilden zusammen
ein wenig hervorstechendes Ganze. Selbst der classische
Teutoburger Wald, das einzige, zwar nicht durch
Höhe, aber durch seine Ausdehnung und mitunter
malerischen Formen imposante Waldgebirge, ist in
neueren Zeiten so durchlichtet und nach der Schnur
beforstet worden, daß wir nur mit Hülfe der rothen
(eisenhaltigen) Erde, die fortwährend unter unsern
Tritten knistert, sowie der unzähligen fliegenden
Leuchtwürmchen, die hier in Sommernächten an
jeden Zweig ihr Laternchen hängen, und eine rege
Phantasie von "Stein, Gras und Grein" träumen
können. Doch fehlt es dem Lande nicht an ein-
zelnen Punkten, wo das Zusammentreffen vieler
kleiner Schönheiten wirklich reizende Partieen her-
vorbringt, an hübschen grünen Thalschluchten,

artigkeit des letzteren; — unabſehbare Getreidefelder,
ſich über Thal und Höhen ziehend, welche die Frucht-
barkeit des Bodens bezeugen, aber das Auge er-
müden, — Quellen und kleine Flüſſe, die recht
munter laufen, aber gänzlich ohne Geräuſch und die
phantaſtiſchen Sprünge der Bergwäſſer, — ſteinigter
Grund, der, wo man nur den Spaten einſtößt,
treffliches Baumaterial liefert, aber nirgends eine
Klippenwand vorſtreckt, außer der künſtlichen des
Steinbruchs, — niedere Berge von gewöhnlicher
Form, unter denen nur die bewaldeten auf einige
Anmuth Anſpruch machen können, bilden zuſammen
ein wenig hervorſtechendes Ganze. Selbſt der claſſiſche
Teutoburger Wald, das einzige, zwar nicht durch
Höhe, aber durch ſeine Ausdehnung und mitunter
maleriſchen Formen impoſante Waldgebirge, iſt in
neueren Zeiten ſo durchlichtet und nach der Schnur
beforſtet worden, daß wir nur mit Hülfe der rothen
(eiſenhaltigen) Erde, die fortwährend unter unſern
Tritten kniſtert, ſowie der unzähligen fliegenden
Leuchtwürmchen, die hier in Sommernächten an
jeden Zweig ihr Laternchen hängen, und eine rege
Phantaſie von „Stein, Gras und Grein“ träumen
können. Doch fehlt es dem Lande nicht an ein-
zelnen Punkten, wo das Zuſammentreffen vieler
kleiner Schönheiten wirklich reizende Partieen her-
vorbringt, an hübſchen grünen Thalſchluchten,

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[239/0255] artigkeit des letzteren; — unabſehbare Getreidefelder, ſich über Thal und Höhen ziehend, welche die Frucht- barkeit des Bodens bezeugen, aber das Auge er- müden, — Quellen und kleine Flüſſe, die recht munter laufen, aber gänzlich ohne Geräuſch und die phantaſtiſchen Sprünge der Bergwäſſer, — ſteinigter Grund, der, wo man nur den Spaten einſtößt, treffliches Baumaterial liefert, aber nirgends eine Klippenwand vorſtreckt, außer der künſtlichen des Steinbruchs, — niedere Berge von gewöhnlicher Form, unter denen nur die bewaldeten auf einige Anmuth Anſpruch machen können, bilden zuſammen ein wenig hervorſtechendes Ganze. Selbſt der claſſiſche Teutoburger Wald, das einzige, zwar nicht durch Höhe, aber durch ſeine Ausdehnung und mitunter maleriſchen Formen impoſante Waldgebirge, iſt in neueren Zeiten ſo durchlichtet und nach der Schnur beforſtet worden, daß wir nur mit Hülfe der rothen (eiſenhaltigen) Erde, die fortwährend unter unſern Tritten kniſtert, ſowie der unzähligen fliegenden Leuchtwürmchen, die hier in Sommernächten an jeden Zweig ihr Laternchen hängen, und eine rege Phantaſie von „Stein, Gras und Grein“ träumen können. Doch fehlt es dem Lande nicht an ein- zelnen Punkten, wo das Zuſammentreffen vieler kleiner Schönheiten wirklich reizende Partieen her- vorbringt, an hübſchen grünen Thalſchluchten,

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/255>, abgerufen am 16.07.2024.