davon den Gemeinden zur Last fielen. Auch die Branntweinpest fordert hier nicht wenige Opfer, und bei diesem heftigen Blut wirkt das Uebermaß um so wilder und gefährlicher. Diese Verwahr- losung ist um so mehr zu beklagen, da es auch dem Letzten nicht leicht an Talenten und geistigen Mitteln gebricht, und seine schlaue Gewandtheit, sein Muth, seine tiefen einwohnenden Leidenschaften, und vor Allem seine reine Nationalität, verbunden mit dem markirten Aeußern, ihn zu einem allerdings würdi- gen Gegenstande der Aufmerksamkeit machen. -- Alter Gebräuche bei Festlichkeiten giebt es wenige und in seltener Anwendung, da der Paderborner jedem Zwange zu abgeneigt ist, als daß er sich eine Lust durch etwas, das nach Ceremoniell schmeckt, ver- derben solle. -- Bei den Hochzeiten z. B. fällt wenig Besonderes vor, das allerwärts bekannte Schlüssel- und Brod-Ueberreichen findet auch hier statt, d. h. wo es, außer einer alten Truhe, etwas giebt, was des Schlüssels bedarf, -- nachher geht Jeder seinem Jubel bei Tanz und Flasche nach, bis sich alles zum "Papen von Istrup" stellt, einem beliebten Nationaltanz, einem Durcheinanderwirbeln und Verschlingen, das erst nach dem Lichtanzünden beginnt, und dem "Reisenden für Völker- und Länderkunde" den Zeitpunkt angiebt, wo es für ihn gerathener sein möchte, sich zu entfernen, da fortan
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davon den Gemeinden zur Laſt fielen. Auch die Branntweinpeſt fordert hier nicht wenige Opfer, und bei dieſem heftigen Blut wirkt das Uebermaß um ſo wilder und gefährlicher. Dieſe Verwahr- loſung iſt um ſo mehr zu beklagen, da es auch dem Letzten nicht leicht an Talenten und geiſtigen Mitteln gebricht, und ſeine ſchlaue Gewandtheit, ſein Muth, ſeine tiefen einwohnenden Leidenſchaften, und vor Allem ſeine reine Nationalität, verbunden mit dem markirten Aeußern, ihn zu einem allerdings würdi- gen Gegenſtande der Aufmerkſamkeit machen. — Alter Gebräuche bei Feſtlichkeiten giebt es wenige und in ſeltener Anwendung, da der Paderborner jedem Zwange zu abgeneigt iſt, als daß er ſich eine Luſt durch etwas, das nach Ceremoniell ſchmeckt, ver- derben ſolle. — Bei den Hochzeiten z. B. fällt wenig Beſonderes vor, das allerwärts bekannte Schlüſſel- und Brod-Ueberreichen findet auch hier ſtatt, d. h. wo es, außer einer alten Truhe, etwas giebt, was des Schlüſſels bedarf, — nachher geht Jeder ſeinem Jubel bei Tanz und Flaſche nach, bis ſich alles zum „Papen von Iſtrup“ ſtellt, einem beliebten Nationaltanz, einem Durcheinanderwirbeln und Verſchlingen, das erſt nach dem Lichtanzünden beginnt, und dem „Reiſenden für Völker- und Länderkunde“ den Zeitpunkt angiebt, wo es für ihn gerathener ſein möchte, ſich zu entfernen, da fortan
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davon den Gemeinden zur Laſt fielen. Auch die
Branntweinpeſt fordert hier nicht wenige Opfer,
und bei dieſem heftigen Blut wirkt das Uebermaß
um ſo wilder und gefährlicher. Dieſe Verwahr-
loſung iſt um ſo mehr zu beklagen, da es auch dem
Letzten nicht leicht an Talenten und geiſtigen Mitteln
gebricht, und ſeine ſchlaue Gewandtheit, ſein Muth,
ſeine tiefen einwohnenden Leidenſchaften, und vor
Allem ſeine reine Nationalität, verbunden mit dem
markirten Aeußern, ihn zu einem allerdings würdi-
gen Gegenſtande der Aufmerkſamkeit machen. — Alter
Gebräuche bei Feſtlichkeiten giebt es wenige und
in ſeltener Anwendung, da der Paderborner jedem
Zwange zu abgeneigt iſt, als daß er ſich eine Luſt
durch etwas, das nach Ceremoniell ſchmeckt, ver-
derben ſolle. — Bei den Hochzeiten z. B. fällt
wenig Beſonderes vor, das allerwärts bekannte
Schlüſſel- und Brod-Ueberreichen findet auch hier
ſtatt, d. h. wo es, außer einer alten Truhe, etwas
giebt, was des Schlüſſels bedarf, — nachher geht
Jeder ſeinem Jubel bei Tanz und Flaſche nach,
bis ſich alles zum „Papen von Iſtrup“ ſtellt, einem
beliebten Nationaltanz, einem Durcheinanderwirbeln
und Verſchlingen, das erſt nach dem Lichtanzünden
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Länderkunde“ den Zeitpunkt angiebt, wo es für ihn
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/273>, abgerufen am 25.11.2024.
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