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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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was ich dir schuldig bin. Es freut mich, dich noch einmal wiederzusehen. Kann ich etwas thun, deine alten Tage zu erleichtern? Ich will's gern.

Für mich nichts, antwortete sie, aber um meinetwillen für einen andern guten Menschen. Ich denke, wer ein Wort reden kann mit den Gewaltigen der Erde, der soll es thun, und wer eine Schuld zu bezahlen hat, der soll nicht fragen, an welchen Nebenmenschen er sie abträgt. Ja, so denke ich, und darum bin ich hier. Sie können mit dem Könige umgehen, so zu sagen, wie ich mit Ihnen -- nun, der hat jetzt ein großes Unrecht gethan, und das müssen Sie ihm sagen, daß er's wieder gut macht. Ich will's ausführlich erzählen, und wenn's dem andern Herrn zu viel wird, weil er mich so durchbohrend ansieht, da dacht' ich, er könnte lieber weiter reiten; aus dem Concepte last' ich mich nicht bringen, mit Gottes Hülfe. Sehen Sie, seit vier Jahren hat mein Fuß die Straße nicht betreten, und jetzt bin ich hier, so weit von dem lieben Dresden, mitten unter Soldaten und Zelten und Kanonen, in der Herbstluft und dem garstigen Nebel, und ganz außer mir über ein erbärmliches Nachtquartier. Das Alles habe ich erlitten, weil ich hoffe. Sie werden dem Könige die Wahrheit sagen, und er wird in sich gehen.

Das ist ein curioses Verlangen, mein lieber Ziethen, sagte der König lächelnd. Es ist zwar nicht das erste Mal, daß Ziethen dem Könige die Wahrheit sagt, aber ich bin nur dubiös, ob der König in sich gehen wird.

was ich dir schuldig bin. Es freut mich, dich noch einmal wiederzusehen. Kann ich etwas thun, deine alten Tage zu erleichtern? Ich will's gern.

Für mich nichts, antwortete sie, aber um meinetwillen für einen andern guten Menschen. Ich denke, wer ein Wort reden kann mit den Gewaltigen der Erde, der soll es thun, und wer eine Schuld zu bezahlen hat, der soll nicht fragen, an welchen Nebenmenschen er sie abträgt. Ja, so denke ich, und darum bin ich hier. Sie können mit dem Könige umgehen, so zu sagen, wie ich mit Ihnen — nun, der hat jetzt ein großes Unrecht gethan, und das müssen Sie ihm sagen, daß er's wieder gut macht. Ich will's ausführlich erzählen, und wenn's dem andern Herrn zu viel wird, weil er mich so durchbohrend ansieht, da dacht' ich, er könnte lieber weiter reiten; aus dem Concepte last' ich mich nicht bringen, mit Gottes Hülfe. Sehen Sie, seit vier Jahren hat mein Fuß die Straße nicht betreten, und jetzt bin ich hier, so weit von dem lieben Dresden, mitten unter Soldaten und Zelten und Kanonen, in der Herbstluft und dem garstigen Nebel, und ganz außer mir über ein erbärmliches Nachtquartier. Das Alles habe ich erlitten, weil ich hoffe. Sie werden dem Könige die Wahrheit sagen, und er wird in sich gehen.

Das ist ein curioses Verlangen, mein lieber Ziethen, sagte der König lächelnd. Es ist zwar nicht das erste Mal, daß Ziethen dem Könige die Wahrheit sagt, aber ich bin nur dubiös, ob der König in sich gehen wird.

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[0063] was ich dir schuldig bin. Es freut mich, dich noch einmal wiederzusehen. Kann ich etwas thun, deine alten Tage zu erleichtern? Ich will's gern. Für mich nichts, antwortete sie, aber um meinetwillen für einen andern guten Menschen. Ich denke, wer ein Wort reden kann mit den Gewaltigen der Erde, der soll es thun, und wer eine Schuld zu bezahlen hat, der soll nicht fragen, an welchen Nebenmenschen er sie abträgt. Ja, so denke ich, und darum bin ich hier. Sie können mit dem Könige umgehen, so zu sagen, wie ich mit Ihnen — nun, der hat jetzt ein großes Unrecht gethan, und das müssen Sie ihm sagen, daß er's wieder gut macht. Ich will's ausführlich erzählen, und wenn's dem andern Herrn zu viel wird, weil er mich so durchbohrend ansieht, da dacht' ich, er könnte lieber weiter reiten; aus dem Concepte last' ich mich nicht bringen, mit Gottes Hülfe. Sehen Sie, seit vier Jahren hat mein Fuß die Straße nicht betreten, und jetzt bin ich hier, so weit von dem lieben Dresden, mitten unter Soldaten und Zelten und Kanonen, in der Herbstluft und dem garstigen Nebel, und ganz außer mir über ein erbärmliches Nachtquartier. Das Alles habe ich erlitten, weil ich hoffe. Sie werden dem Könige die Wahrheit sagen, und er wird in sich gehen. Das ist ein curioses Verlangen, mein lieber Ziethen, sagte der König lächelnd. Es ist zwar nicht das erste Mal, daß Ziethen dem Könige die Wahrheit sagt, aber ich bin nur dubiös, ob der König in sich gehen wird.

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/63>, abgerufen am 19.04.2024.