Wenige Tage nach Einstellung der Feindselig- keiten trieb es auch mich hinaus auf die Lauen- burger Vorstadt, wo mein liebes Gärtchen gele- gen war, um den Greuel der Verwüstung, den es hier gab, mit Muße und in stiller Wehmuth zu betrachten. Fast erkannt' ich die Stelle mei- nes Eigenthums, auf der ich so manchen süßen Schweiß vergossen hatte, nicht wieder. Alles war aufgewühlt und verheert, (denn gerade auf diesem Fleck hatten wir eine Batterie von 5 Kanonen errichtet,) oder es war dem frei und üppig wu- chernden Unkraut preißgegeben! Meine schönen edlen Obststämme, die Genossen meiner Jugend -- Sie starrten mich an in ihren abgehauenen Stümpfen ... Doch, da gab es nichts zu kla- gen: denn ich selbst hatte ja, als es Noth that, die Art an sie gelegt! Aber es war mir doch wunderlich und weh um's Herz, und ich mußte dem verödeten Plätzchen den Rücken wenden, um nicht noch weicher zu werden.
Da blickt' ich nun zufällig in der nächsten Nachbarschaft umher, und sah bald, daß ich es nicht allein war, der Trost und Ermuthigung bedurfte. Auf der ganzen weiten Brandstätte umher schlichen die unglücklichen Bewohner, zum Theil mit ihren Säuglingen auf den Armen, zwi- schen den Schutthaufen ihres vernichteten Eigen- thums; scharrten hie und da etwas aus der Asche hervor, das der Gluth widerstanden, aber nun doch keinen Nutzen mehr für sie hatte; jammerten
3. Bändchen. (11)
Wenige Tage nach Einſtellung der Feindſelig- keiten trieb es auch mich hinaus auf die Lauen- burger Vorſtadt, wo mein liebes Gaͤrtchen gele- gen war, um den Greuel der Verwuͤſtung, den es hier gab, mit Muße und in ſtiller Wehmuth zu betrachten. Faſt erkannt’ ich die Stelle mei- nes Eigenthums, auf der ich ſo manchen ſuͤßen Schweiß vergoſſen hatte, nicht wieder. Alles war aufgewuͤhlt und verheert, (denn gerade auf dieſem Fleck hatten wir eine Batterie von 5 Kanonen errichtet,) oder es war dem frei und uͤppig wu- chernden Unkraut preißgegeben! Meine ſchoͤnen edlen Obſtſtaͤmme, die Genoſſen meiner Jugend — Sie ſtarrten mich an in ihren abgehauenen Stuͤmpfen … Doch, da gab es nichts zu kla- gen: denn ich ſelbſt hatte ja, als es Noth that, die Art an ſie gelegt! Aber es war mir doch wunderlich und weh um’s Herz, und ich mußte dem veroͤdeten Plaͤtzchen den Ruͤcken wenden, um nicht noch weicher zu werden.
Da blickt’ ich nun zufaͤllig in der naͤchſten Nachbarſchaft umher, und ſah bald, daß ich es nicht allein war, der Troſt und Ermuthigung bedurfte. Auf der ganzen weiten Brandſtaͤtte umher ſchlichen die ungluͤcklichen Bewohner, zum Theil mit ihren Saͤuglingen auf den Armen, zwi- ſchen den Schutthaufen ihres vernichteten Eigen- thums; ſcharrten hie und da etwas aus der Aſche hervor, das der Gluth widerſtanden, aber nun doch keinen Nutzen mehr fuͤr ſie hatte; jammerten
3. Baͤndchen. (11)
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Wenige Tage nach Einſtellung der Feindſelig-
keiten trieb es auch mich hinaus auf die Lauen-
burger Vorſtadt, wo mein liebes Gaͤrtchen gele-
gen war, um den Greuel der Verwuͤſtung, den
es hier gab, mit Muße und in ſtiller Wehmuth
zu betrachten. Faſt erkannt’ ich die Stelle mei-
nes Eigenthums, auf der ich ſo manchen ſuͤßen
Schweiß vergoſſen hatte, nicht wieder. Alles war
aufgewuͤhlt und verheert, (denn gerade auf dieſem
Fleck hatten wir eine Batterie von 5 Kanonen
errichtet,) oder es war dem frei und uͤppig wu-
chernden Unkraut preißgegeben! Meine ſchoͤnen
edlen Obſtſtaͤmme, die Genoſſen meiner Jugend
— Sie ſtarrten mich an in ihren abgehauenen
Stuͤmpfen … Doch, da gab es nichts zu kla-
gen: denn ich ſelbſt hatte ja, als es Noth that,
die Art an ſie gelegt! Aber es war mir doch
wunderlich und weh um’s Herz, und ich mußte
dem veroͤdeten Plaͤtzchen den Ruͤcken wenden, um
nicht noch weicher zu werden.
Da blickt’ ich nun zufaͤllig in der naͤchſten
Nachbarſchaft umher, und ſah bald, daß ich es
nicht allein war, der Troſt und Ermuthigung
bedurfte. Auf der ganzen weiten Brandſtaͤtte
umher ſchlichen die ungluͤcklichen Bewohner, zum
Theil mit ihren Saͤuglingen auf den Armen, zwi-
ſchen den Schutthaufen ihres vernichteten Eigen-
thums; ſcharrten hie und da etwas aus der Aſche
hervor, das der Gluth widerſtanden, aber nun
doch keinen Nutzen mehr fuͤr ſie hatte; jammerten
3. Baͤndchen. (11)
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/177>, abgerufen am 18.07.2024.
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