diesen Umständen die möglichst große Anzahl der Anträge noch ehrenvoller und für den Ruf ent- scheidender ist, als anderwärts, begreift sich, und wir selbst wohnten der Trauung eines wahren Kleinodes von Brautpaare bei, wo der Bräutigam unter acht- undzwanzigen, die Braut unter zweiunddreißigen gewählt hatte. Trotz der vorläufigen Verhandlung ist jedoch selbst der Glänzendste hier seines Erfolges nicht sicher, da die Ehrbarkeit ein bestimmtes Ein- gehen auf die Anträge des Brautwerbers verbietet, und jetzt beginnt die Aufgabe des Freiers. Er tritt an einem Nachmittage in das Haus der Gesuchten und zwar jedesmal unter dem Vorwande, seine Pfeife anzuzünden, -- die Hausfrau setzt ihm einen Stuhl und schürt schweigend die Gluth auf, dann knüpft sie ein gleichgültiges Gespräch an vom Wetter, den Kornfrüchten etc. und nimmt unterdessen eine Pfanne vom Gesimse, die sie sorgfältig scheuert und über die Kohlen hängt. Jetzt ist der entscheidende Augenblick gekommen. -- Sieht der Freier die Vor- bereitungen zu einem Pfannenkuchen, so zieht er seine dicke silberne Uhr hervor und behauptet, sich nicht länger aufhalten zu können; werden aber Speck- schnitzel und Eier in die Pfanne gelegt, so rückt er kühnlich mit seinem Antrage heraus, die jungen Leute wechseln "die Treue," nämlich ein Paar alte Schaumünzen, und der Handel ist geschlossen.
dieſen Umſtänden die möglichſt große Anzahl der Anträge noch ehrenvoller und für den Ruf ent- ſcheidender iſt, als anderwärts, begreift ſich, und wir ſelbſt wohnten der Trauung eines wahren Kleinodes von Brautpaare bei, wo der Bräutigam unter acht- undzwanzigen, die Braut unter zweiunddreißigen gewählt hatte. Trotz der vorläufigen Verhandlung iſt jedoch ſelbſt der Glänzendſte hier ſeines Erfolges nicht ſicher, da die Ehrbarkeit ein beſtimmtes Ein- gehen auf die Anträge des Brautwerbers verbietet, und jetzt beginnt die Aufgabe des Freiers. Er tritt an einem Nachmittage in das Haus der Geſuchten und zwar jedesmal unter dem Vorwande, ſeine Pfeife anzuzünden, — die Hausfrau ſetzt ihm einen Stuhl und ſchürt ſchweigend die Gluth auf, dann knüpft ſie ein gleichgültiges Geſpräch an vom Wetter, den Kornfrüchten ꝛc. und nimmt unterdeſſen eine Pfanne vom Geſimſe, die ſie ſorgfältig ſcheuert und über die Kohlen hängt. Jetzt iſt der entſcheidende Augenblick gekommen. — Sieht der Freier die Vor- bereitungen zu einem Pfannenkuchen, ſo zieht er ſeine dicke ſilberne Uhr hervor und behauptet, ſich nicht länger aufhalten zu können; werden aber Speck- ſchnitzel und Eier in die Pfanne gelegt, ſo rückt er kühnlich mit ſeinem Antrage heraus, die jungen Leute wechſeln „die Treue,“ nämlich ein Paar alte Schaumünzen, und der Handel iſt geſchloſſen.
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dieſen Umſtänden die möglichſt große Anzahl der
Anträge noch ehrenvoller und für den Ruf ent-
ſcheidender iſt, als anderwärts, begreift ſich, und wir
ſelbſt wohnten der Trauung eines wahren Kleinodes
von Brautpaare bei, wo der Bräutigam unter acht-
undzwanzigen, die Braut unter zweiunddreißigen
gewählt hatte. Trotz der vorläufigen Verhandlung
iſt jedoch ſelbſt der Glänzendſte hier ſeines Erfolges
nicht ſicher, da die Ehrbarkeit ein beſtimmtes Ein-
gehen auf die Anträge des Brautwerbers verbietet,
und jetzt beginnt die Aufgabe des Freiers. Er tritt
an einem Nachmittage in das Haus der Geſuchten
und zwar jedesmal unter dem Vorwande, ſeine
Pfeife anzuzünden, — die Hausfrau ſetzt ihm einen
Stuhl und ſchürt ſchweigend die Gluth auf, dann
knüpft ſie ein gleichgültiges Geſpräch an vom Wetter,
den Kornfrüchten ꝛc. und nimmt unterdeſſen eine
Pfanne vom Geſimſe, die ſie ſorgfältig ſcheuert und
über die Kohlen hängt. Jetzt iſt der entſcheidende
Augenblick gekommen. — Sieht der Freier die Vor-
bereitungen zu einem Pfannenkuchen, ſo zieht er
ſeine dicke ſilberne Uhr hervor und behauptet, ſich
nicht länger aufhalten zu können; werden aber Speck-
ſchnitzel und Eier in die Pfanne gelegt, ſo rückt er
kühnlich mit ſeinem Antrage heraus, die jungen
Leute wechſeln „die Treue,“ nämlich ein Paar alte
Schaumünzen, und der Handel iſt geſchloſſen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schü… [mehr]
Die "Letzten Gaben" (1860), postum von Levin Schücking aus dem Nachlass Annette von Droste-Hülshoffs herausgegeben, enthalten mehrere Texte, die zum Teil zu Lebzeiten der Autorin bereits andernorts veröffentlicht worden waren. Beispielsweise erschien Droste-Hülshoffs Novelle "Die Judenbuche" zuerst 1842 im "Morgenblatt für gebildete Leser"; die "Westfälischen Schilderungen" erschienen 1845 in den "Historisch-politischen Blättern für das katholische Deutschland". Einzelne Gedichte sind in Journalen und Jahrbüchern erschienen, andere wurden aus dem Nachlass erstmals in der hier digitalisierten Edition von Levin Schücking veröffentlicht (z.B. die Gedichte "Der Nachtwanderer", "Doppeltgänger" und "Halt fest!"). In den meisten Fällen handelt es sich somit nicht um Erstveröffentlichungen der Texte, wohl aber um die erste Publikation in Buchform, weshalb die Nachlassedition für das DTA herangezogen wurde.
Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droste_letzte_1860/295>, abgerufen am 24.11.2024.
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