und Kindern auf dem Arm, sich vor dem Haupt- gebäude zusammendrängte und wie ein Nest junger Teufel zu krähen anfing: "Wir revoltiren! wir protestiren! wir wollen den Meier behalten! unsere Kerle sind auf dem Felde und mähen, und haben uns geschickt, wir revoltiren!" Der Gutsherr trat ans Fenster und rief hinaus: "Weiber! macht euch fort, der Amtmann (Justitiar) ist noch nicht da," worauf der Schwarm sich allmählich, unter Geschrei und Fluchen verlor. Als nach einigen Stunden die Sitzung begonnen hatte, und die bereits abge- haltenen Verhöre verlesen wurden, erhob sich unter den Fenstern des Gerichtslokals ein dumpfes, viel- stimmiges Gemurmel, das immer zunahm, -- dann drängten sich ein paar starkknochige Männer in die Stube, -- wieder andere, in Kurzem war sie zum Ersticken überfüllt. Der Justitiar, an solche Auftritte gewöhnt, befahl ihnen mit ernster Stimme hinauszugehen; -- sie gehorchten wirklich, stellten sich aber, wie er sehr wohl sah, vor der Thür auf; zugleich bemerkte er, daß Einige, mit grimmigem Blicke auf die Gegenpartei, ihre Kittel lüfteten und kurze schwere Knittel sichtbar werden ließen, was von der anderen Seite mit einer ähn- lichen Pantomime erwiedert wurde. -- Dennoch las er das Urtheil mit ziemlicher Fassung ab, und schritt dann, seinen Gefährten am Kleide zupfend,
und Kindern auf dem Arm, ſich vor dem Haupt- gebäude zuſammendrängte und wie ein Neſt junger Teufel zu krähen anfing: „Wir revoltiren! wir proteſtiren! wir wollen den Meier behalten! unſere Kerle ſind auf dem Felde und mähen, und haben uns geſchickt, wir revoltiren!“ Der Gutsherr trat ans Fenſter und rief hinaus: „Weiber! macht euch fort, der Amtmann (Juſtitiar) iſt noch nicht da,“ worauf der Schwarm ſich allmählich, unter Geſchrei und Fluchen verlor. Als nach einigen Stunden die Sitzung begonnen hatte, und die bereits abge- haltenen Verhöre verleſen wurden, erhob ſich unter den Fenſtern des Gerichtslokals ein dumpfes, viel- ſtimmiges Gemurmel, das immer zunahm, — dann drängten ſich ein paar ſtarkknochige Männer in die Stube, — wieder andere, in Kurzem war ſie zum Erſticken überfüllt. Der Juſtitiar, an ſolche Auftritte gewöhnt, befahl ihnen mit ernſter Stimme hinauszugehen; — ſie gehorchten wirklich, ſtellten ſich aber, wie er ſehr wohl ſah, vor der Thür auf; zugleich bemerkte er, daß Einige, mit grimmigem Blicke auf die Gegenpartei, ihre Kittel lüfteten und kurze ſchwere Knittel ſichtbar werden ließen, was von der anderen Seite mit einer ähn- lichen Pantomime erwiedert wurde. — Dennoch las er das Urtheil mit ziemlicher Faſſung ab, und ſchritt dann, ſeinen Gefährten am Kleide zupfend,
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gebäude zuſammendrängte und wie ein Neſt junger
Teufel zu krähen anfing: „Wir revoltiren! wir
proteſtiren! wir wollen den Meier behalten! unſere
Kerle ſind auf dem Felde und mähen, und haben
uns geſchickt, wir revoltiren!“ Der Gutsherr trat
ans Fenſter und rief hinaus: „Weiber! macht euch
fort, der Amtmann (Juſtitiar) iſt noch nicht da,“
worauf der Schwarm ſich allmählich, unter Geſchrei
und Fluchen verlor. Als nach einigen Stunden
die Sitzung begonnen hatte, und die bereits abge-
haltenen Verhöre verleſen wurden, erhob ſich unter
den Fenſtern des Gerichtslokals ein dumpfes, viel-
ſtimmiges Gemurmel, das immer zunahm, —
dann drängten ſich ein paar ſtarkknochige Männer
in die Stube, — wieder andere, in Kurzem war
ſie zum Erſticken überfüllt. Der Juſtitiar, an
ſolche Auftritte gewöhnt, befahl ihnen mit ernſter
Stimme hinauszugehen; — ſie gehorchten wirklich,
ſtellten ſich aber, wie er ſehr wohl ſah, vor der
Thür auf; zugleich bemerkte er, daß Einige, mit
grimmigem Blicke auf die Gegenpartei, ihre Kittel
lüfteten und kurze ſchwere Knittel ſichtbar werden
ließen, was von der anderen Seite mit einer ähn-
lichen Pantomime erwiedert wurde. — Dennoch
las er das Urtheil mit ziemlicher Faſſung ab, und
ſchritt dann, ſeinen Gefährten am Kleide zupfend,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/283>, abgerufen am 25.11.2024.
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