Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

wüst nachjohlt, oder als ein hinkendes Ungethüm
in's Dorf zurückkrächzt. Sehr beliebt ist auch das
Schützenfest, zum Theil der Ironie wegen, da an
diesem Tage der "Wildschütz" vor dem Auge der
sein Gewerb ignorirenden Herrschaft mit seinem
sicheren Blicke und seiner festen Hand paradiren darf,
und oft der schlimmste Schelm, dem die Förster
schon wochenlang nachstellten, dem gnädigen Fräu-
lein Strauß und Ehrenschärpe als seiner Königin
überreicht und mit ihr die Ceremonie des ersten
Tanzes durchmacht. -- Ihm folgt am nächsten
Tage das Frauenschießen, eine galante Sitte, die
man hier am wenigsten suchen sollte, und die
sich anmuthig genug ausnimmt. Morgens in aller
Frühe ziehen alle Ehefrauen der Gemeinde, unter
ihnen manche blutjunge und hübsche, von dem
Edelhofe aus, in ihren goldenen Häubchen und
Stirnbinden, bebändert und bestraußt, jede mit dem
Gewehr ihres Mannes über die Schulter. Voran
die Frau des Schützenkönigs, mit den Abzeichen
ihrer Würde, dem Säbel an der Seite, wie weiland
Maria Theresia auf den Kremnitzer Dukaten; ihr
zunächst die Fähndrichin mit der weißen Schützen-
fahne; auf dem Hofe wird Halt gemacht, die Kö-
nigin zieht den Säbel, kommandirt -- rechts --
links -- kurz alle militärischen Evolutionen; dann
wird die Fahne geschwenkt, und das blanke Regiment

17*

wüſt nachjohlt, oder als ein hinkendes Ungethüm
in’s Dorf zurückkrächzt. Sehr beliebt iſt auch das
Schützenfeſt, zum Theil der Ironie wegen, da an
dieſem Tage der „Wildſchütz“ vor dem Auge der
ſein Gewerb ignorirenden Herrſchaft mit ſeinem
ſicheren Blicke und ſeiner feſten Hand paradiren darf,
und oft der ſchlimmſte Schelm, dem die Förſter
ſchon wochenlang nachſtellten, dem gnädigen Fräu-
lein Strauß und Ehrenſchärpe als ſeiner Königin
überreicht und mit ihr die Ceremonie des erſten
Tanzes durchmacht. — Ihm folgt am nächſten
Tage das Frauenſchießen, eine galante Sitte, die
man hier am wenigſten ſuchen ſollte, und die
ſich anmuthig genug ausnimmt. Morgens in aller
Frühe ziehen alle Ehefrauen der Gemeinde, unter
ihnen manche blutjunge und hübſche, von dem
Edelhofe aus, in ihren goldenen Häubchen und
Stirnbinden, bebändert und beſtraußt, jede mit dem
Gewehr ihres Mannes über die Schulter. Voran
die Frau des Schützenkönigs, mit den Abzeichen
ihrer Würde, dem Säbel an der Seite, wie weiland
Maria Thereſia auf den Kremnitzer Dukaten; ihr
zunächſt die Fähndrichin mit der weißen Schützen-
fahne; auf dem Hofe wird Halt gemacht, die Kö-
nigin zieht den Säbel, kommandirt — rechts —
links — kurz alle militäriſchen Evolutionen; dann
wird die Fahne geſchwenkt, und das blanke Regiment

17*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0275" n="259"/>&#x017F;t nachjohlt, oder als ein hinkendes Ungethüm<lb/>
in&#x2019;s Dorf zurückkrächzt. Sehr beliebt i&#x017F;t auch das<lb/>
Schützenfe&#x017F;t, zum Theil der Ironie wegen, da an<lb/>
die&#x017F;em Tage der &#x201E;Wild&#x017F;chütz&#x201C; vor dem Auge der<lb/>
&#x017F;ein Gewerb ignorirenden Herr&#x017F;chaft mit &#x017F;einem<lb/>
&#x017F;icheren Blicke und &#x017F;einer fe&#x017F;ten Hand paradiren darf,<lb/>
und oft der &#x017F;chlimm&#x017F;te Schelm, dem die För&#x017F;ter<lb/>
&#x017F;chon wochenlang nach&#x017F;tellten, dem gnädigen Fräu-<lb/>
lein Strauß und Ehren&#x017F;chärpe als &#x017F;einer Königin<lb/>
überreicht und mit ihr die Ceremonie des er&#x017F;ten<lb/>
Tanzes durchmacht. &#x2014; Ihm folgt am näch&#x017F;ten<lb/>
Tage das Frauen&#x017F;chießen, eine galante Sitte, die<lb/>
man hier am wenig&#x017F;ten &#x017F;uchen &#x017F;ollte, und die<lb/>
&#x017F;ich anmuthig genug ausnimmt. Morgens in aller<lb/>
Frühe ziehen alle Ehefrauen der Gemeinde, unter<lb/>
ihnen manche blutjunge und hüb&#x017F;che, von dem<lb/>
Edelhofe aus, in ihren goldenen Häubchen und<lb/>
Stirnbinden, bebändert und be&#x017F;traußt, jede mit dem<lb/>
Gewehr ihres Mannes über die Schulter. Voran<lb/>
die Frau des Schützenkönigs, mit den Abzeichen<lb/>
ihrer Würde, dem Säbel an der Seite, wie weiland<lb/>
Maria There&#x017F;ia auf den Kremnitzer Dukaten; ihr<lb/>
zunäch&#x017F;t die Fähndrichin mit der weißen Schützen-<lb/>
fahne; auf dem Hofe wird Halt gemacht, die Kö-<lb/>
nigin zieht den Säbel, kommandirt &#x2014; rechts &#x2014;<lb/>
links &#x2014; kurz alle militäri&#x017F;chen Evolutionen; dann<lb/>
wird die Fahne ge&#x017F;chwenkt, und das blanke Regiment<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">17*</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[259/0275] wüſt nachjohlt, oder als ein hinkendes Ungethüm in’s Dorf zurückkrächzt. Sehr beliebt iſt auch das Schützenfeſt, zum Theil der Ironie wegen, da an dieſem Tage der „Wildſchütz“ vor dem Auge der ſein Gewerb ignorirenden Herrſchaft mit ſeinem ſicheren Blicke und ſeiner feſten Hand paradiren darf, und oft der ſchlimmſte Schelm, dem die Förſter ſchon wochenlang nachſtellten, dem gnädigen Fräu- lein Strauß und Ehrenſchärpe als ſeiner Königin überreicht und mit ihr die Ceremonie des erſten Tanzes durchmacht. — Ihm folgt am nächſten Tage das Frauenſchießen, eine galante Sitte, die man hier am wenigſten ſuchen ſollte, und die ſich anmuthig genug ausnimmt. Morgens in aller Frühe ziehen alle Ehefrauen der Gemeinde, unter ihnen manche blutjunge und hübſche, von dem Edelhofe aus, in ihren goldenen Häubchen und Stirnbinden, bebändert und beſtraußt, jede mit dem Gewehr ihres Mannes über die Schulter. Voran die Frau des Schützenkönigs, mit den Abzeichen ihrer Würde, dem Säbel an der Seite, wie weiland Maria Thereſia auf den Kremnitzer Dukaten; ihr zunächſt die Fähndrichin mit der weißen Schützen- fahne; auf dem Hofe wird Halt gemacht, die Kö- nigin zieht den Säbel, kommandirt — rechts — links — kurz alle militäriſchen Evolutionen; dann wird die Fahne geſchwenkt, und das blanke Regiment 17*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/275
Zitationshilfe: Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/275>, abgerufen am 16.06.2024.