in ihre Baracken schlüpfen sehen. Zuweilen folgen die Zollbeamten ihnen stundenweit; die Dörfer des Binnenlandes werden durch nächtliche Schüsse und wüstes Geschrei aufgeschreckt, -- am nächsten Morgen zeigen Gänge durchs Kornfeld, in welcher Richtung die Schmuggler geflohen; zerstampfte Flächen, wo sie sich mit den Zöllnern gepackt haben, und ein halbes Dutzend Taglöhner läßt sich bei seinem Dienstherrn krank melden. -- Ihre Ehen, meist aus Leidenschaft und mit gänzlicher Rücksichtslosigkeit auf äußere Vortheile geschlossen, würden ander- wärts für höchst unglücklich gelten, da kaum eine Barackenbewohnerin ihr Leben beschließt, ohne Be- kanntschaft mit dem sogenannten "braunen Heinrich," dem Stocke nämlich, gemacht zu haben. Sie aber finden es ländlich, sittlich, und leben der Ueber- zeugung, daß eine gute Ehe wie ein gutes Gewebe zuerst des Einschlags bedarf, um nachher ein tüch- tiges Hausleinen zu liefern. Wollten wir eine Zusammenstellung der unteren Volksklassen nach den drei Hauptfarben Westphalens wagen, so würden wir sagen: der Sauerländer freit wie ein Kauf- mann, nach Geld und Geschicklichkeit und führt auch seine Ehe so -- kühl und auf gemeinschaft- lichen Erwerb gerichtet. -- Der Münsterländer freit wie ein Herrnhuther, gutem Rufe und dem Willen seiner Eltern gemäß, und liebt und trägt seine
in ihre Baracken ſchlüpfen ſehen. Zuweilen folgen die Zollbeamten ihnen ſtundenweit; die Dörfer des Binnenlandes werden durch nächtliche Schüſſe und wüſtes Geſchrei aufgeſchreckt, — am nächſten Morgen zeigen Gänge durchs Kornfeld, in welcher Richtung die Schmuggler geflohen; zerſtampfte Flächen, wo ſie ſich mit den Zöllnern gepackt haben, und ein halbes Dutzend Taglöhner läßt ſich bei ſeinem Dienſtherrn krank melden. — Ihre Ehen, meiſt aus Leidenſchaft und mit gänzlicher Rückſichtsloſigkeit auf äußere Vortheile geſchloſſen, würden ander- wärts für höchſt unglücklich gelten, da kaum eine Barackenbewohnerin ihr Leben beſchließt, ohne Be- kanntſchaft mit dem ſogenannten „braunen Heinrich,“ dem Stocke nämlich, gemacht zu haben. Sie aber finden es ländlich, ſittlich, und leben der Ueber- zeugung, daß eine gute Ehe wie ein gutes Gewebe zuerſt des Einſchlags bedarf, um nachher ein tüch- tiges Hausleinen zu liefern. Wollten wir eine Zuſammenſtellung der unteren Volksklaſſen nach den drei Hauptfarben Weſtphalens wagen, ſo würden wir ſagen: der Sauerländer freit wie ein Kauf- mann, nach Geld und Geſchicklichkeit und führt auch ſeine Ehe ſo — kühl und auf gemeinſchaft- lichen Erwerb gerichtet. — Der Münſterländer freit wie ein Herrnhuther, gutem Rufe und dem Willen ſeiner Eltern gemäß, und liebt und trägt ſeine
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in ihre Baracken ſchlüpfen ſehen. Zuweilen folgen
die Zollbeamten ihnen ſtundenweit; die Dörfer des
Binnenlandes werden durch nächtliche Schüſſe und
wüſtes Geſchrei aufgeſchreckt, — am nächſten Morgen
zeigen Gänge durchs Kornfeld, in welcher Richtung
die Schmuggler geflohen; zerſtampfte Flächen, wo
ſie ſich mit den Zöllnern gepackt haben, und ein
halbes Dutzend Taglöhner läßt ſich bei ſeinem
Dienſtherrn krank melden. — Ihre Ehen, meiſt aus
Leidenſchaft und mit gänzlicher Rückſichtsloſigkeit
auf äußere Vortheile geſchloſſen, würden ander-
wärts für höchſt unglücklich gelten, da kaum eine
Barackenbewohnerin ihr Leben beſchließt, ohne Be-
kanntſchaft mit dem ſogenannten „braunen Heinrich,“
dem Stocke nämlich, gemacht zu haben. Sie aber
finden es ländlich, ſittlich, und leben der Ueber-
zeugung, daß eine gute Ehe wie ein gutes Gewebe
zuerſt des Einſchlags bedarf, um nachher ein tüch-
tiges Hausleinen zu liefern. Wollten wir eine
Zuſammenſtellung der unteren Volksklaſſen nach
den drei Hauptfarben Weſtphalens wagen, ſo würden
wir ſagen: der Sauerländer freit wie ein Kauf-
mann, nach Geld und Geſchicklichkeit und führt
auch ſeine Ehe ſo — kühl und auf gemeinſchaft-
lichen Erwerb gerichtet. — Der Münſterländer freit
wie ein Herrnhuther, gutem Rufe und dem Willen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/271>, abgerufen am 25.11.2024.
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