Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
die neuern Zerleger (o) gezeiget haben. Diejenigen Er-
scheinungen, welche diesem Gesezze zuwider dennoch erfol-
gen, schreibe ich der Schlaffheit der nicht zusammenge-
drükten Blutadermündung zu, welche daher, nach dem
Verhältnisse ihres Gewichts, auf die Seite sinkt, in-
gleichen einer erstorbenen Trägheit der Klappen, und
endlich einer zerstörten Zusammenziehungskraft der warz-
förmigen Muskeln.

Es hat dieses alles seine vollkommene Richtigkeit, je-
doch mit der Einschränkung, daß dem ohngeachtet doch
etwas weniges von dem Blute, durch die Kraft der zu-
sammengezognen Kammer, in das Herzohr wieder zurük-
getrieben wird, wie solches bereits vorlängst von Schrift-
stellern, die eben nicht allzu bekannt sind, und keine
Nachfolger von Hipothesen waren (p), aus einer blossen
Muthmassung ist bekannt gemacht, nachgehends aber von
Peter Simon Rouhault (q), und nur ohnlängst von
dem vortreflichen Senac (r), auch von mir selbst um-
ständlicher gezeiget worden, und aus dem eigenen Baue
derer Theile deutlich hergeleitet wird.

Es begiebt sich nämlich, unter der Erweiterung des
Herzens, der Klappenring tief in die Kammer herab, wie
man ihn bei verstorbenen Personen zu finden pfleget: man
kann sich also einen kegelartigen Raum vorstellen, dessen
Basis die Blutadermündung, und der Umfang des eben-
falls abgestumpften Kegels, der eben so gestaltete Blut-
aderring ist. Hat das rechte Herzohr sein Herz, das sich
in der Erweiterung befindet, angefüllt, so wird dieser ke-
gelförmige Raum in der That ganz und gar mit Blut
angefüllet. Man sezze nun, daß das Herz seine Zusam-
menziehung wieder anfängt, und den Klappenring aus-

breitet
(o) [Spaltenumbruch] Harvey. J. A. Borellus
am angef. Ort L. II. Propos. 35. 55.
Claudius Perrault Essays de Phy-
sique T III.
S. 258.
(p) Edmundus de meara in
[Spaltenumbruch] Willisium de febribus
S. 75. Ga-
vet
am angef. Ort S. 124.
(q) Osserv. anat. fisiche S. 8.
Discorso anatom. S. 8.
(r) S. 354. 357.

Viertes Buch. Das Herz.
die neuern Zerleger (o) gezeiget haben. Diejenigen Er-
ſcheinungen, welche dieſem Geſezze zuwider dennoch erfol-
gen, ſchreibe ich der Schlaffheit der nicht zuſammenge-
druͤkten Blutadermuͤndung zu, welche daher, nach dem
Verhaͤltniſſe ihres Gewichts, auf die Seite ſinkt, in-
gleichen einer erſtorbenen Traͤgheit der Klappen, und
endlich einer zerſtoͤrten Zuſammenziehungskraft der warz-
foͤrmigen Muskeln.

Es hat dieſes alles ſeine vollkommene Richtigkeit, je-
doch mit der Einſchraͤnkung, daß dem ohngeachtet doch
etwas weniges von dem Blute, durch die Kraft der zu-
ſammengezognen Kammer, in das Herzohr wieder zuruͤk-
getrieben wird, wie ſolches bereits vorlaͤngſt von Schrift-
ſtellern, die eben nicht allzu bekannt ſind, und keine
Nachfolger von Hipotheſen waren (p), aus einer bloſſen
Muthmaſſung iſt bekannt gemacht, nachgehends aber von
Peter Simon Rouhault (q), und nur ohnlaͤngſt von
dem vortreflichen Senac (r), auch von mir ſelbſt um-
ſtaͤndlicher gezeiget worden, und aus dem eigenen Baue
derer Theile deutlich hergeleitet wird.

Es begiebt ſich naͤmlich, unter der Erweiterung des
Herzens, der Klappenring tief in die Kammer herab, wie
man ihn bei verſtorbenen Perſonen zu finden pfleget: man
kann ſich alſo einen kegelartigen Raum vorſtellen, deſſen
Baſis die Blutadermuͤndung, und der Umfang des eben-
falls abgeſtumpften Kegels, der eben ſo geſtaltete Blut-
aderring iſt. Hat das rechte Herzohr ſein Herz, das ſich
in der Erweiterung befindet, angefuͤllt, ſo wird dieſer ke-
gelfoͤrmige Raum in der That ganz und gar mit Blut
angefuͤllet. Man ſezze nun, daß das Herz ſeine Zuſam-
menziehung wieder anfaͤngt, und den Klappenring aus-

breitet
(o) [Spaltenumbruch] Harvey. J. A. Borellus
am angef. Ort L. II. Propoſ. 35. 55.
Claudius Perrault Eſſays de Phy-
ſique T III.
S. 258.
(p) Edmundus de meara in
[Spaltenumbruch] Williſium de febribus
S. 75. Ga-
vet
am angef. Ort S. 124.
(q) Oſſerv. anat. fiſiche S. 8.
Diſcorſo anatom. S. 8.
(r) S. 354. 357.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0828" n="772"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
die neuern Zerleger <note place="foot" n="(o)"><cb/><hi rendition="#fr">Harvey.</hi> J. A. <hi rendition="#fr">Borellus</hi><lb/>
am angef. Ort <hi rendition="#aq">L. II. Propo&#x017F;.</hi> 35. 55.<lb/>
Claudius <hi rendition="#fr">Perrault</hi> <hi rendition="#aq">E&#x017F;&#x017F;ays de Phy-<lb/>
&#x017F;ique T III.</hi> S. 258.</note> gezeiget haben. Diejenigen Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen, welche die&#x017F;em Ge&#x017F;ezze zuwider dennoch erfol-<lb/>
gen, &#x017F;chreibe ich der Schlaffheit der nicht zu&#x017F;ammenge-<lb/>
dru&#x0364;kten Blutadermu&#x0364;ndung zu, welche daher, nach dem<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ihres Gewichts, auf die Seite &#x017F;inkt, in-<lb/>
gleichen einer er&#x017F;torbenen Tra&#x0364;gheit der Klappen, und<lb/>
endlich einer zer&#x017F;to&#x0364;rten Zu&#x017F;ammenziehungskraft der warz-<lb/>
fo&#x0364;rmigen Muskeln.</p><lb/>
            <p>Es hat die&#x017F;es alles &#x017F;eine vollkommene Richtigkeit, je-<lb/>
doch mit der Ein&#x017F;chra&#x0364;nkung, daß dem ohngeachtet doch<lb/>
etwas weniges von dem Blute, durch die Kraft der zu-<lb/>
&#x017F;ammengezognen Kammer, in das Herzohr wieder zuru&#x0364;k-<lb/>
getrieben wird, wie &#x017F;olches bereits vorla&#x0364;ng&#x017F;t von Schrift-<lb/>
&#x017F;tellern, die eben nicht allzu bekannt &#x017F;ind, und keine<lb/>
Nachfolger von Hipothe&#x017F;en waren <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">Edmundus de <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">meara</hi></hi> in<lb/><cb/>
Willi&#x017F;ium de febribus</hi> S. 75. <hi rendition="#fr">Ga-<lb/>
vet</hi> am angef. Ort S. 124.</note>, aus einer blo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Muthma&#x017F;&#x017F;ung i&#x017F;t bekannt gemacht, nachgehends aber von<lb/>
Peter Simon <hi rendition="#fr">Rouhault</hi> <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq">O&#x017F;&#x017F;erv. anat. fi&#x017F;iche</hi> S. 8.<lb/><hi rendition="#aq">Di&#x017F;cor&#x017F;o anatom.</hi> S. 8.</note>, und nur ohnla&#x0364;ng&#x017F;t von<lb/>
dem vortreflichen <hi rendition="#fr">Senac</hi> <note place="foot" n="(r)">S. 354. 357.</note>, auch von mir &#x017F;elb&#x017F;t um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndlicher gezeiget worden, und aus dem eigenen Baue<lb/>
derer Theile deutlich hergeleitet wird.</p><lb/>
            <p>Es begiebt &#x017F;ich na&#x0364;mlich, unter der Erweiterung des<lb/>
Herzens, der Klappenring tief in die Kammer herab, wie<lb/>
man ihn bei ver&#x017F;torbenen Per&#x017F;onen zu finden pfleget: man<lb/>
kann &#x017F;ich al&#x017F;o einen kegelartigen Raum vor&#x017F;tellen, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Ba&#x017F;is die Blutadermu&#x0364;ndung, und der Umfang des eben-<lb/>
falls abge&#x017F;tumpften Kegels, der eben &#x017F;o ge&#x017F;taltete Blut-<lb/>
aderring i&#x017F;t. Hat das rechte Herzohr &#x017F;ein Herz, das &#x017F;ich<lb/>
in der Erweiterung befindet, angefu&#x0364;llt, &#x017F;o wird die&#x017F;er ke-<lb/>
gelfo&#x0364;rmige Raum in der That ganz und gar mit Blut<lb/>
angefu&#x0364;llet. Man &#x017F;ezze nun, daß das Herz &#x017F;eine Zu&#x017F;am-<lb/>
menziehung wieder anfa&#x0364;ngt, und den Klappenring aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">breitet</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[772/0828] Viertes Buch. Das Herz. die neuern Zerleger (o) gezeiget haben. Diejenigen Er- ſcheinungen, welche dieſem Geſezze zuwider dennoch erfol- gen, ſchreibe ich der Schlaffheit der nicht zuſammenge- druͤkten Blutadermuͤndung zu, welche daher, nach dem Verhaͤltniſſe ihres Gewichts, auf die Seite ſinkt, in- gleichen einer erſtorbenen Traͤgheit der Klappen, und endlich einer zerſtoͤrten Zuſammenziehungskraft der warz- foͤrmigen Muskeln. Es hat dieſes alles ſeine vollkommene Richtigkeit, je- doch mit der Einſchraͤnkung, daß dem ohngeachtet doch etwas weniges von dem Blute, durch die Kraft der zu- ſammengezognen Kammer, in das Herzohr wieder zuruͤk- getrieben wird, wie ſolches bereits vorlaͤngſt von Schrift- ſtellern, die eben nicht allzu bekannt ſind, und keine Nachfolger von Hipotheſen waren (p), aus einer bloſſen Muthmaſſung iſt bekannt gemacht, nachgehends aber von Peter Simon Rouhault (q), und nur ohnlaͤngſt von dem vortreflichen Senac (r), auch von mir ſelbſt um- ſtaͤndlicher gezeiget worden, und aus dem eigenen Baue derer Theile deutlich hergeleitet wird. Es begiebt ſich naͤmlich, unter der Erweiterung des Herzens, der Klappenring tief in die Kammer herab, wie man ihn bei verſtorbenen Perſonen zu finden pfleget: man kann ſich alſo einen kegelartigen Raum vorſtellen, deſſen Baſis die Blutadermuͤndung, und der Umfang des eben- falls abgeſtumpften Kegels, der eben ſo geſtaltete Blut- aderring iſt. Hat das rechte Herzohr ſein Herz, das ſich in der Erweiterung befindet, angefuͤllt, ſo wird dieſer ke- gelfoͤrmige Raum in der That ganz und gar mit Blut angefuͤllet. Man ſezze nun, daß das Herz ſeine Zuſam- menziehung wieder anfaͤngt, und den Klappenring aus- breitet (o) Harvey. J. A. Borellus am angef. Ort L. II. Propoſ. 35. 55. Claudius Perrault Eſſays de Phy- ſique T III. S. 258. (p) Edmundus de meara in Williſium de febribus S. 75. Ga- vet am angef. Ort S. 124. (q) Oſſerv. anat. fiſiche S. 8. Diſcorſo anatom. S. 8. (r) S. 354. 357.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/828
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 772. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/828>, abgerufen am 22.11.2024.