Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773.

Bild:
<< vorherige Seite


Martin. Aber wir, wenn gessen und trunken
haben, sind wir grad das Gegentheil von dem,
was wir seyn sollen. Unsere schläfrige Verdauung
stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der
Schwäche einer überfüllten Ruhe erzeugen sich Be-
gierden, die ihrer Mutter leicht über den Kopf
wachsen.
Götz. Ein Glas, Bruder Martin, wird euch
nicht im Schlaf stören. Jhr seyd heute viel gegan-
gen.
(bringts ihm) Alle Streiter!
Martin. Jn Gottes Namen, (sie stosen an)
ich kann die müßige Leut nicht ausstehen, und doch
kann ich nicht sagen, daß alle Mönche mößig sind,
sie thun was sie können. Da komm ich von St.
Veit, wo ich die letzte Nacht schlief. Der Prior
führte mich in Garten, das ist nun ihr Bienenkorb.
Fürtreflicher Salat! Kohl nach Herzens Lust! Und
besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine
in Europa!
Götz. Das ist also eure Sache nicht. (Er steht
auf sieht nach dem Jungen und kommt wieder.)
Martin. Wollte, Gott hätte mich zum Gärt-
ner oder Laboranten gemacht, ich könnte glücklich
seyn. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Er-
furt


Martin. Aber wir, wenn geſſen und trunken
haben, ſind wir grad das Gegentheil von dem,
was wir ſeyn ſollen. Unſere ſchlaͤfrige Verdauung
ſtimmt den Kopf nach dem Magen, und in der
Schwaͤche einer uͤberfuͤllten Ruhe erzeugen ſich Be-
gierden, die ihrer Mutter leicht uͤber den Kopf
wachſen.
Goͤtz. Ein Glas, Bruder Martin, wird euch
nicht im Schlaf ſtoͤren. Jhr ſeyd heute viel gegan-
gen.
(bringts ihm) Alle Streiter!
Martin. Jn Gottes Namen, (ſie ſtoſen an)
ich kann die muͤßige Leut nicht ausſtehen, und doch
kann ich nicht ſagen, daß alle Moͤnche moͤßig ſind,
ſie thun was ſie koͤnnen. Da komm ich von St.
Veit, wo ich die letzte Nacht ſchlief. Der Prior
fuͤhrte mich in Garten, das iſt nun ihr Bienenkorb.
Fuͤrtreflicher Salat! Kohl nach Herzens Luſt! Und
beſonders Blumenkohl und Artiſchocken, wie keine
in Europa!
Goͤtz. Das iſt alſo eure Sache nicht. (Er ſteht
auf ſieht nach dem Jungen und kommt wieder.)
Martin. Wollte, Gott haͤtte mich zum Gaͤrt-
ner oder Laboranten gemacht, ich koͤnnte gluͤcklich
ſeyn. Mein Abt liebt mich, mein Kloſter iſt Er-
furt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#GOETZ">
          <pb facs="#f0017" n="13"/>
          <fw place="top" type="header">
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </fw>
        </sp>
        <sp who="#MART">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Martin.</hi> </speaker>
          <p>Aber wir, wenn ge&#x017F;&#x017F;en und trunken<lb/>
haben, &#x017F;ind wir grad das Gegentheil von dem,<lb/>
was wir &#x017F;eyn &#x017F;ollen. Un&#x017F;ere &#x017F;chla&#x0364;frige Verdauung<lb/>
&#x017F;timmt den Kopf nach dem Magen, und in der<lb/>
Schwa&#x0364;che einer u&#x0364;berfu&#x0364;llten Ruhe erzeugen &#x017F;ich Be-<lb/>
gierden, die ihrer Mutter leicht u&#x0364;ber den Kopf<lb/>
wach&#x017F;en.</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GOETZ">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Go&#x0364;tz.</hi> </speaker>
          <p>Ein Glas, Bruder Martin, wird euch<lb/>
nicht im Schlaf &#x017F;to&#x0364;ren. Jhr &#x017F;eyd heute viel gegan-<lb/>
gen.</p>
          <stage>(bringts ihm)</stage>
          <p>Alle Streiter!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MART">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Martin.</hi> </speaker>
          <p>Jn Gottes Namen,</p>
          <stage>(&#x017F;ie &#x017F;to&#x017F;en an)</stage><lb/>
          <p>ich kann die mu&#x0364;ßige Leut nicht aus&#x017F;tehen, und doch<lb/>
kann ich nicht &#x017F;agen, daß alle Mo&#x0364;nche mo&#x0364;ßig &#x017F;ind,<lb/>
&#x017F;ie thun was &#x017F;ie ko&#x0364;nnen. Da komm ich von St.<lb/>
Veit, wo ich die letzte Nacht &#x017F;chlief. Der Prior<lb/>
fu&#x0364;hrte mich in Garten, das i&#x017F;t nun ihr Bienenkorb.<lb/>
Fu&#x0364;rtreflicher Salat! Kohl nach Herzens Lu&#x017F;t! Und<lb/>
be&#x017F;onders Blumenkohl und Arti&#x017F;chocken, wie keine<lb/>
in Europa!</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GOETZ">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Go&#x0364;tz.</hi> </speaker>
          <p>Das i&#x017F;t al&#x017F;o eure Sache nicht.</p>
          <stage>(Er &#x017F;teht<lb/>
auf &#x017F;ieht nach dem Jungen und kommt wieder.)</stage>
        </sp><lb/>
        <sp who="#MART">
          <speaker> <hi rendition="#fr">Martin.</hi> </speaker>
          <p>Wollte, Gott ha&#x0364;tte mich zum Ga&#x0364;rt-<lb/>
ner oder Laboranten gemacht, ich ko&#x0364;nnte glu&#x0364;cklich<lb/>
&#x017F;eyn. Mein Abt liebt mich, mein Klo&#x017F;ter i&#x017F;t Er-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">furt</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[13/0017] Martin. Aber wir, wenn geſſen und trunken haben, ſind wir grad das Gegentheil von dem, was wir ſeyn ſollen. Unſere ſchlaͤfrige Verdauung ſtimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwaͤche einer uͤberfuͤllten Ruhe erzeugen ſich Be- gierden, die ihrer Mutter leicht uͤber den Kopf wachſen. Goͤtz. Ein Glas, Bruder Martin, wird euch nicht im Schlaf ſtoͤren. Jhr ſeyd heute viel gegan- gen. (bringts ihm) Alle Streiter! Martin. Jn Gottes Namen, (ſie ſtoſen an) ich kann die muͤßige Leut nicht ausſtehen, und doch kann ich nicht ſagen, daß alle Moͤnche moͤßig ſind, ſie thun was ſie koͤnnen. Da komm ich von St. Veit, wo ich die letzte Nacht ſchlief. Der Prior fuͤhrte mich in Garten, das iſt nun ihr Bienenkorb. Fuͤrtreflicher Salat! Kohl nach Herzens Luſt! Und beſonders Blumenkohl und Artiſchocken, wie keine in Europa! Goͤtz. Das iſt alſo eure Sache nicht. (Er ſteht auf ſieht nach dem Jungen und kommt wieder.) Martin. Wollte, Gott haͤtte mich zum Gaͤrt- ner oder Laboranten gemacht, ich koͤnnte gluͤcklich ſeyn. Mein Abt liebt mich, mein Kloſter iſt Er- furt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/17
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. [s. l.], 1773, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_goetz_1773/17>, abgerufen am 03.12.2024.