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Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3).

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Schlich im Wald: zu lesen dacht' ich,
Ach! zu lesen mit Verstand. .
Und ein winziges, süßes, winziges
Liedchen schrieb ich an den Rand!

Ebenso allgemein charakteristisch, namentlich für den so ausgeprägten Ordnungssinn der Lyriker von Gestern, ist sein Gedicht:

Schatten.
Unter den Bäumen
Mußt du träumen!
Unter den Fichten
Mußt du dichten!
Unter den Rosen
Mußt du kosen!
Unter den Linden
Wirst du sie finden!
Unter den Buchen
Mußt du fluchen!
Unter den Palmen
Singe Psalmen!
Unter der Haselnuß
Gib deiner Bas' 'n Kuß!
Unter den Feigen
Mußt du schweigen.

Freilich gab es gestern auch Barden, welche unter allen Bäumen Psalmen sangen: in erster Linie Oskar Redwitz. Hören wir zwei Proben aus "Amaranths Waldliedern":

Am Plauderquell.
Du Quell mit deinem Plaudermund
Am trauten Waldespförtchen:
Wie tauschest mit der Rose du
So leise Liebeswörtchen!
Was sollt' ich sagen, käm' ein Mann
Zu mir an's stille Oertchen?
Nicht wahr? hab' ich 'mal auch ein Lieb,
Lehrst du mich solche Wörtchen!
Schlich im Wald: zu lesen dacht' ich,
Ach! zu lesen mit Verstand. .
Und ein winziges, süßes, winziges
Liedchen schrieb ich an den Rand!

Ebenso allgemein charakteristisch, namentlich für den so ausgeprägten Ordnungssinn der Lyriker von Gestern, ist sein Gedicht:

Schatten.
Unter den Bäumen
Mußt du träumen!
Unter den Fichten
Mußt du dichten!
Unter den Rosen
Mußt du kosen!
Unter den Linden
Wirst du sie finden!
Unter den Buchen
Mußt du fluchen!
Unter den Palmen
Singe Psalmen!
Unter der Haselnuß
Gib deiner Bas' 'n Kuß!
Unter den Feigen
Mußt du schweigen.

Freilich gab es gestern auch Barden, welche unter allen Bäumen Psalmen sangen: in erster Linie Oskar Redwitz. Hören wir zwei Proben aus „Amaranths Waldliedern“:

Am Plauderquell.
Du Quell mit deinem Plaudermund
Am trauten Waldespförtchen:
Wie tauschest mit der Rose du
So leise Liebeswörtchen!
Was sollt' ich sagen, käm' ein Mann
Zu mir an's stille Oertchen?
Nicht wahr? hab' ich 'mal auch ein Lieb,
Lehrst du mich solche Wörtchen!
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[6/0006] Schlich im Wald: zu lesen dacht' ich, Ach! zu lesen mit Verstand. . Und ein winziges, süßes, winziges Liedchen schrieb ich an den Rand! Ebenso allgemein charakteristisch, namentlich für den so ausgeprägten Ordnungssinn der Lyriker von Gestern, ist sein Gedicht: Schatten. Unter den Bäumen Mußt du träumen! Unter den Fichten Mußt du dichten! Unter den Rosen Mußt du kosen! Unter den Linden Wirst du sie finden! Unter den Buchen Mußt du fluchen! Unter den Palmen Singe Psalmen! Unter der Haselnuß Gib deiner Bas' 'n Kuß! Unter den Feigen Mußt du schweigen. Freilich gab es gestern auch Barden, welche unter allen Bäumen Psalmen sangen: in erster Linie Oskar Redwitz. Hören wir zwei Proben aus „Amaranths Waldliedern“: Am Plauderquell. Du Quell mit deinem Plaudermund Am trauten Waldespförtchen: Wie tauschest mit der Rose du So leise Liebeswörtchen! Was sollt' ich sagen, käm' ein Mann Zu mir an's stille Oertchen? Nicht wahr? hab' ich 'mal auch ein Lieb, Lehrst du mich solche Wörtchen!

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Universität Duisburg-Essen, Projekt Lyriktheorie (Dr. Rudolf Brandmeyer): Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-05T14:03:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Gumppenberg, Hanns von: Deutsche Lyrik von gestern. München, 1891 (= Münchener Flugschriften, Bd. 3), S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gumppenberg_lyrik_1891/6>, abgerufen am 21.11.2024.