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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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recht hatten! So lange meine Augen offen stehen, will ich an Hochkirch denken. -- Aber ich vergesse das Wichtigste. Wie ich nach Dresden kam -- ach mein Himmel! das arme Dresden, sie haben ja unterdessen den Leuten in den Vorstädten die Häuser über dem Kopfe weggebrannt; ja, wie ich ankam, es war mein Erstes, zum Gevatter zu gehen und ihm ein bischen die Wahrheit zu sagen wegen des Hasen von Fuhrmann, den er mir gedungen hat. Nun, da erfuhr ich denn, unser Vater wäre freigesprochen, und ihr alle wäret hinausgezogen auf Pistor's Gut bei Meißen.

Und du weißt nicht, daß deine Bitten den Vater befreit haben? sagte Mariane. Der General Ziethen hat uns in einigen eigenhändigen Zeilen gemeldet, wie du für den Vater bei dem Könige gesprochen hast, und dann schrieb er weiter, weil deine Treue dich nach Hochkirch in den Tod geführt hätte, wollte der König sie ehren und uns Gnade schenken.

Gott segne den König! rief Justine. O, ich will niemals wieder über die Beschwerden der Reise und über die abscheuliche Angstnacht bei dem Ueberfall klagen, nein, gewiß nicht. Der Gedanke, wie ich alter, schwacher Wurm euch den Vater befreit habe, der soll mir noch in meiner Todesstunde wohlthun. Seht ihr nun, Kinder, wie gut es ist, wenn man sich mit der Zunge behelfen kann, und wenn man sich von ein paar durchdringenden Augen nicht irren läßt? -- Ausgestanden habe ich freilich Vieles, ich kann nun sagen: ich

recht hatten! So lange meine Augen offen stehen, will ich an Hochkirch denken. — Aber ich vergesse das Wichtigste. Wie ich nach Dresden kam — ach mein Himmel! das arme Dresden, sie haben ja unterdessen den Leuten in den Vorstädten die Häuser über dem Kopfe weggebrannt; ja, wie ich ankam, es war mein Erstes, zum Gevatter zu gehen und ihm ein bischen die Wahrheit zu sagen wegen des Hasen von Fuhrmann, den er mir gedungen hat. Nun, da erfuhr ich denn, unser Vater wäre freigesprochen, und ihr alle wäret hinausgezogen auf Pistor's Gut bei Meißen.

Und du weißt nicht, daß deine Bitten den Vater befreit haben? sagte Mariane. Der General Ziethen hat uns in einigen eigenhändigen Zeilen gemeldet, wie du für den Vater bei dem Könige gesprochen hast, und dann schrieb er weiter, weil deine Treue dich nach Hochkirch in den Tod geführt hätte, wollte der König sie ehren und uns Gnade schenken.

Gott segne den König! rief Justine. O, ich will niemals wieder über die Beschwerden der Reise und über die abscheuliche Angstnacht bei dem Ueberfall klagen, nein, gewiß nicht. Der Gedanke, wie ich alter, schwacher Wurm euch den Vater befreit habe, der soll mir noch in meiner Todesstunde wohlthun. Seht ihr nun, Kinder, wie gut es ist, wenn man sich mit der Zunge behelfen kann, und wenn man sich von ein paar durchdringenden Augen nicht irren läßt? — Ausgestanden habe ich freilich Vieles, ich kann nun sagen: ich

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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:20:58Z)

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/75>, abgerufen am 19.04.2024.