hafte Leben erwogen, welches sich im Herzen äussert, der- gleichen man sonsten, ausser denen Gedärmen, an keinem andren Theil der thierischen Maschine wahrnimmt (b). Nachdem ich nun alles dieses genau erwogen, so finde ich, daß die vornehmste und beinahe einzige Quelle der Bewe- gungen des Herzens, in dem Herzen selbst zu suchen sey.
§. 28. Das Herz ist das erste, welches sich bewegt, und in den menschlichen Früchten grösser, als in andern Körpern.
Es ist also billig, daß sich das Herz, unter allen Thei- len eines Thieres, zu allererst in Bewegung sezzet. Denn man erkennet aus dem wechselsweise sich äussernden Auf- hüpfen, daß diejenige Bewegung, welche man, nach dem zwoten Tage des Brütens, an dem noch immer weissen und ungefärbten Hünchen im Eye wahrnimmt (c), von dem Herzen herrühret. Es zeiget auch das Herz unter allen Eingeweiden zuerst seine kegelförmige Gestalt, seine Festigkeit, und seine reizbare Natur; es erfüllet allein die Brust zu der Zeit, da das Gehirn noch wie eine Molken anzusehen ist, wenn die Lunge noch ganz klein, und an den Rükken hinaufgezogen, auch gar nicht deutlich zu sehen ist, der Magen, die Leber, das Gedärme, und die Nie- ren, unter der weissen Gerinnung der Gallerte noch ver- stekt liegen, und keine Spur von denen Aermen und Füssen vorhanden ist, auch nur noch ganz wenige Ge- fässe, welche viel eher Gleisen, als Gefässe zu seyn schei-
nen,
(b)[Spaltenumbruch]Second Memoir. sur les part. sensibl. & irrit. S. 387.
(c) Man hat also hin und wie- der ganz unrecht vorgegeben, daß das Herz später gebildet werde, [Spaltenumbruch]
nachdem bereits die Blutgefässe zum Vorschein gekommen wären. Homme physique, S. 100. 101. welches auch R. Whytt behau- ptet, Inquiry into the causes &c. S. 80.
Viertes Buch. Das Herz.
hafte Leben erwogen, welches ſich im Herzen aͤuſſert, der- gleichen man ſonſten, auſſer denen Gedaͤrmen, an keinem andren Theil der thieriſchen Maſchine wahrnimmt (b). Nachdem ich nun alles dieſes genau erwogen, ſo finde ich, daß die vornehmſte und beinahe einzige Quelle der Bewe- gungen des Herzens, in dem Herzen ſelbſt zu ſuchen ſey.
§. 28. Das Herz iſt das erſte, welches ſich bewegt, und in den menſchlichen Fruͤchten groͤſſer, als in andern Koͤrpern.
Es iſt alſo billig, daß ſich das Herz, unter allen Thei- len eines Thieres, zu allererſt in Bewegung ſezzet. Denn man erkennet aus dem wechſelsweiſe ſich aͤuſſernden Auf- huͤpfen, daß diejenige Bewegung, welche man, nach dem zwoten Tage des Bruͤtens, an dem noch immer weiſſen und ungefaͤrbten Huͤnchen im Eye wahrnimmt (c), von dem Herzen herruͤhret. Es zeiget auch das Herz unter allen Eingeweiden zuerſt ſeine kegelfoͤrmige Geſtalt, ſeine Feſtigkeit, und ſeine reizbare Natur; es erfuͤllet allein die Bruſt zu der Zeit, da das Gehirn noch wie eine Molken anzuſehen iſt, wenn die Lunge noch ganz klein, und an den Ruͤkken hinaufgezogen, auch gar nicht deutlich zu ſehen iſt, der Magen, die Leber, das Gedaͤrme, und die Nie- ren, unter der weiſſen Gerinnung der Gallerte noch ver- ſtekt liegen, und keine Spur von denen Aermen und Fuͤſſen vorhanden iſt, auch nur noch ganz wenige Ge- faͤſſe, welche viel eher Gleiſen, als Gefaͤſſe zu ſeyn ſchei-
nen,
(b)[Spaltenumbruch]Second Memoir. ſur les part. ſenſibl. & irrit. S. 387.
(c) Man hat alſo hin und wie- der ganz unrecht vorgegeben, daß das Herz ſpaͤter gebildet werde, [Spaltenumbruch]
nachdem bereits die Blutgefaͤſſe zum Vorſchein gekommen waͤren. Homme phyſique, S. 100. 101. welches auch R. Whytt behau- ptet, Inquiry into the cauſes &c. S. 80.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0876"n="820"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
hafte Leben erwogen, welches ſich im Herzen aͤuſſert, der-<lb/>
gleichen man ſonſten, auſſer denen Gedaͤrmen, an keinem<lb/>
andren Theil der thieriſchen Maſchine wahrnimmt <noteplace="foot"n="(b)"><cb/><hirendition="#aq">Second Memoir. ſur les part.<lb/>ſenſibl. & irrit.</hi> S. 387.</note>.<lb/>
Nachdem ich nun alles dieſes genau erwogen, ſo finde ich,<lb/>
daß die vornehmſte und beinahe einzige Quelle der Bewe-<lb/>
gungen des Herzens, in dem Herzen ſelbſt zu ſuchen<lb/>ſey.</p></div><lb/><divn="3"><head>§. 28.<lb/>
Das Herz iſt das erſte, welches ſich bewegt, und<lb/>
in den menſchlichen Fruͤchten groͤſſer, als in<lb/>
andern Koͤrpern.</head><lb/><p>Es iſt alſo billig, daß ſich das Herz, unter allen Thei-<lb/>
len eines Thieres, zu allererſt in Bewegung ſezzet. Denn<lb/>
man erkennet aus dem wechſelsweiſe ſich aͤuſſernden Auf-<lb/>
huͤpfen, daß diejenige Bewegung, welche man, nach dem<lb/>
zwoten Tage des Bruͤtens, an dem noch immer weiſſen<lb/>
und ungefaͤrbten Huͤnchen im Eye wahrnimmt <noteplace="foot"n="(c)">Man hat alſo hin und wie-<lb/>
der ganz unrecht vorgegeben, daß<lb/>
das Herz ſpaͤter gebildet werde,<lb/><cb/>
nachdem bereits die Blutgefaͤſſe<lb/>
zum Vorſchein gekommen waͤren.<lb/><hirendition="#aq">Homme phyſique,</hi> S. 100. 101.<lb/>
welches auch R. <hirendition="#fr">Whytt</hi> behau-<lb/>
ptet, <hirendition="#aq">Inquiry into the cauſes &c.</hi><lb/>
S. 80.</note>, von<lb/>
dem Herzen herruͤhret. Es zeiget auch das Herz unter<lb/>
allen Eingeweiden zuerſt ſeine kegelfoͤrmige Geſtalt, ſeine<lb/>
Feſtigkeit, und ſeine reizbare Natur; es erfuͤllet allein die<lb/>
Bruſt zu der Zeit, da das Gehirn noch wie eine Molken<lb/>
anzuſehen iſt, wenn die Lunge noch ganz klein, und an den<lb/>
Ruͤkken hinaufgezogen, auch gar nicht deutlich zu ſehen<lb/>
iſt, der Magen, die Leber, das Gedaͤrme, und die Nie-<lb/>
ren, unter der weiſſen Gerinnung der Gallerte noch ver-<lb/>ſtekt liegen, und keine Spur von denen Aermen und<lb/>
Fuͤſſen vorhanden iſt, auch nur noch ganz wenige Ge-<lb/>
faͤſſe, welche viel eher Gleiſen, als Gefaͤſſe zu ſeyn ſchei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nen,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[820/0876]
Viertes Buch. Das Herz.
hafte Leben erwogen, welches ſich im Herzen aͤuſſert, der-
gleichen man ſonſten, auſſer denen Gedaͤrmen, an keinem
andren Theil der thieriſchen Maſchine wahrnimmt (b).
Nachdem ich nun alles dieſes genau erwogen, ſo finde ich,
daß die vornehmſte und beinahe einzige Quelle der Bewe-
gungen des Herzens, in dem Herzen ſelbſt zu ſuchen
ſey.
§. 28.
Das Herz iſt das erſte, welches ſich bewegt, und
in den menſchlichen Fruͤchten groͤſſer, als in
andern Koͤrpern.
Es iſt alſo billig, daß ſich das Herz, unter allen Thei-
len eines Thieres, zu allererſt in Bewegung ſezzet. Denn
man erkennet aus dem wechſelsweiſe ſich aͤuſſernden Auf-
huͤpfen, daß diejenige Bewegung, welche man, nach dem
zwoten Tage des Bruͤtens, an dem noch immer weiſſen
und ungefaͤrbten Huͤnchen im Eye wahrnimmt (c), von
dem Herzen herruͤhret. Es zeiget auch das Herz unter
allen Eingeweiden zuerſt ſeine kegelfoͤrmige Geſtalt, ſeine
Feſtigkeit, und ſeine reizbare Natur; es erfuͤllet allein die
Bruſt zu der Zeit, da das Gehirn noch wie eine Molken
anzuſehen iſt, wenn die Lunge noch ganz klein, und an den
Ruͤkken hinaufgezogen, auch gar nicht deutlich zu ſehen
iſt, der Magen, die Leber, das Gedaͤrme, und die Nie-
ren, unter der weiſſen Gerinnung der Gallerte noch ver-
ſtekt liegen, und keine Spur von denen Aermen und
Fuͤſſen vorhanden iſt, auch nur noch ganz wenige Ge-
faͤſſe, welche viel eher Gleiſen, als Gefaͤſſe zu ſeyn ſchei-
nen,
(b)
Second Memoir. ſur les part.
ſenſibl. & irrit. S. 387.
(c) Man hat alſo hin und wie-
der ganz unrecht vorgegeben, daß
das Herz ſpaͤter gebildet werde,
nachdem bereits die Blutgefaͤſſe
zum Vorſchein gekommen waͤren.
Homme phyſique, S. 100. 101.
welches auch R. Whytt behau-
ptet, Inquiry into the cauſes &c.
S. 80.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 820. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/876>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.