ist, den Gästen ein freundlich Gesicht ma- chen kann, wenn's ihr gleich nicht ums Herz ist, und mit der sie gern kurzweilen. Da bringt sie ein häßlich Gerippe zum Vor- schein, eine Wehklage, der kein Gast Be- scheid thät, wenn sie ihm einen Trunk zu- brächte. Wenn ich die ins Haus nähm, Herr! eh ein Jahr verging, wär ich ein geschlagner Mann."
Daraus nahm ich zur Gnüge ab, daß der Zwiespalt der Wirthsleut' eigentlich physiognomischen Ursprungs sey. Fiel mir bey eine gar merkwürdige Stelle aus den Fragmenten, die, wo mir recht ist, also lautet: Welcher Hausvater wählt einen Bedienten, welche Hausfrau eine Magd, daß ihr Aeusserliches, daß ihre Gesichtsbil- dung nicht mit in Anschlag komme? Ja wohl, ja wohl! kommt bey der Wahl des Gesindes die Gesichtsbildung mit in Anschlag, mehr gemeiniglich als man denken sollt'.
Wer
iſt, den Gaͤſten ein freundlich Geſicht ma- chen kann, wenn’s ihr gleich nicht ums Herz iſt, und mit der ſie gern kurzweilen. Da bringt ſie ein haͤßlich Gerippe zum Vor- ſchein, eine Wehklage, der kein Gaſt Be- ſcheid thaͤt, wenn ſie ihm einen Trunk zu- braͤchte. Wenn ich die ins Haus naͤhm, Herr! eh ein Jahr verging, waͤr ich ein geſchlagner Mann.„
Daraus nahm ich zur Gnuͤge ab, daß der Zwieſpalt der Wirthsleut’ eigentlich phyſiognomiſchen Urſprungs ſey. Fiel mir bey eine gar merkwuͤrdige Stelle aus den Fragmenten, die, wo mir recht iſt, alſo lautet: Welcher Hausvater waͤhlt einen Bedienten, welche Hausfrau eine Magd, daß ihr Aeuſſerliches, daß ihre Geſichtsbil- dung nicht mit in Anſchlag komme? Ja wohl, ja wohl! kommt bey der Wahl des Geſindes die Geſichtsbildung mit in Anſchlag, mehr gemeiniglich als man denken ſollt’.
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iſt, den Gaͤſten ein freundlich Geſicht ma-
chen kann, wenn’s ihr gleich nicht ums
Herz iſt, und mit der ſie gern kurzweilen.
Da bringt ſie ein haͤßlich Gerippe zum Vor-
ſchein, eine Wehklage, der kein Gaſt Be-
ſcheid thaͤt, wenn ſie ihm einen Trunk zu-
braͤchte. Wenn ich die ins Haus naͤhm,
Herr! eh ein Jahr verging, waͤr ich ein
geſchlagner Mann.„
Daraus nahm ich zur Gnuͤge ab, daß
der Zwieſpalt der Wirthsleut’ eigentlich
phyſiognomiſchen Urſprungs ſey. Fiel mir
bey eine gar merkwuͤrdige Stelle aus den
Fragmenten, die, wo mir recht iſt, alſo
lautet: Welcher Hausvater waͤhlt einen
Bedienten, welche Hausfrau eine Magd,
daß ihr Aeuſſerliches, daß ihre Geſichtsbil-
dung nicht mit in Anſchlag komme? Ja
wohl, ja wohl! kommt bey der Wahl des
Geſindes die Geſichtsbildung mit in Anſchlag,
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Musäus, Johann Karl August: Physiognomische Reisen. Bd. 2. Altenburg, 1778, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/musaeus_reisen02_1778/192>, abgerufen am 16.02.2025.
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