Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte
mir zu folgen. Es ging zuerst wieder durch
den großen Keller, dann durch kleinere, bis
der Weg in einem engern schmalen Gang zu¬
sammenlief. Dumpf tönten unsere Schritte
in diesem Hohlweg, und unsere Athemzüge
tönten, wenn sie an den Mauern sich brachen,
wie fernes Geflüster. Endlich standen wir vor
einer Thüre, die Schlüssel rasselten, sie gähn¬
te ächzend auf, der Schein der Lichter fiel
in das Gewölbe, mir gegenüber saß Freund
Bachus auf einem mächtigen Weinfaß. Er¬
quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart
und fein dargestellt, die alten Bremer Künst¬
ler, nicht zierlich als einen griechischen Jüng¬
ling; sie hatten ihn nicht alt und trunken sich
gedacht, mit gräßlichem Bauch, verdrehten
Augen und hängender Zunge, wie ihn die ge¬
mein gewordene Mythe hin und wieder got¬
teslästerlich abconterfeit. Schmächlicher An¬

zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte
mir zu folgen. Es ging zuerſt wieder durch
den großen Keller, dann durch kleinere, bis
der Weg in einem engern ſchmalen Gang zu¬
ſammenlief. Dumpf toͤnten unſere Schritte
in dieſem Hohlweg, und unſere Athemzuͤge
toͤnten, wenn ſie an den Mauern ſich brachen,
wie fernes Gefluͤſter. Endlich ſtanden wir vor
einer Thuͤre, die Schluͤſſel raſſelten, ſie gaͤhn¬
te aͤchzend auf, der Schein der Lichter fiel
in das Gewoͤlbe, mir gegenuͤber ſaß Freund
Bachus auf einem maͤchtigen Weinfaß. Er¬
quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart
und fein dargeſtellt, die alten Bremer Kuͤnſt¬
ler, nicht zierlich als einen griechiſchen Juͤng¬
ling; ſie hatten ihn nicht alt und trunken ſich
gedacht, mit graͤßlichem Bauch, verdrehten
Augen und haͤngender Zunge, wie ihn die ge¬
mein gewordene Mythe hin und wieder got¬
teslaͤſterlich abconterfeit. Schmaͤchlicher An¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="20"/>
zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte<lb/>
mir zu folgen. Es ging zuer&#x017F;t wieder durch<lb/>
den großen Keller, dann durch kleinere, bis<lb/>
der Weg in einem engern &#x017F;chmalen Gang zu¬<lb/>
&#x017F;ammenlief. Dumpf to&#x0364;nten un&#x017F;ere Schritte<lb/>
in die&#x017F;em Hohlweg, und un&#x017F;ere Athemzu&#x0364;ge<lb/>
to&#x0364;nten, wenn &#x017F;ie an den Mauern &#x017F;ich brachen,<lb/>
wie fernes Geflu&#x0364;&#x017F;ter. Endlich &#x017F;tanden wir vor<lb/>
einer Thu&#x0364;re, die Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el ra&#x017F;&#x017F;elten, &#x017F;ie ga&#x0364;hn¬<lb/>
te a&#x0364;chzend auf, der Schein der Lichter fiel<lb/>
in das Gewo&#x0364;lbe, mir gegenu&#x0364;ber &#x017F;aß Freund<lb/>
Bachus auf einem ma&#x0364;chtigen Weinfaß. Er¬<lb/>
quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart<lb/>
und fein darge&#x017F;tellt, die alten Bremer Ku&#x0364;n&#x017F;<lb/>
ler, nicht zierlich als einen griechi&#x017F;chen Ju&#x0364;ng¬<lb/>
ling; &#x017F;ie hatten ihn nicht alt und trunken &#x017F;ich<lb/>
gedacht, mit gra&#x0364;ßlichem Bauch, verdrehten<lb/>
Augen und ha&#x0364;ngender Zunge, wie ihn die ge¬<lb/>
mein gewordene Mythe hin und wieder got¬<lb/>
tesla&#x0364;&#x017F;terlich abconterfeit. Schma&#x0364;chlicher An¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[20/0026] zu entgegnen nahm er die Kerzen und winkte mir zu folgen. Es ging zuerſt wieder durch den großen Keller, dann durch kleinere, bis der Weg in einem engern ſchmalen Gang zu¬ ſammenlief. Dumpf toͤnten unſere Schritte in dieſem Hohlweg, und unſere Athemzuͤge toͤnten, wenn ſie an den Mauern ſich brachen, wie fernes Gefluͤſter. Endlich ſtanden wir vor einer Thuͤre, die Schluͤſſel raſſelten, ſie gaͤhn¬ te aͤchzend auf, der Schein der Lichter fiel in das Gewoͤlbe, mir gegenuͤber ſaß Freund Bachus auf einem maͤchtigen Weinfaß. Er¬ quickender Anblick! Sie hatten ihn nicht zart und fein dargeſtellt, die alten Bremer Kuͤnſt¬ ler, nicht zierlich als einen griechiſchen Juͤng¬ ling; ſie hatten ihn nicht alt und trunken ſich gedacht, mit graͤßlichem Bauch, verdrehten Augen und haͤngender Zunge, wie ihn die ge¬ mein gewordene Mythe hin und wieder got¬ teslaͤſterlich abconterfeit. Schmaͤchlicher An¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/26
Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/26>, abgerufen am 21.11.2024.