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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Vorrede.
Vortheil begleitete Ausübung der Regalien, wozu er
sonst eigne Localbeamte hätte bestellen müssen, den
höchsten Obrigkeiten jedes Landes zu überlassen, und
solchergestalt sein eignes Gewissen zu beruhigen. Hie-
zu war die Reformation gekommen und hatte allen
Landesherrn öftere Gelegenheit gegeben diejenigen
Rechte, welche sich aus obigen leicht folgern liessen,
in ihrer völligen Stärke auszuüben, insbesondre aber
die Schranken welche ihnen ihrer Länder eigne von der
kayserlichen Gnade unabhängige Verfassung entgegen
gesetzt hatte ziemlich zu erweitern, indem sie die Voll-
macht dazu theils von der Noth entlehnten, theils von
dem Hasse der streitenden Religionspartheyen gutwil-
lig erhielten. Und so war es endlich kein Wunder,
wann beym westphälischen Frieden, nachdem alles
lange genug in Verwirrung gewesen, diejenigen
Reichsstände, welche nach und nach die Vogtey, den
Grafenbann, das Freyherzogthum und die ganze
Vollmacht des missi in ihren Landen erlangt hatten,
die Bestätigung einer vollkommenen Landeshoheit;
andre hingegen, welche nur die Vogtey gehabt, je-
doch sich der höhern Reichsbeamte erwehret hatten,
die Unmittelbarkeit und in Religionssachen eine noth-
wendige Unabhängigkeit erhielten.

Wenn man auf die Anlage der deutschen Verfas-
sung zurück gehet: so zeigen sich vier Hauptwendun-
gen, welche sie hätte nehmen können. Entweder wäre
die erste Controlle der Reichsbeamte per missos ge-
blieben. Oder aber jede Provinz hätte einen auf Le-
benszeit stehenden Statthalter zum Controlleur und

Ober-

Vorrede.
Vortheil begleitete Ausuͤbung der Regalien, wozu er
ſonſt eigne Localbeamte haͤtte beſtellen muͤſſen, den
hoͤchſten Obrigkeiten jedes Landes zu uͤberlaſſen, und
ſolchergeſtalt ſein eignes Gewiſſen zu beruhigen. Hie-
zu war die Reformation gekommen und hatte allen
Landesherrn oͤftere Gelegenheit gegeben diejenigen
Rechte, welche ſich aus obigen leicht folgern lieſſen,
in ihrer voͤlligen Staͤrke auszuuͤben, insbeſondre aber
die Schranken welche ihnen ihrer Laͤnder eigne von der
kayſerlichen Gnade unabhaͤngige Verfaſſung entgegen
geſetzt hatte ziemlich zu erweitern, indem ſie die Voll-
macht dazu theils von der Noth entlehnten, theils von
dem Haſſe der ſtreitenden Religionspartheyen gutwil-
lig erhielten. Und ſo war es endlich kein Wunder,
wann beym weſtphaͤliſchen Frieden, nachdem alles
lange genug in Verwirrung geweſen, diejenigen
Reichsſtaͤnde, welche nach und nach die Vogtey, den
Grafenbann, das Freyherzogthum und die ganze
Vollmacht des miſſi in ihren Landen erlangt hatten,
die Beſtaͤtigung einer vollkommenen Landeshoheit;
andre hingegen, welche nur die Vogtey gehabt, je-
doch ſich der hoͤhern Reichsbeamte erwehret hatten,
die Unmittelbarkeit und in Religionsſachen eine noth-
wendige Unabhaͤngigkeit erhielten.

Wenn man auf die Anlage der deutſchen Verfaſ-
ſung zuruͤck gehet: ſo zeigen ſich vier Hauptwendun-
gen, welche ſie haͤtte nehmen koͤnnen. Entweder waͤre
die erſte Controlle der Reichsbeamte per miſſos ge-
blieben. Oder aber jede Provinz haͤtte einen auf Le-
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Ober-
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[0022] Vorrede. Vortheil begleitete Ausuͤbung der Regalien, wozu er ſonſt eigne Localbeamte haͤtte beſtellen muͤſſen, den hoͤchſten Obrigkeiten jedes Landes zu uͤberlaſſen, und ſolchergeſtalt ſein eignes Gewiſſen zu beruhigen. Hie- zu war die Reformation gekommen und hatte allen Landesherrn oͤftere Gelegenheit gegeben diejenigen Rechte, welche ſich aus obigen leicht folgern lieſſen, in ihrer voͤlligen Staͤrke auszuuͤben, insbeſondre aber die Schranken welche ihnen ihrer Laͤnder eigne von der kayſerlichen Gnade unabhaͤngige Verfaſſung entgegen geſetzt hatte ziemlich zu erweitern, indem ſie die Voll- macht dazu theils von der Noth entlehnten, theils von dem Haſſe der ſtreitenden Religionspartheyen gutwil- lig erhielten. Und ſo war es endlich kein Wunder, wann beym weſtphaͤliſchen Frieden, nachdem alles lange genug in Verwirrung geweſen, diejenigen Reichsſtaͤnde, welche nach und nach die Vogtey, den Grafenbann, das Freyherzogthum und die ganze Vollmacht des miſſi in ihren Landen erlangt hatten, die Beſtaͤtigung einer vollkommenen Landeshoheit; andre hingegen, welche nur die Vogtey gehabt, je- doch ſich der hoͤhern Reichsbeamte erwehret hatten, die Unmittelbarkeit und in Religionsſachen eine noth- wendige Unabhaͤngigkeit erhielten. Wenn man auf die Anlage der deutſchen Verfaſ- ſung zuruͤck gehet: ſo zeigen ſich vier Hauptwendun- gen, welche ſie haͤtte nehmen koͤnnen. Entweder waͤre die erſte Controlle der Reichsbeamte per miſſos ge- blieben. Oder aber jede Provinz haͤtte einen auf Le- benszeit ſtehenden Statthalter zum Controlleur und Ober-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/22>, abgerufen am 29.04.2024.