zieht mit einem feinen Hurrah dem Schießplatze zu, wo jede -- Manche mit der zierlichsten Koketterie -- ihr Gewehr ein paar mal abfeuert, um unter klingendem Spiele nach der Schenke zu marschiren, wo es heute keinen König giebt, sondern nur eine Königin und ihren Hof, die alles anordnen, und von denen sich die Männer heute Alles gefallen lassen. Einen gleich starken Gegensatz zu den derben Sitten des Landes giebt der Beginn des Erndtefestes. Dieses wird nur auf Edelhöfen und großen Pachtungen im altherkömmlichen Style gefeiert. Der voranschreitenden Musik folgt der Erndtewagen mit dem letzten Fuder, auf dessen Garben die Großmagd thront, über sich auf einer Stange den funkelnden Erndtekranz; dann folgen sämmtliche Dienstleute, paarweise mit gefalteten Händen, die Männer baarhaupt, so ziehen sie lang- sam über das Feld dem Edelhofe zu, das Te Deum nach der schönen alten Melodie des katholischen Ritus absingend, ohne Begleitung, aber bei jedem dritten Verse von den Blasinstrumenten abgelöst, was sich überaus feierlich macht, und gerade bei diesen Menschen, und unter freiem Himmel etwas wahrhaft Ergreifendes hat. Im Hofe angelangt, steigt die Großmagd ab, und trägt ihren Kranz mit einem artigen Spruche zu jedem Mitgliede der Familie, vom Hausherrn an bis zum kleinsten
zieht mit einem feinen Hurrah dem Schießplatze zu, wo jede — Manche mit der zierlichſten Koketterie — ihr Gewehr ein paar mal abfeuert, um unter klingendem Spiele nach der Schenke zu marſchiren, wo es heute keinen König giebt, ſondern nur eine Königin und ihren Hof, die alles anordnen, und von denen ſich die Männer heute Alles gefallen laſſen. Einen gleich ſtarken Gegenſatz zu den derben Sitten des Landes giebt der Beginn des Erndtefeſtes. Dieſes wird nur auf Edelhöfen und großen Pachtungen im altherkömmlichen Style gefeiert. Der voranſchreitenden Muſik folgt der Erndtewagen mit dem letzten Fuder, auf deſſen Garben die Großmagd thront, über ſich auf einer Stange den funkelnden Erndtekranz; dann folgen ſämmtliche Dienſtleute, paarweiſe mit gefalteten Händen, die Männer baarhaupt, ſo ziehen ſie lang- ſam über das Feld dem Edelhofe zu, das Te Deum nach der ſchönen alten Melodie des katholiſchen Ritus abſingend, ohne Begleitung, aber bei jedem dritten Verſe von den Blasinſtrumenten abgelöſt, was ſich überaus feierlich macht, und gerade bei dieſen Menſchen, und unter freiem Himmel etwas wahrhaft Ergreifendes hat. Im Hofe angelangt, ſteigt die Großmagd ab, und trägt ihren Kranz mit einem artigen Spruche zu jedem Mitgliede der Familie, vom Hausherrn an bis zum kleinſten
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wo jede — Manche mit der zierlichſten Koketterie
— ihr Gewehr ein paar mal abfeuert, um unter
klingendem Spiele nach der Schenke zu marſchiren,
wo es heute keinen König giebt, ſondern nur eine
Königin und ihren Hof, die alles anordnen, und
von denen ſich die Männer heute Alles gefallen
laſſen. Einen gleich ſtarken Gegenſatz zu den
derben Sitten des Landes giebt der Beginn des
Erndtefeſtes. Dieſes wird nur auf Edelhöfen
und großen Pachtungen im altherkömmlichen Style
gefeiert. Der voranſchreitenden Muſik folgt der
Erndtewagen mit dem letzten Fuder, auf deſſen
Garben die Großmagd thront, über ſich auf einer
Stange den funkelnden Erndtekranz; dann folgen
ſämmtliche Dienſtleute, paarweiſe mit gefalteten
Händen, die Männer baarhaupt, ſo ziehen ſie lang-
ſam über das Feld dem Edelhofe zu, das Te Deum
nach der ſchönen alten Melodie des katholiſchen
Ritus abſingend, ohne Begleitung, aber bei jedem
dritten Verſe von den Blasinſtrumenten abgelöſt,
was ſich überaus feierlich macht, und gerade bei
dieſen Menſchen, und unter freiem Himmel etwas
wahrhaft Ergreifendes hat. Im Hofe angelangt,
ſteigt die Großmagd ab, und trägt ihren Kranz
mit einem artigen Spruche zu jedem Mitgliede der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/276>, abgerufen am 25.11.2024.
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