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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Osnabrücksche Geschichte
ich hier, daß diese Volcae Tectosages, welche in der Folge
Hochländer oder Chatten genannt wurden, bloß nach
griechischen Begriffen, welchen Cäsar hier folgt, aus
Gallien geholet werden. Denn allem Ansehn nach mu-
sten die alten Bewohner der Oricinischen Gebürge, die
nachherigen Usipeter, Tenkterer und Batavier, den Vol-
cis Tectosagis,
welche sich in den Schwäbischen Bund ein-
liessen, weichen; und diese Bundsgenossen waren den
Griechen lange Zeit Gallier. Was aber die Orcinischen
Gebürge anlangt: so bedeutet ar er ir or ur in allen
Sprachen die ich kenne, quodlibet extremum; so wol im
eigentlichen als figürlichen Verstande, und folglich das
Höchste und Niedrigste, Anfang und Ende, Ehre und
Schimpf, roth und schwarz etc. Also ist z. E. Ar-arat
die Höhe aller Höhen; Ara das Höchste; jeder Nahme
in ar, wie Arsaces, Arsinoe ein Fürstlicher Nahme; A-
rista
die Spitze, Aur-ora prima primae diei, Aurum pri-
mum metallum &c. Era
der Anfang, Ehre honor,
Erde materia prima, Herr summus, Orbis, Urbs
Erbse quidquid undique terminatur; Erbe, Orbar
quod originarie & non derivative possidetur, Orcus, erebus
ultimum, oriri
entstehn, Orcinia entweder das hohe oder
das äusserste Gebürge, Ora die Küste, Ohr extremitas
capitis,
Ohrband das äusserste Band, Oriflamma die
höchste oder Reichs-Fahne, Ursache causa prima &c.
ich könnte noch tausende von Wörtern anführen, worin
dieses handgreiflich ist, besonders auch aus den Hebräi-
schen und Griechischen. Da das r. sich leicht in t, l. und
s verwandelt: so geht dieses noch weiter; allein nicht
mit gleichen Vortheil, weil sich zuletzt zeigt, daß, so wie
alle unsre Jdeen von der Figur der Dinge entlehnt sind,
also auch fast alle radices vocum in allen möglichen Spra-
chen, auf Länge, Breite, Höhe und Tiefe hinausgehen
müssen. Die seltsamsten Fehler entstehn aus der Ver-
wechselung der eigentlichen und figürlichen Bedeutung.
So bedeutet z. E. roth, hort, ort oder erith: zu-
gleich das äusserste, und auch die höchste Farbe. Daher
Oſnabruͤckſche Geſchichte
ich hier, daß dieſe Volcæ Tectoſages, welche in der Folge
Hochlaͤnder oder Chatten genannt wurden, bloß nach
griechiſchen Begriffen, welchen Caͤſar hier folgt, aus
Gallien geholet werden. Denn allem Anſehn nach mu-
ſten die alten Bewohner der Oriciniſchen Gebuͤrge, die
nachherigen Uſipeter, Tenkterer und Batavier, den Vol-
cis Tectoſagis,
welche ſich in den Schwaͤbiſchen Bund ein-
lieſſen, weichen; und dieſe Bundsgenoſſen waren den
Griechen lange Zeit Gallier. Was aber die Orciniſchen
Gebuͤrge anlangt: ſo bedeutet ar er ir or ur in allen
Sprachen die ich kenne, quodlibet extremum; ſo wol im
eigentlichen als figuͤrlichen Verſtande, und folglich das
Hoͤchſte und Niedrigſte, Anfang und Ende, Ehre und
Schimpf, roth und ſchwarz ꝛc. Alſo iſt z. E. Ar-arat
die Hoͤhe aller Hoͤhen; Ara das Hoͤchſte; jeder Nahme
in ar, wie Arſaces, Arſinoe ein Fuͤrſtlicher Nahme; A-
riſta
die Spitze, Aur-ora prima primæ diei, Aurum pri-
mum metallum &c. Era
der Anfang, Ehre honor,
Erde materia prima, Herr ſummus, Orbis, Urbs
Erbſe quidquid undique terminatur; Erbe, Orbar
quod originarie & non derivative poſſidetur, Orcus, erebus
ultimum, oriri
entſtehn, Orcinia entweder das hohe oder
das aͤuſſerſte Gebuͤrge, Ora die Kuͤſte, Ohr extremitas
capitis,
Ohrband das aͤuſſerſte Band, Oriflamma die
hoͤchſte oder Reichs-Fahne, Urſache cauſa prima &c.
ich koͤnnte noch tauſende von Woͤrtern anfuͤhren, worin
dieſes handgreiflich iſt, beſonders auch aus den Hebraͤi-
ſchen und Griechiſchen. Da das r. ſich leicht in t, l. und
s verwandelt: ſo geht dieſes noch weiter; allein nicht
mit gleichen Vortheil, weil ſich zuletzt zeigt, daß, ſo wie
alle unſre Jdeen von der Figur der Dinge entlehnt ſind,
alſo auch faſt alle radices vocum in allen moͤglichen Spra-
chen, auf Laͤnge, Breite, Hoͤhe und Tiefe hinausgehen
muͤſſen. Die ſeltſamſten Fehler entſtehn aus der Ver-
wechſelung der eigentlichen und figuͤrlichen Bedeutung.
So bedeutet z. E. roth, hort, ort oder ἐϱιϑ: zu-
gleich das aͤuſſerſte, und auch die hoͤchſte Farbe. Daher
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[154/0184] Oſnabruͤckſche Geſchichte ⁽b⁾ ich hier, daß dieſe Volcæ Tectoſages, welche in der Folge Hochlaͤnder oder Chatten genannt wurden, bloß nach griechiſchen Begriffen, welchen Caͤſar hier folgt, aus Gallien geholet werden. Denn allem Anſehn nach mu- ſten die alten Bewohner der Oriciniſchen Gebuͤrge, die nachherigen Uſipeter, Tenkterer und Batavier, den Vol- cis Tectoſagis, welche ſich in den Schwaͤbiſchen Bund ein- lieſſen, weichen; und dieſe Bundsgenoſſen waren den Griechen lange Zeit Gallier. Was aber die Orciniſchen Gebuͤrge anlangt: ſo bedeutet ar er ir or ur in allen Sprachen die ich kenne, quodlibet extremum; ſo wol im eigentlichen als figuͤrlichen Verſtande, und folglich das Hoͤchſte und Niedrigſte, Anfang und Ende, Ehre und Schimpf, roth und ſchwarz ꝛc. Alſo iſt z. E. Ar-arat die Hoͤhe aller Hoͤhen; Ara das Hoͤchſte; jeder Nahme in ar, wie Arſaces, Arſinoe ein Fuͤrſtlicher Nahme; A- riſta die Spitze, Aur-ora prima primæ diei, Aurum pri- mum metallum &c. Era der Anfang, Ehre honor, Erde materia prima, Herr ſummus, Orbis, Urbs Erbſe quidquid undique terminatur; Erbe, Orbar quod originarie & non derivative poſſidetur, Orcus, erebus ultimum, oriri entſtehn, Orcinia entweder das hohe oder das aͤuſſerſte Gebuͤrge, Ora die Kuͤſte, Ohr extremitas capitis, Ohrband das aͤuſſerſte Band, Oriflamma die hoͤchſte oder Reichs-Fahne, Urſache cauſa prima &c. ich koͤnnte noch tauſende von Woͤrtern anfuͤhren, worin dieſes handgreiflich iſt, beſonders auch aus den Hebraͤi- ſchen und Griechiſchen. Da das r. ſich leicht in t, l. und s verwandelt: ſo geht dieſes noch weiter; allein nicht mit gleichen Vortheil, weil ſich zuletzt zeigt, daß, ſo wie alle unſre Jdeen von der Figur der Dinge entlehnt ſind, alſo auch faſt alle radices vocum in allen moͤglichen Spra- chen, auf Laͤnge, Breite, Hoͤhe und Tiefe hinausgehen muͤſſen. Die ſeltſamſten Fehler entſtehn aus der Ver- wechſelung der eigentlichen und figuͤrlichen Bedeutung. So bedeutet z. E. roth, hort, ort oder ἐϱιϑ: zu- gleich das aͤuſſerſte, und auch die hoͤchſte Farbe. Daher wird

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/184>, abgerufen am 14.05.2024.