zu bringen, obwohl jetzt eher, als wie vor dreißig Jahren, wo wir in einer Pfarre von fünftausend Seelen ein einziges uneheliches Kind antrafen.
Bettler giebt es unter dem Landvolke nicht, weder dem Namen, noch der That nach, sondern nur in jeder Gemeinde einige "arme Männer oder Frauen," denen in bemittelten Häusern nach der Reihe die Kost gereicht wird, wo dann die nach- lässigste Mutter ihr Kind strafen würde, wenn es an dem "armen Mann" vorüberging, ohne ihn zu grüßen. -- So ist Raum, Nahrung und Frieden für Alle da, -- die Regierung möchte gern zu einer stärkeren Bevölkerung anregen, die aber gewiß traurige Folgen haben würde bei einem Volke, das wohl ein Eigenthum verständig zu bewirthschaften weiß, dem es aber zum Gewerbe mit leerer Hand gänzlich an Geschick und Energie fehlt, und das Sprichwort: "Noth lehrt beten" (resp. arbeiten), würde sich schwerlich hinlänglich hier bewähren, wo schon die laue, feuchte Luft den Menschen träu- merisch macht, und seine Schüchternheit zum Theil körperlich ist, so daß man ihn nur anzusehen braucht, um das langsame Rollen seines Bluts gleichsam mitzufühlen.
Der Münsterländer ist groß, fleischig, selten von großer Muskelkraft; seine Züge sind weich, oft äußerst lieblich, und immer durch einen Ausdruck
zu bringen, obwohl jetzt eher, als wie vor dreißig Jahren, wo wir in einer Pfarre von fünftauſend Seelen ein einziges uneheliches Kind antrafen.
Bettler giebt es unter dem Landvolke nicht, weder dem Namen, noch der That nach, ſondern nur in jeder Gemeinde einige „arme Männer oder Frauen,“ denen in bemittelten Häuſern nach der Reihe die Koſt gereicht wird, wo dann die nach- läſſigſte Mutter ihr Kind ſtrafen würde, wenn es an dem „armen Mann“ vorüberging, ohne ihn zu grüßen. — So iſt Raum, Nahrung und Frieden für Alle da, — die Regierung möchte gern zu einer ſtärkeren Bevölkerung anregen, die aber gewiß traurige Folgen haben würde bei einem Volke, das wohl ein Eigenthum verſtändig zu bewirthſchaften weiß, dem es aber zum Gewerbe mit leerer Hand gänzlich an Geſchick und Energie fehlt, und das Sprichwort: „Noth lehrt beten“ (resp. arbeiten), würde ſich ſchwerlich hinlänglich hier bewähren, wo ſchon die laue, feuchte Luft den Menſchen träu- meriſch macht, und ſeine Schüchternheit zum Theil körperlich iſt, ſo daß man ihn nur anzuſehen braucht, um das langſame Rollen ſeines Bluts gleichſam mitzufühlen.
Der Münſterländer iſt groß, fleiſchig, ſelten von großer Muskelkraft; ſeine Züge ſind weich, oft äußerſt lieblich, und immer durch einen Ausdruck
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zu bringen, obwohl jetzt eher, als wie vor dreißig
Jahren, wo wir in einer Pfarre von fünftauſend
Seelen ein einziges uneheliches Kind antrafen.
Bettler giebt es unter dem Landvolke nicht,
weder dem Namen, noch der That nach, ſondern
nur in jeder Gemeinde einige „arme Männer oder
Frauen,“ denen in bemittelten Häuſern nach der
Reihe die Koſt gereicht wird, wo dann die nach-
läſſigſte Mutter ihr Kind ſtrafen würde, wenn es
an dem „armen Mann“ vorüberging, ohne ihn
zu grüßen. — So iſt Raum, Nahrung und Frieden
für Alle da, — die Regierung möchte gern zu
einer ſtärkeren Bevölkerung anregen, die aber gewiß
traurige Folgen haben würde bei einem Volke, das
wohl ein Eigenthum verſtändig zu bewirthſchaften
weiß, dem es aber zum Gewerbe mit leerer Hand
gänzlich an Geſchick und Energie fehlt, und das
Sprichwort: „Noth lehrt beten“ (resp. arbeiten),
würde ſich ſchwerlich hinlänglich hier bewähren, wo
ſchon die laue, feuchte Luft den Menſchen träu-
meriſch macht, und ſeine Schüchternheit zum Theil
körperlich iſt, ſo daß man ihn nur anzuſehen braucht,
um das langſame Rollen ſeines Bluts gleichſam
mitzufühlen.
Der Münſterländer iſt groß, fleiſchig, ſelten
von großer Muskelkraft; ſeine Züge ſind weich, oft
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/290>, abgerufen am 18.06.2024.
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