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Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

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in ihre Baracken schlüpfen sehen. Zuweilen folgen
die Zollbeamten ihnen stundenweit; die Dörfer des
Binnenlandes werden durch nächtliche Schüsse und
wüstes Geschrei aufgeschreckt, -- am nächsten Morgen
zeigen Gänge durchs Kornfeld, in welcher Richtung
die Schmuggler geflohen; zerstampfte Flächen, wo
sie sich mit den Zöllnern gepackt haben, und ein
halbes Dutzend Taglöhner läßt sich bei seinem
Dienstherrn krank melden. -- Ihre Ehen, meist aus
Leidenschaft und mit gänzlicher Rücksichtslosigkeit
auf äußere Vortheile geschlossen, würden ander-
wärts für höchst unglücklich gelten, da kaum eine
Barackenbewohnerin ihr Leben beschließt, ohne Be-
kanntschaft mit dem sogenannten "braunen Heinrich,"
dem Stocke nämlich, gemacht zu haben. Sie aber
finden es ländlich, sittlich, und leben der Ueber-
zeugung, daß eine gute Ehe wie ein gutes Gewebe
zuerst des Einschlags bedarf, um nachher ein tüch-
tiges Hausleinen zu liefern. Wollten wir eine
Zusammenstellung der unteren Volksklassen nach
den drei Hauptfarben Westphalens wagen, so würden
wir sagen: der Sauerländer freit wie ein Kauf-
mann, nach Geld und Geschicklichkeit und führt
auch seine Ehe so -- kühl und auf gemeinschaft-
lichen Erwerb gerichtet. -- Der Münsterländer freit
wie ein Herrnhuther, gutem Rufe und dem Willen
seiner Eltern gemäß, und liebt und trägt seine

in ihre Baracken ſchlüpfen ſehen. Zuweilen folgen
die Zollbeamten ihnen ſtundenweit; die Dörfer des
Binnenlandes werden durch nächtliche Schüſſe und
wüſtes Geſchrei aufgeſchreckt, — am nächſten Morgen
zeigen Gänge durchs Kornfeld, in welcher Richtung
die Schmuggler geflohen; zerſtampfte Flächen, wo
ſie ſich mit den Zöllnern gepackt haben, und ein
halbes Dutzend Taglöhner läßt ſich bei ſeinem
Dienſtherrn krank melden. — Ihre Ehen, meiſt aus
Leidenſchaft und mit gänzlicher Rückſichtsloſigkeit
auf äußere Vortheile geſchloſſen, würden ander-
wärts für höchſt unglücklich gelten, da kaum eine
Barackenbewohnerin ihr Leben beſchließt, ohne Be-
kanntſchaft mit dem ſogenannten „braunen Heinrich,“
dem Stocke nämlich, gemacht zu haben. Sie aber
finden es ländlich, ſittlich, und leben der Ueber-
zeugung, daß eine gute Ehe wie ein gutes Gewebe
zuerſt des Einſchlags bedarf, um nachher ein tüch-
tiges Hausleinen zu liefern. Wollten wir eine
Zuſammenſtellung der unteren Volksklaſſen nach
den drei Hauptfarben Weſtphalens wagen, ſo würden
wir ſagen: der Sauerländer freit wie ein Kauf-
mann, nach Geld und Geſchicklichkeit und führt
auch ſeine Ehe ſo — kühl und auf gemeinſchaft-
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[255/0271] in ihre Baracken ſchlüpfen ſehen. Zuweilen folgen die Zollbeamten ihnen ſtundenweit; die Dörfer des Binnenlandes werden durch nächtliche Schüſſe und wüſtes Geſchrei aufgeſchreckt, — am nächſten Morgen zeigen Gänge durchs Kornfeld, in welcher Richtung die Schmuggler geflohen; zerſtampfte Flächen, wo ſie ſich mit den Zöllnern gepackt haben, und ein halbes Dutzend Taglöhner läßt ſich bei ſeinem Dienſtherrn krank melden. — Ihre Ehen, meiſt aus Leidenſchaft und mit gänzlicher Rückſichtsloſigkeit auf äußere Vortheile geſchloſſen, würden ander- wärts für höchſt unglücklich gelten, da kaum eine Barackenbewohnerin ihr Leben beſchließt, ohne Be- kanntſchaft mit dem ſogenannten „braunen Heinrich,“ dem Stocke nämlich, gemacht zu haben. Sie aber finden es ländlich, ſittlich, und leben der Ueber- zeugung, daß eine gute Ehe wie ein gutes Gewebe zuerſt des Einſchlags bedarf, um nachher ein tüch- tiges Hausleinen zu liefern. Wollten wir eine Zuſammenſtellung der unteren Volksklaſſen nach den drei Hauptfarben Weſtphalens wagen, ſo würden wir ſagen: der Sauerländer freit wie ein Kauf- mann, nach Geld und Geſchicklichkeit und führt auch ſeine Ehe ſo — kühl und auf gemeinſchaft- lichen Erwerb gerichtet. — Der Münſterländer freit wie ein Herrnhuther, gutem Rufe und dem Willen ſeiner Eltern gemäß, und liebt und trägt ſeine

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Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/271>, abgerufen am 25.11.2024.