Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

der König. Wir haben nicht Zeit, Ihre Aventuren anzuhören.

Ei, du lieber Herrgott, das klingt ja ganz gefährlich, sagte unsere Freundin Justine, die beide Männer nach ihren Kleidern würdigte. Wenn's der gnädige Herr hier mit anhört, wird's für anderer Leute Ohren auch nicht zu viel sein. Ich sehe vielleicht jetzt schlecht aus, nun ja, ich gehe auf ungewohnten Wegen, aber es ist Mancher mehr, als man eben denkt.

Womit kann ich dienen? fragte der Husarenoffizier in großer Verlegenheit, weil ein Wink des Königs ihm gebot, sein Incognito zu ehren. Ich bin der General Ziethen selbst.

Ach, mein Schöpfer! ist das möglich? ist das wahr? rief die Alte aus. O Junker Joachim, o werthester Herr General, ich möchte weinen vor Freude und Rührung! Ich hätte Dieselben nicht gekannt, nein gewiß nicht. Sie sind doch auch ein bischen alt geworden in der langen Zeit, und die alte Justine Wiedemann, nicht wahr, die ist vertrocknet wie ein Nußkern vom vorigen Jahr. Ja, ja, es ist die alte Justine, Junker Joachim, die dich gewartet hat, die dich laufen lehrte mit gebücktem Rücken, die in den Pocken bei dir blieb, obgleich sie sie selbst nicht gehabt hatte, die dich Nachts umhertrug, wenn du nicht schlafen mochtest, und noch dazu vom Papa dafür gescholten ward. Die ist nun da und will ihren Lohn haben.

Rede frei, sagte der General, ich weiß recht gut,

der König. Wir haben nicht Zeit, Ihre Aventuren anzuhören.

Ei, du lieber Herrgott, das klingt ja ganz gefährlich, sagte unsere Freundin Justine, die beide Männer nach ihren Kleidern würdigte. Wenn's der gnädige Herr hier mit anhört, wird's für anderer Leute Ohren auch nicht zu viel sein. Ich sehe vielleicht jetzt schlecht aus, nun ja, ich gehe auf ungewohnten Wegen, aber es ist Mancher mehr, als man eben denkt.

Womit kann ich dienen? fragte der Husarenoffizier in großer Verlegenheit, weil ein Wink des Königs ihm gebot, sein Incognito zu ehren. Ich bin der General Ziethen selbst.

Ach, mein Schöpfer! ist das möglich? ist das wahr? rief die Alte aus. O Junker Joachim, o werthester Herr General, ich möchte weinen vor Freude und Rührung! Ich hätte Dieselben nicht gekannt, nein gewiß nicht. Sie sind doch auch ein bischen alt geworden in der langen Zeit, und die alte Justine Wiedemann, nicht wahr, die ist vertrocknet wie ein Nußkern vom vorigen Jahr. Ja, ja, es ist die alte Justine, Junker Joachim, die dich gewartet hat, die dich laufen lehrte mit gebücktem Rücken, die in den Pocken bei dir blieb, obgleich sie sie selbst nicht gehabt hatte, die dich Nachts umhertrug, wenn du nicht schlafen mochtest, und noch dazu vom Papa dafür gescholten ward. Die ist nun da und will ihren Lohn haben.

Rede frei, sagte der General, ich weiß recht gut,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0062"/>
der König. Wir haben nicht Zeit,                Ihre Aventuren anzuhören.</p><lb/>
        <p>Ei, du lieber Herrgott, das klingt ja ganz gefährlich, sagte unsere Freundin Justine,                die beide Männer nach ihren Kleidern würdigte. Wenn's der gnädige Herr hier mit                anhört, wird's für anderer Leute Ohren auch nicht zu viel sein. Ich sehe vielleicht                jetzt schlecht aus, nun ja, ich gehe auf ungewohnten Wegen, aber es ist Mancher mehr,                als man eben denkt.</p><lb/>
        <p>Womit kann ich dienen? fragte der Husarenoffizier in großer Verlegenheit, weil ein                Wink des Königs ihm gebot, sein Incognito zu ehren. Ich bin der General Ziethen                selbst.</p><lb/>
        <p>Ach, mein Schöpfer! ist das möglich? ist das wahr? rief die Alte aus. O Junker                Joachim, o werthester Herr General, ich möchte weinen vor Freude und Rührung! Ich                hätte Dieselben nicht gekannt, nein gewiß nicht. Sie sind doch auch ein bischen alt                geworden in der langen Zeit, und die alte Justine Wiedemann, nicht wahr, die ist                vertrocknet wie ein Nußkern vom vorigen Jahr. Ja, ja, es ist die alte Justine, Junker                Joachim, die dich gewartet hat, die dich laufen lehrte mit gebücktem Rücken, die in                den Pocken bei dir blieb, obgleich sie sie selbst nicht gehabt hatte, die dich Nachts                umhertrug, wenn du nicht schlafen mochtest, und noch dazu vom Papa dafür gescholten                ward. Die ist nun da und will ihren Lohn haben.</p><lb/>
        <p>Rede frei, sagte der General, ich weiß recht gut,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] der König. Wir haben nicht Zeit, Ihre Aventuren anzuhören. Ei, du lieber Herrgott, das klingt ja ganz gefährlich, sagte unsere Freundin Justine, die beide Männer nach ihren Kleidern würdigte. Wenn's der gnädige Herr hier mit anhört, wird's für anderer Leute Ohren auch nicht zu viel sein. Ich sehe vielleicht jetzt schlecht aus, nun ja, ich gehe auf ungewohnten Wegen, aber es ist Mancher mehr, als man eben denkt. Womit kann ich dienen? fragte der Husarenoffizier in großer Verlegenheit, weil ein Wink des Königs ihm gebot, sein Incognito zu ehren. Ich bin der General Ziethen selbst. Ach, mein Schöpfer! ist das möglich? ist das wahr? rief die Alte aus. O Junker Joachim, o werthester Herr General, ich möchte weinen vor Freude und Rührung! Ich hätte Dieselben nicht gekannt, nein gewiß nicht. Sie sind doch auch ein bischen alt geworden in der langen Zeit, und die alte Justine Wiedemann, nicht wahr, die ist vertrocknet wie ein Nußkern vom vorigen Jahr. Ja, ja, es ist die alte Justine, Junker Joachim, die dich gewartet hat, die dich laufen lehrte mit gebücktem Rücken, die in den Pocken bei dir blieb, obgleich sie sie selbst nicht gehabt hatte, die dich Nachts umhertrug, wenn du nicht schlafen mochtest, und noch dazu vom Papa dafür gescholten ward. Die ist nun da und will ihren Lohn haben. Rede frei, sagte der General, ich weiß recht gut,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:20:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/62
Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/62>, abgerufen am 28.03.2024.