Chausseen mit Frachtwagen und Einspännern bedeckt, -- Wirthshäuser mit Kellern und gedruckten Speise- zetteln; einzelne Dörfer im tiefsten Gebirge sind noch strohdachig und verfallen genug, die meisten jedoch, nett wie alle Fabrikorte, erhalten allein durch die schwarze Schieferbekleidung und die mit Steinplatten beschwerten Dächer, die man hier der Rauhigkeit des Klima's entgegensetzen muß, einen schwachen Anstrich von Ländlichkeit, und nur die Kohlen- brenner in den Waldungen, die bleichen Hammer- schmiede vor ihren Höllenfeuern, und die an den Stollen, mit Lederschurz und blitzendem Bleierz auf ihrem Kärrchen aus- und einfahrenden Berg- knappen geben der Landschaft hier und dort eine passende Staffage.
Anders ist es im Hochstifte Paderborn, wo der Mensch eine Art wilder Poesie in die sonst nüchterne Umgebung bringt, und uns in die Abruzzen versetzen würde, wenn wir Phantasie ge- nug hätten, jene Gewitterwolke für ein mächtiges Gebirge, jenen Steinbruch für eine Klippe zu halten. -- Nicht groß von Gestalt, hager und sehnig, mit scharfen, schlauen, tiefgebräunten, und vor der Zeit von Mühsal und Leidenschaft durchfurchten Zügen fehlt dem Paderborner nur das brandschwarze Haar zu einem entschieden südlichen Aussehen. -- Die Männer sind oft hübsch und immer malerisch, die
Chauſſeen mit Frachtwagen und Einſpännern bedeckt, — Wirthshäuſer mit Kellern und gedruckten Speiſe- zetteln; einzelne Dörfer im tiefſten Gebirge ſind noch ſtrohdachig und verfallen genug, die meiſten jedoch, nett wie alle Fabrikorte, erhalten allein durch die ſchwarze Schieferbekleidung und die mit Steinplatten beſchwerten Dächer, die man hier der Rauhigkeit des Klima’s entgegenſetzen muß, einen ſchwachen Anſtrich von Ländlichkeit, und nur die Kohlen- brenner in den Waldungen, die bleichen Hammer- ſchmiede vor ihren Höllenfeuern, und die an den Stollen, mit Lederſchurz und blitzendem Bleierz auf ihrem Kärrchen aus- und einfahrenden Berg- knappen geben der Landſchaft hier und dort eine paſſende Staffage.
Anders iſt es im Hochſtifte Paderborn, wo der Menſch eine Art wilder Poeſie in die ſonſt nüchterne Umgebung bringt, und uns in die Abruzzen verſetzen würde, wenn wir Phantaſie ge- nug hätten, jene Gewitterwolke für ein mächtiges Gebirge, jenen Steinbruch für eine Klippe zu halten. — Nicht groß von Geſtalt, hager und ſehnig, mit ſcharfen, ſchlauen, tiefgebräunten, und vor der Zeit von Mühſal und Leidenſchaft durchfurchten Zügen fehlt dem Paderborner nur das brandſchwarze Haar zu einem entſchieden ſüdlichen Ausſehen. — Die Männer ſind oft hübſch und immer maleriſch, die
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Chauſſeen mit Frachtwagen und Einſpännern bedeckt,
— Wirthshäuſer mit Kellern und gedruckten Speiſe-
zetteln; einzelne Dörfer im tiefſten Gebirge ſind noch
ſtrohdachig und verfallen genug, die meiſten jedoch,
nett wie alle Fabrikorte, erhalten allein durch die
ſchwarze Schieferbekleidung und die mit Steinplatten
beſchwerten Dächer, die man hier der Rauhigkeit
des Klima’s entgegenſetzen muß, einen ſchwachen
Anſtrich von Ländlichkeit, und nur die Kohlen-
brenner in den Waldungen, die bleichen Hammer-
ſchmiede vor ihren Höllenfeuern, und die an den
Stollen, mit Lederſchurz und blitzendem Bleierz
auf ihrem Kärrchen aus- und einfahrenden Berg-
knappen geben der Landſchaft hier und dort eine
paſſende Staffage.
Anders iſt es im Hochſtifte Paderborn, wo
der Menſch eine Art wilder Poeſie in die ſonſt
nüchterne Umgebung bringt, und uns in die
Abruzzen verſetzen würde, wenn wir Phantaſie ge-
nug hätten, jene Gewitterwolke für ein mächtiges
Gebirge, jenen Steinbruch für eine Klippe zu halten.
— Nicht groß von Geſtalt, hager und ſehnig, mit
ſcharfen, ſchlauen, tiefgebräunten, und vor der Zeit
von Mühſal und Leidenſchaft durchfurchten Zügen
fehlt dem Paderborner nur das brandſchwarze Haar
zu einem entſchieden ſüdlichen Ausſehen. — Die
Männer ſind oft hübſch und immer maleriſch, die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/266>, abgerufen am 25.11.2024.
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