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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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unter dem offenen Himmel und hat kein Dach über sich, als ein Leinwandfähnchen, drüben sind die Feinde mit ihren Todesgeschossen, die können alle Augenblicke losbrechen, und Niemand kann sagen, wer unterliegen wird. Er ist ein großer König, aber weiß er, wie es morgen um ihn steht, wenn die Sonne herauf kommt? In solcher Lage muß der Mensch die Wagschale seiner Verschuldungen nicht um ein einziges Härlein überfüllen, denn das Härlein kann sie zu Boden ziehen.

Mit unglaublicher Schnelle war diese Rede von Justinens Lippen geströmt, jetzt hielt sie erschöpft inne, denn sie fühlte doch, wie die Reise, die schlechte Nacht ihre Kraft verminderte. In diesem Augenblicke langten die zurückgebliebenen Generale auf dem Platze an, man nannte den König, Justine hörte staunend, wer der einfach gekleidete Mann war, vor welchem sie so offen gesprochen hatte. Doch es kam keine Furcht in ihre Seele, sie empfand nur die Liebe für ihren angestammten König, seinen Ruhm, seine Größe, und daß sie ihn nun sah, nahe und ungestört, da es ihr in Dresden nie gelang, etwas mehr als seinen kleinen Hut oder den Umriß seiner Gestalt zu erblicken. Sie faltete die Hände und trat dicht an des Monarchen Pferd. Das ist also mein König, sagte sie sehr gerührt, der große, tapfre, herrliche Friedrich! Ja, ich bin auch eine Preußin! Und wenn ich ein Mann wäre, möcht' ich's gar nicht besser haben, als meine braven Landsleute, die für ihn fechten und sterben.

Mit dem Ellinger kann es nicht anders werden,

unter dem offenen Himmel und hat kein Dach über sich, als ein Leinwandfähnchen, drüben sind die Feinde mit ihren Todesgeschossen, die können alle Augenblicke losbrechen, und Niemand kann sagen, wer unterliegen wird. Er ist ein großer König, aber weiß er, wie es morgen um ihn steht, wenn die Sonne herauf kommt? In solcher Lage muß der Mensch die Wagschale seiner Verschuldungen nicht um ein einziges Härlein überfüllen, denn das Härlein kann sie zu Boden ziehen.

Mit unglaublicher Schnelle war diese Rede von Justinens Lippen geströmt, jetzt hielt sie erschöpft inne, denn sie fühlte doch, wie die Reise, die schlechte Nacht ihre Kraft verminderte. In diesem Augenblicke langten die zurückgebliebenen Generale auf dem Platze an, man nannte den König, Justine hörte staunend, wer der einfach gekleidete Mann war, vor welchem sie so offen gesprochen hatte. Doch es kam keine Furcht in ihre Seele, sie empfand nur die Liebe für ihren angestammten König, seinen Ruhm, seine Größe, und daß sie ihn nun sah, nahe und ungestört, da es ihr in Dresden nie gelang, etwas mehr als seinen kleinen Hut oder den Umriß seiner Gestalt zu erblicken. Sie faltete die Hände und trat dicht an des Monarchen Pferd. Das ist also mein König, sagte sie sehr gerührt, der große, tapfre, herrliche Friedrich! Ja, ich bin auch eine Preußin! Und wenn ich ein Mann wäre, möcht' ich's gar nicht besser haben, als meine braven Landsleute, die für ihn fechten und sterben.

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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/65>, abgerufen am 16.04.2024.