und weinten schmerzliche Thränen, daß sie nun nirgend eine bleibende Stätte fänden. Das schnitt mir je länger, je tiefer durch's Herz; mir selber giengen nunmehr die Augen vor Mitleid über, und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch diesen Unglücklichen, wenn auch nur vor der Hand, zu helfen seyn möchte? Jndem ich aber über einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte Trümmer, die mir im Wege lagen, dahinstol- perte, fiel mir's plötzlich bei, daß sich eben davon wohl einige Nothhütten würden errichten lassen, um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som- mermonaten, einstweilen ein leidliches Obdach zu verschaffen.
Voll von diesem Gedanken, machte ich mich sogleich auf den Weg zu unserm Commandanten, um ihm die Noth der Heimlosen, zusammt mei- nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß von ihm zu erbitten, daß sie sich auf den ver- wüsteten Stellen nothdürftig ansiedeln könnten. Jch langte an, und stieß unten im Hause auf ein großes Gewühl von Menschen: denn der Com- mandant hatte an diesem nemlichen Tage den General Loison, zusammt seinem ganzen General- Stabe, zu sich eingeladen; und eben saß die Ge- sellschaft zur Tafel. Jndeß stieß mir doch unter den Kommenden und Gehenden alsbald unser Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der mich wegen meines etwannigen Anbringens be- fragte. Obwohl nun gerade Er nicht allemal
und weinten ſchmerzliche Thraͤnen, daß ſie nun nirgend eine bleibende Staͤtte faͤnden. Das ſchnitt mir je laͤnger, je tiefer durch’s Herz; mir ſelber giengen nunmehr die Augen vor Mitleid uͤber, und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch dieſen Ungluͤcklichen, wenn auch nur vor der Hand, zu helfen ſeyn moͤchte? Jndem ich aber uͤber einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte Truͤmmer, die mir im Wege lagen, dahinſtol- perte, fiel mir’s ploͤtzlich bei, daß ſich eben davon wohl einige Nothhuͤtten wuͤrden errichten laſſen, um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som- mermonaten, einſtweilen ein leidliches Obdach zu verſchaffen.
Voll von dieſem Gedanken, machte ich mich ſogleich auf den Weg zu unſerm Commandanten, um ihm die Noth der Heimloſen, zuſammt mei- nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß von ihm zu erbitten, daß ſie ſich auf den ver- wuͤſteten Stellen nothduͤrftig anſiedeln koͤnnten. Jch langte an, und ſtieß unten im Hauſe auf ein großes Gewuͤhl von Menſchen: denn der Com- mandant hatte an dieſem nemlichen Tage den General Loiſon, zuſammt ſeinem ganzen General- Stabe, zu ſich eingeladen; und eben ſaß die Ge- ſellſchaft zur Tafel. Jndeß ſtieß mir doch unter den Kommenden und Gehenden alsbald unſer Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der mich wegen meines etwannigen Anbringens be- fragte. Obwohl nun gerade Er nicht allemal
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und weinten ſchmerzliche Thraͤnen, daß ſie nun
nirgend eine bleibende Staͤtte faͤnden. Das ſchnitt
mir je laͤnger, je tiefer durch’s Herz; mir ſelber
giengen nunmehr die Augen vor Mitleid uͤber,
und ich verfiel in ein tiefes Nachdenken, wie doch
dieſen Ungluͤcklichen, wenn auch nur vor der Hand,
zu helfen ſeyn moͤchte? Jndem ich aber uͤber
einige verkohlte Balken und andre halb verbrannte
Truͤmmer, die mir im Wege lagen, dahinſtol-
perte, fiel mir’s ploͤtzlich bei, daß ſich eben davon
wohl einige Nothhuͤtten wuͤrden errichten laſſen,
um den armen Leuten, zumal jetzt in den Som-
mermonaten, einſtweilen ein leidliches Obdach zu
verſchaffen.
Voll von dieſem Gedanken, machte ich mich
ſogleich auf den Weg zu unſerm Commandanten,
um ihm die Noth der Heimloſen, zuſammt mei-
nem Einfall, vorzutragen, und die Erlaubniß
von ihm zu erbitten, daß ſie ſich auf den ver-
wuͤſteten Stellen nothduͤrftig anſiedeln koͤnnten.
Jch langte an, und ſtieß unten im Hauſe auf
ein großes Gewuͤhl von Menſchen: denn der Com-
mandant hatte an dieſem nemlichen Tage den
General Loiſon, zuſammt ſeinem ganzen General-
Stabe, zu ſich eingeladen; und eben ſaß die Ge-
ſellſchaft zur Tafel. Jndeß ſtieß mir doch unter
den Kommenden und Gehenden alsbald unſer
Vice-Commandant, der Major v. S., auf, der
mich wegen meines etwannigen Anbringens be-
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Nettelbeck, Joachim: Joachim Nettelbeck, Bürger zu Colberg. Bd. 3. Hrsg. v. Johann Christian Ludwig Haken. Leipzig, 1823, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nettelbeck_lebensbeschreibung03_1823/178>, abgerufen am 18.07.2024.
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