Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778."Sie beurtheilen mich ganz recht: eine Jch verstehe Sie, den harten rauhen stiger
„Sie beurtheilen mich ganz recht: eine Jch verſtehe Sie, den harten rauhen ſtiger
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0142" n="142"/> <p>„Sie beurtheilen mich ganz recht: eine<lb/> ſuͤſſe empfindſame Schwaͤrmerey bemaͤchti-<lb/> get ſich meiner Seele jederzeit in der ideali-<lb/> ſchen Morgenſtunde; aber die Bilder, die<lb/> mir da vorſchweben, kann ich Jhnen nicht<lb/> zeichnen. Sie, mein Herr, wuͤrden mir<lb/> nicht nachempfinden koͤnnen, und ich wuͤrde<lb/> dadurch die Gemaͤhlde, die ich Jhnen auf-<lb/> ſtellte, fuͤr entweiht halten. Jm Ganzen<lb/> ſind es Vorſtellungen kleiner Familienſce-<lb/> nen, die mich entzuͤcken; und da iſt keine<lb/> vielleicht zu erdenken, die nicht von einem<lb/> unſrer empfindſamen Schriftſteller ſchon <hi rendition="#aq">en<lb/> gros</hi> gezeichnet und kommentirt worden ſey.<lb/> Auf dieſe Gemaͤhlde muß ich Sie verweiſen.„</p><lb/> <p>Jch verſtehe Sie, den harten rauhen<lb/> Kontour empfindſamer Scenen pflegen uns<lb/> die empfindſamen Maler bis zum Ekel vor-<lb/> zupinſeln, aber nicht den feinen Detail der<lb/> individuellen Handlung, der eigentlich das<lb/> Herz ruͤhrt. Dieſer iſt fuͤrs Gefuͤhl gei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſtiger</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [142/0142]
„Sie beurtheilen mich ganz recht: eine
ſuͤſſe empfindſame Schwaͤrmerey bemaͤchti-
get ſich meiner Seele jederzeit in der ideali-
ſchen Morgenſtunde; aber die Bilder, die
mir da vorſchweben, kann ich Jhnen nicht
zeichnen. Sie, mein Herr, wuͤrden mir
nicht nachempfinden koͤnnen, und ich wuͤrde
dadurch die Gemaͤhlde, die ich Jhnen auf-
ſtellte, fuͤr entweiht halten. Jm Ganzen
ſind es Vorſtellungen kleiner Familienſce-
nen, die mich entzuͤcken; und da iſt keine
vielleicht zu erdenken, die nicht von einem
unſrer empfindſamen Schriftſteller ſchon en
gros gezeichnet und kommentirt worden ſey.
Auf dieſe Gemaͤhlde muß ich Sie verweiſen.„
Jch verſtehe Sie, den harten rauhen
Kontour empfindſamer Scenen pflegen uns
die empfindſamen Maler bis zum Ekel vor-
zupinſeln, aber nicht den feinen Detail der
individuellen Handlung, der eigentlich das
Herz ruͤhrt. Dieſer iſt fuͤrs Gefuͤhl gei-
ſtiger
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