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Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807.

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brittische Colonie war, Engelland eroberten und be-
herrschten, und bei Hofe ihre Sprache eingeführt; wie
unter ihnen beinahe der ganze romantische Kreis der Ge-
dichte von König Artur, den Rittern der Tafelrunde,
Merlin u. s. w. sich ausgebildet hat, und beinahe alle
Glieder dieser großen Gruppe von dort ausgegangen sind.
Was diese Annahme zu begünstigen scheint, ist die Vermu-
thung, daß der Dichter irgend einen verhaßten Räuber
in der Geschichte des Waldgrafen brandmarken wollte;
weil nachdem er das Ganze weitläuftig erzählt, ein
persönlicher Haß dadurch hervorzubrechen scheint, daß
er nachdem die ganze Erzählung zu Ende, noch den
Namen des Grafen beifügt: "und nam also die roß
und gelt Fortunato unredlichen ab, alls man yr noch
vil findet, die den leutten das Ir nemen wider alle
recht; dieser Waldgraf was genannt Graf Artel-
hyn der Waldgraf von Nundragon
." So
würde daher dieser Roman der nordfranzösischen Lite-
ratur angehören, und bei der Verbindung dieses Lan-
des einerseits mit Engelland, andrerseits mit Spanien,
eben durch jene arragonische Heyrath, die alsdann als
ein historisches Factum angenommen werden müßte,
würde sein Uebergang nach jenen beiden Reichen
in früherer Zeit, und weiterhin das spätere Vergessen
seines eigentlichen Ursprungs leicht erklärlich seyn.

brittiſche Colonie war, Engelland eroberten und be-
herrſchten, und bei Hofe ihre Sprache eingeführt; wie
unter ihnen beinahe der ganze romantiſche Kreis der Ge-
dichte von König Artur, den Rittern der Tafelrunde,
Merlin u. ſ. w. ſich ausgebildet hat, und beinahe alle
Glieder dieſer großen Gruppe von dort ausgegangen ſind.
Was dieſe Annahme zu begünſtigen ſcheint, iſt die Vermu-
thung, daß der Dichter irgend einen verhaßten Räuber
in der Geſchichte des Waldgrafen brandmarken wollte;
weil nachdem er das Ganze weitläuftig erzählt, ein
perſönlicher Haß dadurch hervorzubrechen ſcheint, daß
er nachdem die ganze Erzählung zu Ende, noch den
Namen des Grafen beifügt: „und nam alſo die roß
und gelt Fortunato unredlichen ab, alls man yr noch
vil findet, die den leutten das Ir nemen wider alle
recht; dieſer Waldgraf was genannt Graf Artel-
hyn der Waldgraf von Nundragon
.“ So
würde daher dieſer Roman der nordfranzöſiſchen Lite-
ratur angehören, und bei der Verbindung dieſes Lan-
des einerſeits mit Engelland, andrerſeits mit Spanien,
eben durch jene arragoniſche Heyrath, die alsdann als
ein hiſtoriſches Factum angenommen werden müßte,
würde ſein Uebergang nach jenen beiden Reichen
in früherer Zeit, und weiterhin das ſpätere Vergeſſen
ſeines eigentlichen Urſprungs leicht erklärlich ſeyn.

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[78/0096] brittiſche Colonie war, Engelland eroberten und be- herrſchten, und bei Hofe ihre Sprache eingeführt; wie unter ihnen beinahe der ganze romantiſche Kreis der Ge- dichte von König Artur, den Rittern der Tafelrunde, Merlin u. ſ. w. ſich ausgebildet hat, und beinahe alle Glieder dieſer großen Gruppe von dort ausgegangen ſind. Was dieſe Annahme zu begünſtigen ſcheint, iſt die Vermu- thung, daß der Dichter irgend einen verhaßten Räuber in der Geſchichte des Waldgrafen brandmarken wollte; weil nachdem er das Ganze weitläuftig erzählt, ein perſönlicher Haß dadurch hervorzubrechen ſcheint, daß er nachdem die ganze Erzählung zu Ende, noch den Namen des Grafen beifügt: „und nam alſo die roß und gelt Fortunato unredlichen ab, alls man yr noch vil findet, die den leutten das Ir nemen wider alle recht; dieſer Waldgraf was genannt Graf Artel- hyn der Waldgraf von Nundragon.“ So würde daher dieſer Roman der nordfranzöſiſchen Lite- ratur angehören, und bei der Verbindung dieſes Lan- des einerſeits mit Engelland, andrerſeits mit Spanien, eben durch jene arragoniſche Heyrath, die alsdann als ein hiſtoriſches Factum angenommen werden müßte, würde ſein Uebergang nach jenen beiden Reichen in früherer Zeit, und weiterhin das ſpätere Vergeſſen ſeines eigentlichen Urſprungs leicht erklärlich ſeyn.

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Zitationshilfe: Görres, Joseph: Die teutschen Volksbücher. Heidelberg, 1807, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_volksbuecher_1807/96>, abgerufen am 21.11.2024.