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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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reiche eingebohren hat; er hat auch diesen Faust geboh-
ren, der zwar als ein Produkt der jüngeren Zeit
erscheint, von dem aber die Propheten der vergangenen
Alter wie von einem noch kommenden geweissagt hatten.
Eben so ist hauptsächlich auch von ihm, als die religiöse
Genialität in eine Poetische sich verlor, jenes neue un-
endliche Object der Kunst ausgegangen, an dem sie in
den neueren Zeiten so vielfältig sich versucht, die
Darstellung des Teufels nämlich. Das Zerrissene,
Grundböse in plastischen Umrissen, also in Harmonie
darzustellen; das durch seine innere falsche Natur im-
merfort Verzerrte zur Ordnung und Einheit zusammen-
zuzwingen; das Mißverhältniß selbst in Verhältnisse
einzuschließen, und der absoluten Verlogenheit doch eine
Kunstwahrheit zu leihen: das ist die schwer zu lösende
Aufgabe, gleichsam als ob man fressendes Gift bereiten
sollte in einem Becher, der seine Berührung scheut,
und davon in Stücke zerspringt. Durchaus fällt daher
das Problem jenseits der Gränzen der eigentlichen
Kunstschönheit hinaus, gerade der negative Gegensatz
alles Schönen muß sich in ihm bilden, und ein vol-
lendeter Teufel kann uns unmöglich Liebe abgewinnen,
er kann nur auf unsern Haß Anspruch machen; teufel-
isch müssen wir ihn selbst erblicken und teufelisch uns
an ihm freuen, und dies Erwecken unserer Teufelhaf-

reiche eingebohren hat; er hat auch dieſen Fauſt geboh-
ren, der zwar als ein Produkt der jüngeren Zeit
erſcheint, von dem aber die Propheten der vergangenen
Alter wie von einem noch kommenden geweiſſagt hatten.
Eben ſo iſt hauptſächlich auch von ihm, als die religiöſe
Genialität in eine Poetiſche ſich verlor, jenes neue un-
endliche Object der Kunſt ausgegangen, an dem ſie in
den neueren Zeiten ſo vielfältig ſich verſucht, die
Darſtellung des Teufels nämlich. Das Zerriſſene,
Grundböſe in plaſtiſchen Umriſſen, alſo in Harmonie
darzuſtellen; das durch ſeine innere falſche Natur im-
merfort Verzerrte zur Ordnung und Einheit zuſammen-
zuzwingen; das Mißverhältniß ſelbſt in Verhältniſſe
einzuſchließen, und der abſoluten Verlogenheit doch eine
Kunſtwahrheit zu leihen: das iſt die ſchwer zu löſende
Aufgabe, gleichſam als ob man freſſendes Gift bereiten
ſollte in einem Becher, der ſeine Berührung ſcheut,
und davon in Stücke zerſpringt. Durchaus fällt daher
das Problem jenſeits der Gränzen der eigentlichen
Kunſtſchönheit hinaus, gerade der negative Gegenſatz
alles Schönen muß ſich in ihm bilden, und ein vol-
lendeter Teufel kann uns unmöglich Liebe abgewinnen,
er kann nur auf unſern Haß Anſpruch machen; teufel-
iſch müſſen wir ihn ſelbſt erblicken und teufeliſch uns
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[210/0228] reiche eingebohren hat; er hat auch dieſen Fauſt geboh- ren, der zwar als ein Produkt der jüngeren Zeit erſcheint, von dem aber die Propheten der vergangenen Alter wie von einem noch kommenden geweiſſagt hatten. Eben ſo iſt hauptſächlich auch von ihm, als die religiöſe Genialität in eine Poetiſche ſich verlor, jenes neue un- endliche Object der Kunſt ausgegangen, an dem ſie in den neueren Zeiten ſo vielfältig ſich verſucht, die Darſtellung des Teufels nämlich. Das Zerriſſene, Grundböſe in plaſtiſchen Umriſſen, alſo in Harmonie darzuſtellen; das durch ſeine innere falſche Natur im- merfort Verzerrte zur Ordnung und Einheit zuſammen- zuzwingen; das Mißverhältniß ſelbſt in Verhältniſſe einzuſchließen, und der abſoluten Verlogenheit doch eine Kunſtwahrheit zu leihen: das iſt die ſchwer zu löſende Aufgabe, gleichſam als ob man freſſendes Gift bereiten ſollte in einem Becher, der ſeine Berührung ſcheut, und davon in Stücke zerſpringt. Durchaus fällt daher das Problem jenſeits der Gränzen der eigentlichen Kunſtſchönheit hinaus, gerade der negative Gegenſatz alles Schönen muß ſich in ihm bilden, und ein vol- lendeter Teufel kann uns unmöglich Liebe abgewinnen, er kann nur auf unſern Haß Anſpruch machen; teufel- iſch müſſen wir ihn ſelbſt erblicken und teufeliſch uns an ihm freuen, und dies Erwecken unſerer Teufelhaf-

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/228>, abgerufen am 24.11.2024.