Droste-Hülshoff, Annette von: Letzte Gaben. Nachgelassene Blätter. Hrsg. v. Levin Schücking. Hannover, 1860.Mein Sitz war dicht am Wege, Ich konnte ruhig späh'n; Doch mich, verhüllt vom Strauche, Mich hat man nicht geseh'n; Wenn knarrend Wagen rollten, Dann drang zu mir der Staub, Und wenn die Vöglein hüpften, Dann zitterte das Laub. Und nahe mir am Hange 'Ne alte Buche stand, Um die der ernste Eppich Sich hoch und höher wand. Sein düstres Grün umrankte Noch manchen kranken Zweig; Doch die gesunden spielten Wie doppelt grün und reich. Es war im Maienmonde, Die Blätter atlaszart; Wie hast du alter Knabe So frisches Herz bewahrt? Auf einer Seite thränend Und auf der andern licht, Zeigst du auf grüner Säule Ein Janusangesicht. Mein Sitz war dicht am Wege, Ich konnte ruhig ſpäh’n; Doch mich, verhüllt vom Strauche, Mich hat man nicht geſeh’n; Wenn knarrend Wagen rollten, Dann drang zu mir der Staub, Und wenn die Vöglein hüpften, Dann zitterte das Laub. Und nahe mir am Hange ’Ne alte Buche ſtand, Um die der ernſte Eppich Sich hoch und höher wand. Sein düſtres Grün umrankte Noch manchen kranken Zweig; Doch die geſunden ſpielten Wie doppelt grün und reich. Es war im Maienmonde, Die Blätter atlaszart; Wie haſt du alter Knabe So friſches Herz bewahrt? Auf einer Seite thränend Und auf der andern licht, Zeigſt du auf grüner Säule Ein Janusangeſicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0053" n="37"/> <lg n="3"> <l>Mein Sitz war dicht am Wege,</l><lb/> <l>Ich konnte ruhig ſpäh’n;</l><lb/> <l>Doch mich, verhüllt vom Strauche,</l><lb/> <l>Mich hat man nicht geſeh’n;</l><lb/> <l>Wenn knarrend Wagen rollten,</l><lb/> <l>Dann drang zu mir der Staub,</l><lb/> <l>Und wenn die Vöglein hüpften,</l><lb/> <l>Dann zitterte das Laub.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und nahe mir am Hange</l><lb/> <l>’Ne alte Buche ſtand,</l><lb/> <l>Um die der ernſte Eppich</l><lb/> <l>Sich hoch und höher wand.</l><lb/> <l>Sein düſtres Grün umrankte</l><lb/> <l>Noch manchen kranken Zweig;</l><lb/> <l>Doch die geſunden ſpielten</l><lb/> <l>Wie doppelt grün und reich.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Es war im Maienmonde,</l><lb/> <l>Die Blätter atlaszart;</l><lb/> <l>Wie haſt du alter Knabe</l><lb/> <l>So friſches Herz bewahrt?</l><lb/> <l>Auf einer Seite thränend</l><lb/> <l>Und auf der andern licht,</l><lb/> <l>Zeigſt du auf grüner Säule</l><lb/> <l>Ein Janusangeſicht.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [37/0053]
Mein Sitz war dicht am Wege,
Ich konnte ruhig ſpäh’n;
Doch mich, verhüllt vom Strauche,
Mich hat man nicht geſeh’n;
Wenn knarrend Wagen rollten,
Dann drang zu mir der Staub,
Und wenn die Vöglein hüpften,
Dann zitterte das Laub.
Und nahe mir am Hange
’Ne alte Buche ſtand,
Um die der ernſte Eppich
Sich hoch und höher wand.
Sein düſtres Grün umrankte
Noch manchen kranken Zweig;
Doch die geſunden ſpielten
Wie doppelt grün und reich.
Es war im Maienmonde,
Die Blätter atlaszart;
Wie haſt du alter Knabe
So friſches Herz bewahrt?
Auf einer Seite thränend
Und auf der andern licht,
Zeigſt du auf grüner Säule
Ein Janusangeſicht.
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