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Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827.

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aus der Erde schlafen sie jetzt und träumen,
und auch hier unten, rings um mich her,
schlummern sie in ihren Särgen, die Geister
des Weines. Ob sie wohl träumen, von
ihrer kurzen Kindheit träumen, und der fernen
Berge, der Heimath, gedenken, wo sie groß
wurden, und des Stromes, des alten Vaters
Rhein, der ihnen allnächtlich freundlich ein Wie¬
genlied murmelte?

Gedenket ihr der wonnigen Tage, da die
milde Mutter, die Sonne, euch aus dem Schlum¬
mer küßte, da ihr in klarer Frühlingsluft die
Aeuglein öffnetet zum Erstenmal, und hinab¬
schautet ins herrliche Rheingau? Und als der
Mai einzog in sein deutsches Paradies, ge¬
denket ihr noch wie euch die Mutter anthat
mit grünen Kleidchen von Laubwerk, und wie
der alte Vater baß sich dessen freute, herauf
lugte aus seinem grünen Bette und euch zu¬
winkte und munter rauschte am Lurlei?

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aus der Erde ſchlafen ſie jetzt und traͤumen,
und auch hier unten, rings um mich her,
ſchlummern ſie in ihren Saͤrgen, die Geiſter
des Weines. Ob ſie wohl traͤumen, von
ihrer kurzen Kindheit traͤumen, und der fernen
Berge, der Heimath, gedenken, wo ſie groß
wurden, und des Stromes, des alten Vaters
Rhein, der ihnen allnaͤchtlich freundlich ein Wie¬
genlied murmelte?

Gedenket ihr der wonnigen Tage, da die
milde Mutter, die Sonne, euch aus dem Schlum¬
mer kuͤßte, da ihr in klarer Fruͤhlingsluft die
Aeuglein oͤffnetet zum Erſtenmal, und hinab¬
ſchautet ins herrliche Rheingau? Und als der
Mai einzog in ſein deutſches Paradies, ge¬
denket ihr noch wie euch die Mutter anthat
mit gruͤnen Kleidchen von Laubwerk, und wie
der alte Vater baß ſich deſſen freute, herauf
lugte aus ſeinem gruͤnen Bette und euch zu¬
winkte und munter rauſchte am Lurlei?

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[33/0039] aus der Erde ſchlafen ſie jetzt und traͤumen, und auch hier unten, rings um mich her, ſchlummern ſie in ihren Saͤrgen, die Geiſter des Weines. Ob ſie wohl traͤumen, von ihrer kurzen Kindheit traͤumen, und der fernen Berge, der Heimath, gedenken, wo ſie groß wurden, und des Stromes, des alten Vaters Rhein, der ihnen allnaͤchtlich freundlich ein Wie¬ genlied murmelte? Gedenket ihr der wonnigen Tage, da die milde Mutter, die Sonne, euch aus dem Schlum¬ mer kuͤßte, da ihr in klarer Fruͤhlingsluft die Aeuglein oͤffnetet zum Erſtenmal, und hinab¬ ſchautet ins herrliche Rheingau? Und als der Mai einzog in ſein deutſches Paradies, ge¬ denket ihr noch wie euch die Mutter anthat mit gruͤnen Kleidchen von Laubwerk, und wie der alte Vater baß ſich deſſen freute, herauf lugte aus ſeinem gruͤnen Bette und euch zu¬ winkte und munter rauſchte am Lurlei? 3

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Zitationshilfe: Hauff, Wilhelm: Phantasien im Bremer Rathskeller. Stuttgart, 1827, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hauff_phantasien_1827/39>, abgerufen am 21.11.2024.