die Aufregung der Gäste bis zu einer Höhe steigt, deren Culminationspunkt nicht voraus zu berechn en ist. -- Ist die Braut eine echte "Flüggebraut," eine Braut in Kranz und fliegenden Haaren, so tritt sie gewiß stolz wie eine Fürstin auf, und dieses glorreiche Familienereigniß wird noch der Ruhm ihrer Nachkommen, die sich dessen wohl zu rühmen wissen, wie stattlich sie mit Spiegeln und Flittergold in den Haaren einhergestrahlt sei. Lieber als eine Hochzeit ist dem Paderborner noch die Fastnacht, an deren erstem Tage (Sonntag Esto mihi) der Bursche dahersteigt, in der Hand, auf goldenem Apfel, einen befiederten Hahn aus Brod- teig, den er seiner Liebsten verehrt, oder auch der Edelfrau, nämlich, wenn es ihm an Geld für die kommenden nassen Tage fehlt. -- Am Montag ist der Jubel im tollsten Gange, selbst Bettler, die nichts anderes haben, hängen ihr geflicktes Bettuch über den Kopf, und binden einen durchlöcherten Papierbogen vor's Gesicht, und diese machen, wie sie mit ihren, aus der weißen Umrändung blitzenden Augen und langen Nasenschnäbeln die Mauern entlang taumeln, einen noch grausigeren Eindruck wie die eigentlichen Maskenzüge, die in scheußlichen Verkleidungen mit Geheul und Hurrah auf Acker- gäulen durch die Felder galoppiren, alle hundert Schritte einen Sandreiter zurücklassend, der ihnen
die Aufregung der Gäſte bis zu einer Höhe ſteigt, deren Culminationspunkt nicht voraus zu berechn en iſt. — Iſt die Braut eine echte „Flüggebraut,“ eine Braut in Kranz und fliegenden Haaren, ſo tritt ſie gewiß ſtolz wie eine Fürſtin auf, und dieſes glorreiche Familienereigniß wird noch der Ruhm ihrer Nachkommen, die ſich deſſen wohl zu rühmen wiſſen, wie ſtattlich ſie mit Spiegeln und Flittergold in den Haaren einhergeſtrahlt ſei. Lieber als eine Hochzeit iſt dem Paderborner noch die Faſtnacht, an deren erſtem Tage (Sonntag Esto mihi) der Burſche daherſteigt, in der Hand, auf goldenem Apfel, einen befiederten Hahn aus Brod- teig, den er ſeiner Liebſten verehrt, oder auch der Edelfrau, nämlich, wenn es ihm an Geld für die kommenden naſſen Tage fehlt. — Am Montag iſt der Jubel im tollſten Gange, ſelbſt Bettler, die nichts anderes haben, hängen ihr geflicktes Bettuch über den Kopf, und binden einen durchlöcherten Papierbogen vor’s Geſicht, und dieſe machen, wie ſie mit ihren, aus der weißen Umrändung blitzenden Augen und langen Naſenſchnäbeln die Mauern entlang taumeln, einen noch grauſigeren Eindruck wie die eigentlichen Maskenzüge, die in ſcheußlichen Verkleidungen mit Geheul und Hurrah auf Acker- gäulen durch die Felder galoppiren, alle hundert Schritte einen Sandreiter zurücklaſſend, der ihnen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0274"n="258"/>
die Aufregung der Gäſte bis zu einer Höhe ſteigt,<lb/>
deren Culminationspunkt nicht voraus zu berechn en<lb/>
iſt. — Iſt die Braut eine echte „Flüggebraut,“<lb/>
eine Braut in Kranz und fliegenden Haaren, ſo<lb/>
tritt ſie gewiß ſtolz wie eine Fürſtin auf, und<lb/>
dieſes glorreiche Familienereigniß wird noch der<lb/>
Ruhm ihrer Nachkommen, die ſich deſſen wohl zu<lb/>
rühmen wiſſen, wie ſtattlich ſie mit Spiegeln und<lb/>
Flittergold in den Haaren einhergeſtrahlt ſei. Lieber<lb/>
als eine Hochzeit iſt dem Paderborner noch die<lb/>
Faſtnacht, an deren erſtem Tage (Sonntag <hirendition="#aq">Esto<lb/>
mihi</hi>) der Burſche daherſteigt, in der Hand, auf<lb/>
goldenem Apfel, einen befiederten Hahn aus Brod-<lb/>
teig, den er ſeiner Liebſten verehrt, oder auch der<lb/>
Edelfrau, nämlich, wenn es ihm an Geld für die<lb/>
kommenden naſſen Tage fehlt. — Am Montag iſt<lb/>
der Jubel im tollſten Gange, ſelbſt Bettler, die<lb/>
nichts anderes haben, hängen ihr geflicktes Bettuch<lb/>
über den Kopf, und binden einen durchlöcherten<lb/>
Papierbogen vor’s Geſicht, und dieſe machen, wie<lb/>ſie mit ihren, aus der weißen Umrändung blitzenden<lb/>
Augen und langen Naſenſchnäbeln die Mauern<lb/>
entlang taumeln, einen noch grauſigeren Eindruck<lb/>
wie die eigentlichen Maskenzüge, die in ſcheußlichen<lb/>
Verkleidungen mit Geheul und Hurrah auf Acker-<lb/>
gäulen durch die Felder galoppiren, alle hundert<lb/>
Schritte einen Sandreiter zurücklaſſend, der ihnen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[258/0274]
die Aufregung der Gäſte bis zu einer Höhe ſteigt,
deren Culminationspunkt nicht voraus zu berechn en
iſt. — Iſt die Braut eine echte „Flüggebraut,“
eine Braut in Kranz und fliegenden Haaren, ſo
tritt ſie gewiß ſtolz wie eine Fürſtin auf, und
dieſes glorreiche Familienereigniß wird noch der
Ruhm ihrer Nachkommen, die ſich deſſen wohl zu
rühmen wiſſen, wie ſtattlich ſie mit Spiegeln und
Flittergold in den Haaren einhergeſtrahlt ſei. Lieber
als eine Hochzeit iſt dem Paderborner noch die
Faſtnacht, an deren erſtem Tage (Sonntag Esto
mihi) der Burſche daherſteigt, in der Hand, auf
goldenem Apfel, einen befiederten Hahn aus Brod-
teig, den er ſeiner Liebſten verehrt, oder auch der
Edelfrau, nämlich, wenn es ihm an Geld für die
kommenden naſſen Tage fehlt. — Am Montag iſt
der Jubel im tollſten Gange, ſelbſt Bettler, die
nichts anderes haben, hängen ihr geflicktes Bettuch
über den Kopf, und binden einen durchlöcherten
Papierbogen vor’s Geſicht, und dieſe machen, wie
ſie mit ihren, aus der weißen Umrändung blitzenden
Augen und langen Naſenſchnäbeln die Mauern
entlang taumeln, einen noch grauſigeren Eindruck
wie die eigentlichen Maskenzüge, die in ſcheußlichen
Verkleidungen mit Geheul und Hurrah auf Acker-
gäulen durch die Felder galoppiren, alle hundert
Schritte einen Sandreiter zurücklaſſend, der ihnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/274>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.